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Horror-Games: Psychologen verraten, welche 4 Videospiele sie wirklich gegruselt haben – und warum

Videospiele können Horror auf eine besondere Weise erlebbar machen. Welche psychologischen Tricks dabei ausgenutzt werden, erklären drei Psycholog:innen.

9 Min.
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In Sound Mind. (Screenshot: Maximum Entertainment)

Die wohl einfachste Art, Spieler:innen in einem Horror-Game zu erschrecken, ist der Jump-Scare. Ein lautes Geräusch, eine plötzliche Bewegung. Vielleicht eine schaurige Fratze, die sich ins Bild drängt. So wie auch im Horrorfilm ist diese Art des Schreckens sehr effektiv – und sehr billig, rein auf den Effekt des einmaligen Schrecks ausgelegt.

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Horror kann in einem Videospiel aber auch anders effektiv sein. Dann nämlich, wenn die Entwickler und Entwicklerinnen wissen, wie sie die Stärken des Mediums wirklich nutzen können. Und das ist primär seine Interaktivität. In einem Game läuft, anders als in einem Film, im besten Fall nichts von allein ab. Erst wenn eine Taste gedrückt oder ein Stick nach vorn geschoben wird, geht es weiter. Das aber kann einiges an Überwindung kosten.

Der Horror der Einschränkung

Kaum jemand kann wohl besser über die psychologischen Prozesse des Horrorspiels sprechen, als Psycholog:innen. Besonders jene, die selbst gerne spielen. Wie das Videospiel die Erwartungen und Handlungsfähigkeit der Spieler:innen kontrollieren und manipulieren kann, erklärt der Psychologe André Markus anhand von P.T. In dem Game laufen die Spieler:innen immer wieder durch den gleichen Flur, in dem unvorhersehbare Dinge passieren – und der Geist einer Frau sein Unwesen treibt.

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Horror im Flur: P.T.

P.T. erschafft seinen psychologischen Horror auf eine meisterhafte und subtile Weise, die die Spieler:innen sofort in ihren Bann zieht. Das Spielkonzept ist auf den ersten Blick simpel: Man läuft durch einen scheinbar endlosen, immer gleichen Hausflur. Doch genau diese Wiederholung, gepaart mit langsamen, verstörenden Veränderungen in der Umgebung, erzeugt ein intensives Gefühl der Beklemmung. Bei jedem Durchgang erwartet man eine neue Bedrohung, ohne genau zu wissen, wann oder wo sie zuschlagen wird. Dieses ständige Spiel mit den eigenen Erwartungen sorgt für ein unglaublich intensives Erlebnis, das sich tief in die Psyche des Spielers einprägt.
Was P.T. dabei so besonders macht, ist die Art und Weise, wie es geschickt mit der Angst vor dem Unbekannten spielt. Die langsame Enthüllung der schaurigen Geschichte des Hauses, gepaart mit unheimlichen Geräuschen und surrealen Visionen, steigert das Gefühl des Unbehagens kontinuierlich. Es gibt keine direkten Hinweise oder Erklärungen, was genau vor sich geht, und gerade diese Unsicherheit ist das, was die Spieler in ständiger Anspannung hält. Man weiß nie, ob man der bedrohlichen Präsenz im Haus entkommen kann oder nur noch tiefer in den Wahnsinn hineingezogen wird. P.T. versteht es, die psychologischen Ängste perfekt auszunutzen und schafft so eine beklemmende Atmosphäre, die noch lange nach dem Spiel im Kopf bleibt.

P.T. (Screenshot: Konami)

Das Besondere an P.T. ist, dass die Spieler:innen nur ein sehr eingeschränktes Repertoire an Handlungen haben, die sie ausführen können. Die Interaktionsmöglichkeiten sind minimal. Ein wissenschaftliches Paper aus dem Jahr 2018 beschäftigt sich mit der sogenannten Player Agency, also den Handlungsmöglichkeiten von Spieler:innen in einem Horrorspiel. Darin stellen die Autoren heraus, dass gerade die Möglichkeit, die Handlungsfähigkeit von Spieler:innen zu manipulieren, einen großen Teil des Horrors von Videospielen ausmacht.

