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Reform an der Ladenkasse: Warum Schwarz-Rot Kartenzahlungen ankurbelt

Mit der Pflicht zur Annahme von Kartenzahlungen im Einzelhandel geht die kommende Bundesregierung neue Wege im Kampf gegen Steuerhinterziehung. Eine Absage an das Bargeld ist es nicht.

4 Min.
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Bargeld bleibt – aber die Pflicht zur Kartenzahlung kommt. (Bild: pixinoo / Shutterstock)

„Nur Bargeldzahlung“ – diese Ansage könnte in Cafés, Restaurants und Geschäften bald der Vergangenheit angehören, wenn es nach der schwarz-roten Koalition geht. CDU/CSU und SPD haben im Koalitionsvertrag festgelegt, dass Verbraucher künftig eine „echte Wahlfreiheit“ beim Bezahlen haben sollen. Dienstleister und Geschäfte sollen künftig verpflichtet werden, mindestens eine Form der Digitalzahlung für EC- oder Kreditkarte zu akzeptieren.

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Bislang gelten nur Euro-Banknoten als gesetzliches Zahlungsmittel. Ein Recht auf Kartenzahlung gibt es nicht. Händler:innen entscheiden selbst, ob sie digitale Zahlungen annehmen.

Wann die neue Bundesregierung eine Pflicht zur Annahme von Digitalzahlungen einführen wird, legt der Koalitionsvertrag noch nicht fest. Mit der „schrittweisen“ Einführung könnte aber vielleicht auch gemeint sein, dass die Pflicht nicht auf einen Schlag für alle Betriebe gelten wird. Der Hotel- und Gaststättenverband Dehoga argumentiert ohnehin bereits gegen die „pauschale Pflicht“ – die sei eine „unverhältnismäßige Belastung für kleine Betriebe in strukturschwachen Regionen“.

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Bleibt der Mindestbetrag?

Auch ein weiteres Detail, das für Kund:innen ziemlich relevant sein dürfte, ist noch nicht geklärt: Wird es weiterhin erlaubt sein, einen Mindestbetrag für Kartenzahlung zu setzen? Viele Geschäfte und Gastronomiebetriebe nehmen Digitalzahlen erst ab einer gewissen Summe an – es wäre also möglich, dass der Bäcker weiterhin beim Brötchen-Kauf auf Bargeld beharren darf.

Der Grund: Bei kleinen Beträgen fürchten Händler Verluste, da digitale Zahlungen Gebühren verursachen. Für Girocard-Transaktionen zahlen sie 0,2 bis 0,3 Prozent des Betrags, bei Debitkarten von Mastercard oder Visa etwa 0,5 Prozent, bei Kreditkarten oft mehr. Hinzu kommen Kosten für Lesegeräte, für deren erstmalige Bereitstellung Händler:innen ebenso zahlen wie für die monatliche Miete. Bei einfachen Geräten sind das rund 30 Euro.

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Was dabei allerdings gerne vergessen wird: Auch Bargeldzahlungen kosten die Händler:innen etwas, weil sie Wechselgeld beschaffen und Mitarbeiter:innen für die abendliche Abrechnung der Kassenbestände bezahlen müssen.

Mit Kartenzahlungen gegen Steuerbetrug

Den Vorstoß zum Recht auf Kartenzahlungen begründet die schwarz-rote Koalition unter anderem mit dem Kampf gegen Steuerbetrug. Nach Schätzungen der Deutschen Steuergewerkschaft entgehen der Staatskasse jährlich rund 15 bis 20 Milliarden Euro an Umsatz- und Gewinnsteuern, weil weniger Abgaben entrichtet werden, als eigentlich anfallen. Das liegt daran, dass viele Betriebe noch eine „offene Ladenkasse“ führen. Das Problem: Dabei kann unbemerkt Bargeld entnommen werden – wodurch der offizielle Umsatz und damit auch die Steuerlast schrumpft.

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Abhilfe schaffen sollen da eigentlich elektronische Kassensysteme mit einer sogenannten technischen Sicherheitseinrichtung (TSE). Bei Bargeldzahlungen lassen sich allerdings auch diese Systeme umgehen, indem das eingenommene Geld erst gar nicht im Kassensystem landet. Kartenzahlungen erzeugen dagegen eine nachvollziehbare Datenspur.

Gleichzeitig wird laut Koalitionsvertrag allerdings auch die verhasste Bonpflicht abgeschafft – was die Nachvollziehbarkeit von Bargeldzahlungen wiederum erschweren könnte. Verhindern will man das durch die Einführung einer Registrierkassenpflicht für Geschäfte mit einem jährlichen Umsatz über 100.000 Euro.

