Rätselspiel Retourenkosten: Müssen Amazon-Kunden doch zahlen? [Analyse]
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Zahlen Amazon-Kunden zukünftig für Rücksendungen? (Bild: Amazon)

Amazon. (Foto: Robert Scoble / flickr.com, Lizenz: CC-BY)
Amazons Zögern: Ein Zeichen für ernsthafte Überlegungen zum Thema Retourenkosten?
Amazon kommentiert selten genug aktuelle Entwicklungen und ist auch beim Beantworten von Presse-Anfragen eher sparsam. Gelegentlich erfolgen auch gar keine Antworten. Kommt dann doch eine Antwort, wird schon alleine die Tatsache bewertet, dass eine Antwort erfolgt ist. Nach dem Motto „Wenn das Amazon eine Antwort wert ist, muss ja etwas dran sein.“ Auch wenn die eigentliche Antwort eher inhaltsleer ist. Ein ähnlicher Fall liegt hier vor: das Nachrichtenmagazin Focus bekommt auf Anfrage von Amazon die Antwort, dass Amazon noch keine Entscheidung getroffen habe. Prompt werden in der E-Commerce-Branche Stimmen laut, die „also doch“ rufen, beispielsweise tituliert die Internet World Business ihren morgendlichen News-Überblick mit: „Amazon prüft kostenpflichtige Retouren“.
„Amazon, die Nummer Eins im Online-Handel, gab gegenüber FOCUS Online an, man prüfe zurzeit noch, welchen Weg das Unternehmen gehen werde.“
Achtung Online-Käufer! Ab Juni wird der Umtausch teurer | Focus Online, 15.05.2014
Der Unwille von Amazon, sich hier konkret zu äußern, könnte entweder dafür sprechen, dass ernsthafte Überlegungen geführt werden, ob Retourenkosten eingeführt werden – oder es könnte schlicht bedeuten, dass man gerade mal wieder unwillig ist, sich zu äußern. Auch wenn die Schlussfolgerung, dass sich Amazon der Signalwirkung bewusst sein sollte, die mit dem Andeuten von Überlegungen zu den Retourenkosten einhergeht, nicht ganz von der Hand zu weisen ist. Unsere Anfrage bei Amazon mit der konkreten Nachfrage ob und in welcher Form Rücksendekosten geplant seien, wurde nebenbei bemerkt überhaupt nicht beantwortet.
Amazons strikter Kernfokus Kundenorientierung spricht dagegen
Mit vielen Features wie beispielsweise der Kundenbewertung durch Produkt-Rezensionen hat Amazon schon frühzeitig Service-Standards gesetzt und die Art und Weise, wie wir alle einkaufen, mitgeprägt. Amazon-CEO Jeff Bezos predigt nicht nur die bedingungslose Kundenorientierung im Unternehmen, sondern setzt diese auch energisch um. Neue Mitarbeiter bei Amazon arbeiten in ihrem ersten Jahr einige Zeit in einem Fulfillment-Center und später alle zwei Jahre für zwei Tage im Kundenservice. Ohne Ausnahme, auch Jeff Bezos ist laut dem Artikel „Optimistisch aus Prinzip“ (kostenpflichtig) aus dem Harvard Business Manager davon nicht ausgenommen. Diese kompromisslose Haltung hat dazu geführt, dass die Branche bis heute davon ausgeht, dass Amazon-Kunden trotz geänderter Rechtslage durch die neue Verbraucherrechterichtlinie an der bisherigen Retouren-Praxis festhalten wird. Denn Verbraucher wollen keine Rücksendekosten.
