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Kolumne
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Rassismus unter digitalen Nomaden – so gehst du damit um

Für digitale Nomaden ist die Welt ein Dorf – aber eigentlich will man doch weg von den Dorftrotteln, oder?

Von Robert Enskat
5 Min. Lesezeit
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(Grafik: t3n)

„Überall heißt nirgendwo. Wenn ein Mensch seine ganze Zeit auf Auslandsreisen verbringt, hat er am Ende viele Bekannte, aber keine Freunde.“ Schrieb Seneca. Und als digitaler Nomade lernt man – ob man will oder nicht – viele Leute kennen. Was nicht immer schön und manchmal auch gefährlich sein kann. Macht euch nichts vor: Es gibt blöde, dumme und nervige Menschen, wo auch immer. Und das sind nicht immer Freunde.

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Kennt ihr die Aufkleber, Plakate, T-Shirts und so auf denen steht: „Alle Menschen sind Ausländer. Fast überall.“? Das stimmt. Kennt ihr auch den prägenden Spruch aus George Orwells „Farm der Tiere“: „Alle Tiere sind gleich. Aber manche sind gleicher!“? Das stimmt nicht. Ich muss da aber oft dran denken. Hier mal ein paar Erlebnisse, die euch aufzeigen sollen, was euch so erwarten kann – und wie man damit am besten umgeht.

Kambodscha, Facebook-Gruppe

Gemeinsam mit meiner Frau habe ich mal einen Trip nach Kambodscha gemacht – wir waren auf der Suche nach einem Ort für die nächsten Monate. Sihanoukville, alleine der Name versprach viel. War aber nichts. Ein Ort voller Casinos, extrem lauter Musik überall und Kriminalität. War ich es aus Thailand gewohnt, mein Motorbike mit dem Schlüssel im Schloss überall rumstehen zu lassen, auch über Nacht, hier: Vergiss es! Selbst für eine Minute im 7/11 hieß es, eine dicke Stahlkette durch die Räder zu ziehen. Nicht schön. Aber egal, wir wollten dem Land und dem Ort eine Chance geben.

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Für die Suche nach einer Unterkunft habe ich mich bei diversen Facebook-Gruppen registriert – Expats in Sihanoukville. Dort habe ich was gepostet. So weit, so gut, Dann sah ich aber die Posts der anderen Mitglieder – alles Expats, Deutsche, Österreicher, Engländer und Franzosen. Es war gerade Fußball-EM. Und einer postete ein Bild von Adolf Hitler, wie er sich über eine Landkarte beugte. Das Spiel Deutschland gegen Frankreich stand an – und die Unterschrift war: „Auf geht’s! Frankreich ist machbar!“

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Ohne Worte. Doch nein: mit Worten… Ich habe darauf reagiert und gesagt, dass das wohl das Allerletzte wäre, inakzeptabel, geschmacklos und einfach nur… Naja, eine Stunde später haben wir unsere Rucksäcke gepackt. Denn es wurde eine Treibjagd auf uns anberaumt. Ein Haufen von Nazis tat sich zusammen und ging auf die Suche nach mir, sie wussten angeblich, wo ich wohnte – und wenn ich den Bildern Glauben schenken darf: mit Baseball-Schlägern und Pistolen. Wir sind dann mitten in der Nacht abgehauen, ohne dass sie uns erwischt haben.

Thailand, Bar

Ich saß den ganzen Tag in der Küche und habe einen Reisekatalog neu geschrieben. Auf Koh Samui. Ich brauchte Feierabend und eine Pause. Also ab um die Ecke, etwas Pool spielen, Freunde treffen, abschalten. Das war der Plan. An der Theke neben mir: ein unscheinbarer Typ. Wie es so ist, kommt man ins Gespräch. Und nach nach einer Minute sagte er mir, dass er überzeugter Reichsbürger sei. Dass Ausländer ins KZ gehörten, vergast werden sollten, alle. Dass Deutschland wieder eine Größe werden soll und muss. Ooooookay, ich habe mich umgedreht und gesagt, dass er mich besser nicht mehr ansprechen soll. Das Gespräch dauerte gerade mal eine Minute… Er zückte sein Smartphone und rief seine Freunde an, dass da eine linke Zecke sei… Naja, die kamen, hatten aber die Rechnung ohne die Bar-Besitzerin, eine Thai, gemacht. Will da nicht näher drauf eingehen, wie, aber ich hatte echt Schiss… Der Spuk war schnell vorbei und die Arschlöcher weg (mit Lokalverbot).

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Südafrika, Mini-Mart

Ich wollte mir in Kapstadt die Wochenzeitschrift Spiegel kaufen und stand in der Schlange an der Kasse. Hinter mir ein Mann mit einer, wie soll ich sagen, rechtsradikalen deutschen Wochenzeitung. Er schaute auf den Spiegel und sagte zu mir: „Und dafür ist mein Vater, Leibstandarte Adolf Hitler, gestorben! Verrecke, du Sau!“ Nichts wie weg. Aber vorher noch sichergehen, dass das Arschloch beim Rausgehen unglücklich stolpert und sich die Schulter bricht.

