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Interview

Verpasste Chance? Was der SAP-Innovationschef über Slack denkt

Jürgen Müller soll als Chef Innovation Officer von SAP den Traditionskonzern fit für die Zukunft machen. In der Themenwoche Digitale Transformation verrät er uns seine Strategie.

Von Daniel Hüfner
8 Min.
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SAP-Innovationschef Jürgen Müller. (Foto: Kay Herschelmann)

Bei der Digitalisierung hat SAP lange kein Höchsttempo vorgelegt. Den vor Jahren aufstrebenden Cloud-Trend beispielsweise hat der Konzern verschlafen und bis heute weitgehend Google oder Amazon überlassen. In einer Studie unter den Dax-Konzernen, die in ihren Geschäftsberichten am häufigsten über die Digitale Transformation Auskunft geben, belegte SAP sogar nur 22. Platz.

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Hinzu kam das angestaubte Image der Softwareprodukte, das SAP-Aufsichtsratchef Hasso Plattner 2013 sogar zu einer öffentlichen Kritik am eigenen Lebenswerk veranlasste: Die Software des Konzerns müsse „dringend“ benutzerfreundlicher werden. „Unser langjähriger Kunde Nestlé hat damit gedroht, dass sie künftig in der Benutzeroberfläche mit unserem US-Wettbewerber Salesforce zusammenarbeiten“, sagte Plattner damals.

Inzwischen haben die Walldorfer nicht nur bei der Software nachgebessert. Im vergangenen Jahr installierte der Konzern erstmals in seiner Historie einen Chief Innovation Officer: Jürgen Müller. Er soll alle Aktivitäten verantworten, die das Geschäft von SAP vorantreiben sollen. Zum Gespräch im Berliner SAP.io-Accelerator erscheint Müller in Jeans, Turnschuhen und lässig schwarzem T-Shirt. Wie sehen die Pläne für die Digitalisierung von SAP konkret aus? Auf welche Technologien wettet der Konzern in den nächsten Jahren? Im Interview erklärt Müller seine Strategie.

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t3n.de: Jürgen, was ist der größte Fehler, den Unternehmen machen können, wenn sie innovativer sein wollen?

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Erstens: sich nur auf ihr Kerngeschäft verlassen. Zweitens: niemanden zu haben, der sich dediziert mit Innovationen beschäftigt.

t3n.de: Also braucht jeder einen Chief Innovation Officer? Dieser Titel steht ja auch auf deiner Visitenkarte.

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Es gibt verschiedene Möglichkeiten, wie man wieder mehr Innovationsgeist in ein Unternehmen bekommen kann. Google beispielsweise hat das über ein Innovationslabor und viele verteilte Tochterfirmen gelöst. Andere kaufen die Technologien einfach teuer ein. Egal wie man es macht – Hauptsache, einer kümmert sich. Das kann natürlich ein Chief Innovation Officer sein.

t3n.de: Was macht so eine Person eigentlich genau?

Die Innovationskraft des Unternehmens stärken. Ich verantworte die gesamte Kette vom Trendscouting, zum Beispiel im Bereich Quantum-Computing, bis hin zur produktiven Umsetzung, wie im Fall von Machine Learning. Ich suche gezielt nach neuen Geschäftsfeldern, die für SAP spannend sein könnten. Über diese Themen und die größere Innovationsstrategie führen wir innerhalb des Unternehmens einen breiten Dialog. Unter anderem überlegen wir gemeinsam, wie wir die richtigen Technologien implementieren können.

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t3n.de: Was sind das für Werkzeuge?

Um mal einen wichtigen Baustein von ganzen vielen zu nennen: Die Zusammenarbeit mit Startups. Neulich haben wir einen weiteren Accelerator eröffnet – in Berlin mit dem Schwerpunkt auf Machine Learning. Ich treffe mich dort mit vielen Gründern, schaue mir ihre Ideen an und vermittle ihnen die richtigen Ansprechpartner innerhalb des Konzerns.

t3n.de: Aber dieses Werkzeug ist ja nicht neu. Corporate-Acceleratoren sind inzwischen ein alter Hut.