Das beschreiben sie unter anderem anhand des Videospiels Amnesia, in dem der mentale Zustand des Protagonisten sich ändert – und das wiederum Auswirkungen hat auf die Handlungsmöglichkeiten, die die Spieler haben. Je länger sie in der Dunkelheit bleiben, desto stärker fürchtet sich die Spielfigur. “Während sie [Zunderbüchsen] dem Spieler die Freiheit geben, sie zu nutzen, stellen sie auch materielle Einschränkungen für die Entscheidungsfreiheit des Spielers dar, da die Zunderbüchsen nur an bestimmten Orten verwendet werden können und das Öl schnell zur Neige geht, was bedeutet, dass der Spieler seine Ressourcen mit Bedacht einsetzen muss nicht ausgehen.”

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Das also kann ein gelungenes Horrorspiel ausmachen: Es gibt den Spieler:innen eine kleine Reihe an Werkzeugen an die Hand, um in der feindlichen Welt zu überleben – manipuliert aber gleichzeitig die Möglichkeiten, die Werkzeuge einzusetzen. So funktioniert auch P.T. Der Horror entsteht durch die Einschränkungen des Spiels.

Beängstigende Zweifel

Ähnlich wie P.T. läuft auch das Horrorspiel Alien: Isolation ab. Auch hier laufen die Spieler:innen durch größtenteils leere Gänge. Und auch hier haben sie einen Gegner im Nacken, allerdings keinen Geist, sondern ein übergroßes Alien. Anders als in P.T. haben die Spieler:innen hier jedoch mehr Möglichkeiten, die Umgebung zu nutzen, um sich zu schützen. Und die Spielwelt gibt ihnen Hinweise darauf, wie nah der Gegner womöglich ist. Wieso das so effektiv ist, erklärt der Psychologe Benjamin Strobel.

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Allein in der Raumstation: Alien Isolation

Kaum ein Horrorspiel hat einen so eindrücklichen Gegenspieler wie Alien: Isolation. Das Alien ist hier mehr als ein Jump-Scare. Es ist eine andauernde Bedrohung, die uns richtig Angst machen kann. Dabei ist es die meiste Zeit überhaupt nicht zu sehen. Alien: Isolation ist so effektiv, weil es weiß, dass Angst im Kopf entsteht, nicht auf dem Bildschirm. Zunächst sorgt das Spiel dafür, dass seine Spieler:innen eine Verbindung zwischen der Bedrohung des Aliens und bestimmten anderen Reizen herstellen. Das sind etwa Geräusche in der Umgebung und Ausschläge auf dem Motion-Tracker des Spiels.

Nach kurzer Eingewöhnung genügen ein Scheppern in den Schächten und aufflackernde Punkte bereits, um das Gefühl von Bedrohung auszulösen. Oft ist es nicht mehr als das. Aber sicher sein kann man sich da nie: Gerade die wenigen Augenblicke, in denen das Alien tatsächlich aus einem Schacht springt, sind psychologisch so effektiv. Sie reichen nicht nur aus, um die Bedrohung dauerhaft im Kopf zu verankern, sie machen das Lernen auch besonders nachhaltig. So lebt das Alien – und unsere Angst davor – noch lange in unserem Geist weiter, auch wenn auf dem Bildschirm längst etwas anderes passiert.