Amazon-Rücksendungen sind nicht pauschal kostenfrei
Damit kein Missverständnis entsteht: Rücksendungen sind für Amazon-Kunden momentan nicht automatisch kostenfrei. Amazon erlegt auch momentan im Rahmen der gesetzlichen Regelungen seinen Kunden Rücksendekosten auf. Und zwar in dem Moment, in dem der Artikel einen Wert von 40 Euro unterschreitet. Hat der Kunde mehrere Artikel zum Zurücksenden parat, und einer der Artikel kann nur kostenpflichtig zurückgesandt werden, dann werden wieder Kosten für die gesamte Rücksendung berechnet. Der Kundenanteil an den Rücksendekosten wird dabei exakt berechnet. Dürfte ein Artikel kostenfrei zurückgesendet werden, muss für den zweiten Artikel, der nicht kostenfrei zurückgesendet werden dürfte, immer noch ein anteiliger Beitrag zum Porto geleistet werden. Würde man die gängige Praxis einfach nach der Logik „es gilt die gesetzliche Regelung“ weiterführen, dann würde Amazon zum 13. Juni beginnen, Retourenkosten für jeden Artikel außer Kleidung und Schuhen zu berechnen. Auch international ist Amazon übrigens eindeutig: liegt kein Amazon.com-Fehler vor, dann zahlt der Kunde immer für die Rücksendung. Der deutsche Markt unterscheidet sich hier schlicht wegen der verbraucherrechtlichen Voraussetzungen und der Erwartungshaltung der Kunden.
Strategische Entscheidung: Prime-Programm weiter aufwerten
Eine denkbare Argumentation, die für eine Einführung einer generellen Rücksendegebühr sprechen würde, könnte auf dem Amazon-Prime-Programm aufbauen – neben dem oben schon erwähnten Hinweis, dass international bereits etwas berechnet wird. Amazon legt in den letzten Jahren immer mehr Wert auf die Bindung seiner Kunden durch Amazon Prime. Amazon Instant Video ist in Deutschland das jüngste Beispiel dafür, dass Amazon möglichst viel Mehrwert in seine Prime-Mitgliedschaft packt. Dass die Mitgliedsgebühr erhöht wurde, kann hier sogar unterstützend auf die „Amazon-Prime-Sogwirkung“ einwirken. Bleibt man mit dem jährlichen Mitgliedsbeitrag unter der Schmerzgrenze des Kunden, überschreitet aber die Grenze zum trivialen Betrag, dann kann das beim Kunden eine Art inneren Zwang auslösen, auch den „Gegenwert“ für diesen Beitrag ausschöpfen zu wollen. Was zu vermehrten Bestellungen führen kann. Nur Prime-Kunden eine kostenfreie Rücksendung zu ermöglichen, wäre also ein denkbares Szenario.

Amazon Prime bietet immer mehr Zusatz-Nutzen: Amazon Instant Video, die Film- und Serienflatrate. (Screenshot: Amazon)
Fazit: Kostenfreie Rücksendung bei Amazon ist kein Dogma
Die Frage lautet nicht, ob Amazon weiterhin kostenfrei Rücksendungen annehmen wird. Amazon erlaubt generisch keine kostenfreie Rücksendung. Die Rücksendung kostet bisher 3, 50 Euro pro Sendung. Die Frage lautet eher, ob Amazon zum Stichtag die Rücksendegebühren wie „bisher“ nach der gesetzlichen Regelung berechnen wird – also ab dem 13. Juni ohne 40-Euro-Ausnahme oder dann eine generische kostenfreie Rücksendung einführt. Wenn es stillschweigend weitergeht wie bisher, dann verschwindet einfach die 40-Euro-Einschränkung aus den Rücksendebedingungen von Amazon und fertig. Amazon hat in den USA bisher mehrmals die Jahresbeiträge für Prime erhöht, der Druck kostendeckender im Alltagsgeschäft zu arbeiten wächst anscheinend. Man hat nichts mehr zu verschenken. In den USA werden Rücksendegebühren für jede Sendung berechnet – sicher kann man jetzt anführen, dass der deutsche Markt anders tickt. Dass der deutsche Verbraucher keine Rücksendekosten will. Und die unbedingte Kundenorientierung dann Rücksendekosten von selbst verbieten würde. Ach, ja? Tatsächlich? Und der amerikanische Kunde? Der wollte die Rücksendekosten? Vielleicht erleben wir eine Überraschung am 13. Juni. Eine böse Überraschung für Kunden und eine eher positive für Onlinehändler.