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Das ist richtig. Aber in Deutschland im Allgemeinen und Berlin im Besonderen sehen wir noch viel Nachholbedarf bei der Förderung von Startups aus dem B2B-Bereich. Und wenn wir über B2B reden, kommt man an SAP kaum vorbei.

t3n.de: Wieso nicht?

Wegen unserer Erfahrung. Kaum jemand kennt den Bereich B2B so gut wie SAP. Hinzu kommt, dass wir für Gründer eine vielversprechende Plattform für den Vertrieb ihrer Produkte darstellen. Vom Mittelständler bis zum Großkonzern decken wir alle relevanten Zielgruppen ab. Weltweit reden wir da über potenzielle 350.000 Kunden.

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t3n.de: Und wie will SAP davon profitieren?

Zum Beispiel über Technologiepartnerschaften. Das heißt, wenn sich ein Startup gut entwickelt, können wir zu unseren Kunden gehen und sagen: Hey, für euer Problem haben wir da eine SAP-Software, und komplementär dazu können wir noch eine Startup-Lösung anbieten, die schon auf unser Cloud-Plattform integriert ist.

t3n.de: Übernahmen sind also nicht das Hauptziel? Immerhin habt ihr neulich ein Daten-Startup aus Israel für 350 Millionen US-Dollar gekauft.

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Wenn es nicht nur eine Produktintegration sein soll sondern ein fester Kern unserer Cloud-Plattform, dann ist das selbstverständlich immer eine Option.

t3n.de: Die Förderung von Startups braucht aber viel Geduld und wenn es kriselt, wird häufig zuerst in den Bereichen eines Unternehmens gespart, die nicht zum Kernbereich gehören.

Ja, das Problem ist uns bekannt. Unser Rezept dagegen ist: aktiv mit den Startups zusammenarbeiten und die Ideen zunächst frei im Konzernumfeld gedeihen lassen. Ganz ohne Zwang oder die Herausgabe von Unternehmensanteilen. Läuft es dann gut, schauen wir gemeinsam, wie es weitergeht. Dass ein Startup im schlimmsten Fall auch scheitern kann, gehört für uns dazu.

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t3n.de: Hast du mal ein paar Beispiele für die Startups? An welchen Technologien wird da konkret gearbeitet?

Hier im Accelerator in Berlin haben wir zum Beispiel ein Startup aus Indien, das eine Preisgestaltungs-Maschine für Onlineshops entwickelt. Damit kann jeder Händler anhand von Kriterien wie der Nachfrage oder individuellem Kundeneigenschaften den besten Verkaufspreis ermitteln. Dann gibt es noch zwei Unternehmen, die smarte Bots für den Kundenservice oder die Erledigung wiederkehrender Aufgaben in Krankenhäusern anbieten. Alle Lösungen basieren auf Machine Learning und lernen mit jeder Nutzung dazu.

t3n.de: SAP hat sich lange nicht als Hort für Innovationen hervorgetan. Laut einer Studie liegt SAP unter den Dax-Konzernen, die in ihren Geschäftsberichten am häufigsten über die Digitale Transformation Auskunft geben, nur auf Platz 22. Hast du eine Erklärung?

Zunächst einmal ist das Machen wichtiger als das Darüberreden. Aber: Wenn diese Zahl stimmt, dann müssen wir auf jeden Fall noch intensiver an unserer Wahrnehmung arbeiten. Was kaum einer weiß: Drei Viertel aller Geschäftstransaktionen weltweit berühren SAP-Systeme. Wir sind das Rückgrat der globalen Wirtschaft. Trotzdem gibt es auch viele Vorurteile. Neulich habe ich mich zum Beispiel mit einem Mitarbeiter unterhalten, der mir erzählte, ein Freund hätte ihn am Anfang seines Jobantritts gefragt: Warum fängst du einen Job bei SAP an? Der Laden ist doch langweilig. Inzwischen kann er ihm vom Gegenteil berichten.

t3n.de: SAP betreibt in Potsdam seit einiger Zeit ein eigenes Innovation Center. Haben traditionelle Forschungs- und Entwicklungsabteilungen ausgedient?