Alien Isolation. (Screenshot: Sega)

Es ist hier also vor allem eine beklemmende Atmosphäre, die die Angst evoziert. Die Spieler:innen haben gelernt, dass bestimmte Geräusche das Grauen, in Form des Aliens, ankündigen können – aber nicht müssen. Der Zweifel ist dabei wichtig: denn die Unsicherheit ist der ausschlaggebende Faktor. Würde das Alien wirklich jedes Mal erscheinen, wenn die Spieler:innen es erwarten, würde der Horror schnell zur Routine werden. Um das Gefühl des Zufalls herzustellen, nutzt Alien: Isolation eine KI, die auf die Aktionen der Spieler:innen reagiert.

Ein wissenschaftliches Paper aus dem Jahr 2020 hat diese undurchdringliche KI untersucht. “Einerseits begrüßen die Spieler:innen ein gewisses Maß an Unvorhersehbarkeit, Variation und Mysterium, das KI-Routinen bieten. Andererseits erwarten viele, das Verhalten computergesteuerter Gegner vollständig erklären und verstehen zu können – selbst wenn es sich um Science-Fiction-Monster handelt”, heißt es darin.

Es gibt also den Wunsch, die Regeln zu erlernen, nach denen sich eine Figur in einem Spiel bewegt und nach denen sie handelt. Wenn diese Sicherheit jedoch erschüttert wird, kann Frustration entstehen – oder eben besonderer Horror. Die Spieler:innen nehmen die Hinweise wahr, die das Spiel ihnen gibt, können sich aber nie sicher sein, ob das Alien sich wirklich entsprechend verhalten wird. Es ist die Ungewissheit, die die Angst herstellt.

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Der innere Gegner

Sich in Charaktere einfühlen zu können, ist eine wichtige Grundlage guten Horrors – egal ob im Videospiel, in einem Roman oder einem Film. Wenn die Charaktere nicht glaubwürdig sind, ihre Motive nicht überzeugend, fällt es schwer, mit ihnen zu fühlen und zu bangen. In einem Game kann diese Verbindung zwischen Spieler:innen und Spielfigur jedoch noch intensiver sein.

Der Psychologe André Markus erklärt anhand des Horrorspiels Cry of Fear, wie effektiv so ein Gefühl der Verbundenheit sein kann, um Angst hervorzurufen.

Innere Ängste: Cry of Fear

Cry of Fear schafft es, durch seine düstere Atmosphäre und seine tiefgründige Geschichte einen emotionalen Zugang zu den Spieler:innen zu finden, der den Horror auf eine persönliche Ebene hebt. Man schlüpft in die Rolle von Simon, einem jungen Mann, der sich in einer albtraumhaften, verlassenen Stadt wiederfindet und gegen groteske Monster kämpfen muss. Doch diese Kreaturen sind mehr als nur Gegner – sie verkörpern Simons innere Ängste, Depressionen und Traumata, was dem Spiel eine tiefere Bedeutungsebene verleiht. Man spürt nicht nur den Schrecken der äußeren Bedrohung, sondern auch Simons innere Verzweiflung, während er versucht, diesem psychologischen Albtraum zu entkommen. Diese emotionale Bindung führt dazu, dass man sich noch intensiver mit den Herausforderungen und Ängsten des Protagonisten auseinandersetzt.
Was Cry of Fear außerdem so intensiv macht, ist die permanente Unsicherheit, die durch die knappen Ressourcen noch verstärkt wird. Munition und Heilmittel sind knapp, sodass jede Begegnung gut überlegt sein will – oft stellt sich die Frage: Kämpfen oder fliehen? Diese ständige Bedrohung verstärkt das Gefühl der Verwundbarkeit und macht jede Entscheidung bedeutsam. In Kombination mit den unheimlichen, verlassenen Straßen und den surrealen, beunruhigenden Szenerien entsteht eine beklemmende Atmosphäre, die die Spieler:innen durchgehend in Spannung hält. Man ist ständig auf der Hut und spürt die Last der Situation, während Simon sich durch seine düstere Welt kämpft, was Cry of Fear zu einem unvergesslichen und intensiven Horrorerlebnis macht.