Nicht nur Nazis

Anderes Szenario: Brexit. Unglaublich. Als die erste Abstimmung dafür in Großbritannien lief, war ich von vielen Briten umgeben. Und alle, wirklich alle, skandierten lautstark „Brexit!!!“. Auf meine naive Frage nach dem Warum, es gäbe ja nur negative Folgen, antworteten sie unisono: „Ausländer raus aus UK! Keine Wirtschaftsflüchtlinge mehr!“ Ich habe dann erst versucht, ihnen die wirtschaftlichen und politischen Konsequenzen ein wenig genauer aufzuzeigen. Auch, dass sie dann eventuell ihren Visa-Status verlieren würden, da Großbritannien als Nicht-EU-Mitglied für jedes Land neue bilaterale Abkommen schließen müsse. Ich hätte es auch einer Parkuhr erzählen können. Dann mein Totschlagargument (so dachte ich): „Ausländer raus? Ihr seid doch alle selber Ausländer und lebt gar nicht in England! Ihr seid Ausländer hier! Ihr seid auch Wirtschaftsflüchtlinge, ihr lebt hier günstig wie nix!“ Die Antwort: „Aber wir sind Engländer!!!“

International macht national

Nein. Nicht jeder Expat, nicht jeder Digipat oder digitale Nomade ist nationalistisch oder rassistisch eingestellt. Nein. Das will ich nicht sagen. Doch die Quote ist ziemlich hoch. Wenn ich in Coworking-Stations bin, höre ich beides: „Die Menschen hier sind so toll!“ Und: „Die Menschen hier sind so dumm!“ Überhebliches Denken, gefährliches Denken. Oft werden Locals als minderwertig betrachtet.

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Im Ausland tendieren viele Menschen dazu, ständig ihre Nationalität heranzuziehen und sich darauf zu berufen. Egal, welches Alter oder Geschlecht oder welches Land. Unheimlich.

„I no English, sorry, I Namibia! Afrikaans asseblief“

Wie geht ihr also am besten damit um? Hmmm, schwierig. Es kommt auf euch an. Ich halte es mittlerweile so: Wenn ich irgendwo neu ankomme, wissen nur der Landlord oder das Hotel, woher ich stamme – wegen meines Passes beim Einchecken. Dann schaue ich mich um und entscheide von Situation zu Situation, das ist mittlerweile Routine. Soll heißen, ich sitze irgendwo rum (Coworking, Bar, Bus, Fähre, Flugzeug) und halte erstmal meinen Mund und lausche auf meine Nachbarn. Oft reichen ein paar Minuten, um zu wissen, wen man neben sich hat. Und dann: Wenn es gut klingt, dann verstehe ich deren Sprache und rede gerne mit ihnen. Sind es aber… dann bin ich nicht mehr aus Deutschland und spreche keine gängige Sprache. Dann bin ich mal aus Patagonien, mal aus Namibia, Malawi oder sonst wo. Schnell endet dann das Interesse daran, sich mit mir zu unterhalten. Und in der Zwischenzeit höre und verstehe ich aber, was die über mich reden, weil sie glauben, ich würde sie nicht verstehen. Höchst interessant… Und höchst amüsant ist dann: beim Verabschieden in deren Sprache „Auf Wiedersehen“ zu sagen. Die Blicke sind unbezahlbar. Könnte Bücher darüber schreiben, was sich Leute so privat zu erzählen haben. ;-)

Was will ich jetzt sagen?

Aufpassen. Passt einfach nur auf euch auf. Low Profile, unter dem Radar – glaubt mir, damit fahrt ihr besser, als allen und jedem alles zu erzählen. Viele Expats sind nicht ohne Grund Expats – ich habe einige getroffen, die per Haftbefehl international gesucht werden… Und so manch ein digitaler Nomade mag zwar den Lifestyle eines polyglotten Menschen leben, viel reisen, Yoga, veganes Essen und Co. propagieren, aber gleichzeitig auch rassistisch über die Locals lästern. Ich habe mehr Rassisten, Faschisten, Nationalisten und andere Arschlöcher auf der Welt in Batik-Klamotten getroffen als in Deutschland mit brauner oder schwarzer Uniform mit Fahnen bei Demos.

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Ich bleibe dabei: Locals fragen ist immer gut. Auch Expats. Aber bitte nicht blind vertrauen! Schaut hin, hört hin! Hinterfragt!

Cheers, Rob

Du hast Lust, mehr über das Leben als digitaler Nomade zu erfahren? Kein Problem, bei Rob’n’Roll around the World liest du mehr!

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