Ja und Nein. Viele Unternehmen wollen noch immer die klassische Forschungs- und Entwicklungsabteilung behalten, die bestehende Produkte stetig verbessert. Aber die Innovationszyklen werden kürzer, Technologie spielt einen immer größeren Faktor bei der Produktentwicklung. Zum Beispiel muss man neue Geschäftsmodelle schnell ausprobieren und kann nicht mehr jahrelang bis zur Marktreife warten. Mit Innovationslaboren außerhalb dichter Konzerngeflechte geht das viel leichter.

t3n.de: Sicher ist nicht jedes Projekt erfolgreich. Gab es auch Fehlschläge?

Ganz viele sogar. Im Bereich Machine Learning haben wir zum Beispiel probiert, Krebs automatisiert anhand von Blutuntersuchungen vorherzusagen. Da sind wir jedoch schnell an Grenzen gestoßen, weil Daten gefehlt haben und erst klinische Studien hätten in Auftrag gegeben werden müssen. Am Ende muss man diese Projekte als Experimente verstehen, deren Ausgang immer offen ist. Für uns am Innovation Center gilt: Wenn keine Projekte scheitern, sind wir nicht mutig genug.

t3n.de: Firmengründer Hasso Plattner hat vor einigen Jahren auch die Benutzerfreundlichkeit der Software kritisiert. Hätte ein Team-Kollobaration-Tool wie Slack nicht von SAP erfunden werden müssen?

Das lässt sich so pauschal nicht sagen. Natürlich könnte ich traurig darüber sein, dass wir Slack nicht erfunden haben. So wie sich das Startup entwickelt hat, hätte sicher jedes Unternehmen gerne eine ähnliche Idee gehabt. Aber der Fokus von SAP ist vielleicht auch ein anderer als der von Slack.

t3n.de: Wie meinst du das? Auch Slack richtet sich an Unternehmen.

Slack zielt ganz klar auf die Kommunikation in kleinen bis mittelgroßen Teams ab. Für uns als SAP ist Kommunikation jedoch nur ein Aspekt, um den wir uns kümmern. Wir bieten Software an, um die kompletten Prozesse von unter anderem HR, Finanzen, Beschaffung, Produktion oder Logistik abzubilden. Und das dann jeweils noch optimiert für 25 Industrien, da eine Fabrik eben anders funktioniert als ein Einzelhändler, eine Uni oder Krankenhaus.

t3n.de: Das ist wenig konkret. Hast Du ein Beispiel?

Von uns gibt es eine Cloud-Software, die Managern eine Art Daten-Cockpit über sämtliche Echtzeitdaten im Unternehmen an die Hand gibt. Damit sind Vorstandspräsentationen keine Powerpoint-Schlachten mehr, sondern Navigieren in einem digitalen Boardroom, der Analysen und Entscheidungen erleichtert. Aber noch mal: Oft wissen die Leute gar nicht, was SAP für gutes Zeug macht.

t3n.de: Was denn noch?

Jeder kennt Amazon, Ebay und Alibaba. Aber wer kennt Ariba von SAP? Wahrscheinlich nur wenige. Dabei ist das der weltweit größte B2B-Marktplatz mit einem Handelsvolumen von über einer Billion Euro pro Jahr. Das ist mehr als Amazon, Ebay und Alibaba zusammen.

t3n.de: Aber woran liegt es dann, dass niemand das kennt?

Das hat sicher damit zu tun, dass wir uns nicht an Verbraucher richten. Apple-Produkte besitzt fast jeder und man sieht sie im Alltag der Menschen. Amazon und Facebook nutzt man privat. Wir dagegen sind die Firma im Hintergrund, die sicherstellt, dass Unternehmen wie Apple, Ebay oder Paypal erfolgreich arbeiten können.

t3n.de: Technologien wie Augmented oder Virtual Reality werden auch im Unternehmensumfeld interessant. Wie will sich SAP da positionieren?