Cry of Fear (Screenshot: Team Psykskallar)

Ähnlich erklärt es auch die Psychologin Jessica Kathmann, anhand des Spiels In Sound Mind. Auch hier ist es die Psyche der Spielfiguren, die im Mittelpunkt steht.

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Wie Therapie: In Sound Mind

Im für Horror-Games ungewohnt bunten Adventure In Sound Mind durchwandern wir in der Rolle des Psychotherapeuten Desmond die verbildlichten Innenwelten einiger seiner ehemaligen Patient:innen. In jeder Innenwelt rekonstruieren wir mithilfe von Bandaufnahmen der vergangenen Therapiesitzungen ein Stück der Geschichte der jeweiligen Person, stellen uns deren Ängsten und Traumata mit jeweils eigenen, abwechslungsreichen und kreativen Spielmechaniken. Aber auch Desmond selbst kämpft mit inneren ‚Dämonen‘, denen er sich im Verlauf der Geschichte stellen muss.

Unter anderem dadurch vermeidet das Spiel in meiner Wahrnehmung, die Psyche der erfundenen Patient:innen als Horror-Spielplatz zu trivialisieren und das reale Leid psychischer Erkrankung zu verharmlosen. In Sound Mind bedient sich dabei sogar eines zentralen Konzepts von Carl Gustav Jung – das hätte differenzierter umgesetzt werden können, tut dem Spiel und der Atmosphäre aber keinen Abbruch.

In Sound Mind. (Mximum Entertainment)

Jung hat etwa den Begriff des Schattens etabliert. Das sind seiner Theorie nach die Teile des Ichs, die nicht integrierbar sind mit unserer idealen Vorstellung von uns selbst. Allerdings sollen uns diese Teile gar nicht bewusst sein. Vielmehr könnten etwa unsere eigenen Feindbilder eigentlich Teile unseres Selbst sein, die uns unliebsam sind. Horror kann also auch so entstehen: festzustellen, dass der Gegner eigentlich ein Teil des Selbst ist. Und gerade in einem Videospiel, mit seinen vielen Gegnern, kann dieses Verhältnis effektiv verhandelt werden – in Form einer Spielfigur, die als Avatar der Spieler:innen fungiert.

Eine persönliche Verbindung

Die Verbindung zwischen Spielfigur und Spieler:innen ist im Videospiel also eine besondere. Die Spieler:innen steuern ihre Figur. Sie investieren Zeit und Energie, um sie am Leben zu erhalten. Schützen sie mit Rüstung oder Waffen. Heilen sie, wenn es nötig ist. Sie treffen Entscheidungen, die das Wohlergehen der Spielfigur direkt betreffen. Es ist also kein Zuschauen wie etwa im Horrorfilm. Es ist ein Teilnehmen. Besonders dann, wenn die Spieler:innen im wahrsten Sinne mit der Spielfigur mit-leiden.

Eine Studie aus dem Jahr 2024 zeigt diesbezüglich einen interessanten Aspekt auf. Gerade, wenn in einem Videospiel ein Charakter steuerbar sei, der selbst mit seiner Psyche zu kämpfen habe, könne das Mitfühlen und damit Mitleiden besonders intensiv sein. “Unsere Ergebnisse zeigten, dass die Teilnehmer ein tieferes Verständnis für psychische Gesundheitsprobleme und Empathie gegenüber Charakteren erlangten, die mit psychischen Erkrankungen zu kämpfen hatten, indem sie mit ihnen interagierten und sie kontrollierten”, heißt es in der Studie.

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Wenn in einem Horrorspiel also nicht ein allmächtiger Charakter gesteuert wird, sondern eine Figur, die womöglich unzurechnungsfähig, fehlerhaft und voller Selbstzweifel ist, könne das den Horror noch erhöhen – weil es Empathie herstellt. Man erkennt sich und andere in der Spielfigur wieder. Und kaum etwas macht wohl mehr Angst, als jemanden leiden zu sehen, der einem nahe ist.

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