Wo Bargeld noch Trumpf ist

Bargeld ist in Deutschland vor allem noch in Restaurants und Cafés sowie bei „Dienstleistungen außer Haus“, also etwa bei Friseur:innen oder im Nagelstudio beliebt, wie Zahlen der Bundesbank zeigen. In jedem vierten Gastronomiebetrieb können Kund:innen demnach bislang nur bar zahlen.

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Doch der Trend geht in eine andere Richtung: Laut einer aktuellen Umfrage der Bundesbank bevorzugen nur noch 28 Prozent der Deutschen beim Bezahlen Bargeld, 44 Prozent zahlen längst lieber „unbar“, also digital. Dem Rest ist die Zahlart schlicht egal.

Die wichtigsten Argumente für die Nutzung von Bargeld sind neben der Verfügbarkeit auch bei technischen Ausfällen auch der Datenschutz sowie die finanzielle Teilhabe aller Bevölkerungsschichten. Kritisch sehen viele Menschen hingegen tatsächlich die Rolle von Bargeld bei Steuerdelikten und Straftaten.

Im europäischen Vergleich hinken die Deutschen im Hinblick auf Digitalzahlungen vielen europäischen Nachbarn hinterher: Laut einer Studie der Boston Consulting Group haben die Deutschen 2023 im Durchschnitt pro Kopf 304 Mal elektronisch bezahlt. Zum Vergleich: Norweger:innen kamen auf 815 elektronische Zahlungen pro Kopf, in Luxemburg waren es 753, in Irland 705.

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Klar ist aber: Auch hierzulande sind Kartenzahlungen auf dem Vormarsch. Zahlten im Jahr 2017 noch etwa drei Viertel der Menschen im Alltag mit Bargeld, waren es im Jahr 2023 nur noch knapp die Hälfte. Eine Mehrheit von 48 Prozent der Befragten erwartet daher sogar, dass in 15 Jahren Bargeld aus dem Alltag verschwunden sein könnte, denn auch für Banken und Sparkassen könnte sich die Bereitstellung von Bargeld dann schlicht nicht mehr lohnen.

In zwei von drei Zukunftsszenarien geht die Bundesbank davon aus, dass die Wahlfreiheit zwischen Bargeld und digitalen Zahlungsarten dann „praktisch nicht mehr gegeben“ ist. Ein Trend, der den Bundesbanker:innen nicht gefällt, weshalb sie 2024 das Nationale Bargeldforum ins Leben gerufen hat, um einen „offenen Austausch“ zum Bargeldkreislauf zu ermöglichen. Das Ziel: Die Verfügbarkeit von Bargeld zu erhalten.

Starke Bargeld-Front

Auch die schwarz-rote Regierung will das Bargeld nicht abschaffen: Wer weiterhin im Restaurant mit Scheinen und Münzen zahlen will, kann das tun. Im Koalitionsvertrag gibt es dazu sogar ein klares Bekenntnis zum Bargeld. Damit wollen die Politiker all denen die Angst nehmen, die eine Abschaffung der Barzahlungen fürchten.

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Denn die Diskussion um Bargeld- vs. Digitalzahlungen wird oft emotional geführt. Für viele Menschen ist das Zahlen mit Scheinen und Münzen offenbar auch eine Frage von Freiheit und Schutz vor staatlicher Überwachung.

Jüngstes Beispiel: Als EZB-Chefin Christine Lagarde im März sagte, die „Deadline“ für den Digitalen Euro sei der Oktober 2025  wurde das vielfach so aufgefasst, als plane die EZB das Digitalgeld bereits im Herbst einzuführen – was in sozialen Netzwerken zu heftigen Diskussionen führte. In vielen Beiträgen wurde vor einer „Gefahr für unsere Freiheiten” und dem „Ende des Bargelds” sowie vor möglichen Eingriffen der EZB in den Zahlungsverkehr gewarnt.

Häufig wird dabei die Anonymität von Bargeldzahlungen unterstrichen, denn bei ihnen werden nun mal keine Daten über das Einkaufsverhalten oder die Standorte der Bürger:innen gesammelt. In diesem Zusammenhang wird auch auf Staaten wie China verwiesen, wo Apps wie WeChat bereits auf breiter Basis zum Bezahlen genutzt werden – aber auch ein Instrument zur Überwachung sind.

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