Wir schauen uns das Thema natürlich in verschiedenen Bereichen an. Es gibt es auch schon erste Anwendungen. Gerade in Anwendungen in Warenhäusern oder in Produktionsstraßen sehe ich persönlich viel Potenzial. Mit so einer Brille könnten neue Mitarbeiter viel effektiver angelernt werden. Oder nehmen wir den Immobiliensektor: Warum muss man sich für jede Gebäudeinspektion ins Auto setzen und selbst hinfahren? Die Möglichkeiten sind endlos. Angefangen vom Schiffbau bis zur Wohnungsbesichtigung.

t3n.de: Wäre eine VR-Brille von SAP denkbar?

Nein, wir werden keine VR-Hardware bauen. Unser Fokus liegt ja traditionell auf Software. Aber technisch ausgereift sind die Geräte heute ohnehin noch nicht. Die Verbreitung von VR-Brillen hält sich deshalb ja auch sehr in Grenzen. Wahrscheinlich muss da noch mal eine Generation von Computerspielern ran.

t3n.de: Was ist mit Sprachassistenten? Werden die in Zukunft auch für Unternehmen interessant?

Davon bin ich zu 100 Prozent überzeugt, ja. Die Interaktion mit Technologien wie Alexa oder Siri wird für den Menschen irgendwann völlig normal sein. Als Mitarbeiter erwarte ich heute, dass Programme im Büro so leicht zu bedienen sind wie die zuhause. Ein Phänomen, das wir bei unserer Software schon in der Vergangenheit beobachtet haben.

t3n.de: Weil die zu kompliziert waren?

Genau. Damit waren wir einfach nicht mehr wettbewerbsfähig. Entsprechend mussten wir auf Basis von Apps neue Benutzeroberflächen gestalten, die anfangs gewöhnungsbedürftig, heute aber selbstverständlich sind. So wird es auch mit den Sprachassistenten sein. Alles, was uns im Privaten produktiver macht, muss auch in der Businesswelt angewendet werden. Unser Ziel ist, dass jeder SAP-Benutzer einen persönlichen Sprachassistenten zur Seite gestellt bekommt.

t3n.de: Wo siehst du denn die konkreten Anwendungsfälle für solche Conversational User Interfaces?

Nehmen wir den Einkauf bei einem klassischen Mittelständler. Wenn zum Beispiel der Monitor eines Mitarbeiters defekt ist, werden komplizierte Bestellvorgänge ausgelöst. Formulare müssen ausgefüllt, Richtlinien eingehalten und der richtige Ansprechpartner gefunden werden. Vielleicht braucht es sogar noch personelle Hilfe bei der Einrichtung. Diese Aufgaben könnte ich auch einfach meinem persönlichen Sprachassistenten geben. Der ist direkt mit dem CRM verbunden und weiß, wer was bestellt hat und wo der betroffene Mitarbeiter sitzt.

t3n.de: Vielen Dank für das Gespräch!

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Dein t3n-Team

waschi

„Zum Gespräch im Berliner SAP.io-Accelerator erscheint Müller in Jeans, Turnschuhen und lässig schwarzem T-Shirt.“ –> Und wieso ist er dann im Anzug auf dem Foto zu sehen?

Natürlich hat Innovation zwei Seiten. Aber im Interview wird Innovation im Kernbereich/Kerngeschäft total vernachlässigt. Was ist damit? Sieht SAP nicht gerade auch hier im Kampf mit SalesForce noch viel aufzuholen? Einfach ein Beispiel: idealo nutzt die SalesForce Marketing Cloud, um Daten über Nutzer vorzuhalten und E-Mail-Kampagnen zu fahren. Wurde dazu gekauft und in SalesForce integriert. Bei den ganzen SAP-System, die wir im Einsatz haben, sehe ich nichts dergleichen.

Und eine weitere Frage: Kümmert sich der Chief Innovation Officer auch um die Kultur? Aus meiner Sicht ist die Frage nach der Kultur ein wichtiger Faktor für Innovation im Unternehmen. Was macht SAP dort?

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