
Astronom:innen vom Goddard Space Flight Center der Nasa in Greenbelt im US-Bundesstaat Maryland berichten die Entdeckung eines Sterns mit einem Bruchteil der Masse unserer Sonne. Der rast offenbar mit mindestens 1,9 Millionen Kilometern pro Stunde durch die Milchstraße und ist damit nicht nur ein sogenannter Hypergeschwindigkeitsstern, sondern der schnellste bisher entdeckte, der nicht allein reist.
Hypergeschwindigkeitssterne sind selten
Zwar kennt die Wissenschaft mehr als ein halbes Dutzend solcher Sterne. Und es gibt dabei auch schnellere Sterne als den hier entdeckten. Dabei bewegt sich etwa S5-HVS1 als einer der schnellsten bekannten Hypergeschwindigkeitssterne mit einer Geschwindigkeit von etwa 6,1 Millionen Kilometern pro Stunde. Er ist schnell genug, um der Gravitation zu entkommen und wird vermutlich das Milchstraßensystem verlassen.
Nun ist es mit einiger Fantasie durchaus vorstellbar, dass es rasende Sterne gibt, aber der neu entdeckte Himmelskörper rast nicht alleine durchs All. Vielmehr gelingt es ihm dabei, seinen Exoplaneten mit sich zu reißen. Damit handelt es sich bei der Nasa-Neuentdeckung um das schnellste bekannte Exoplanetensystem überhaupt. Das geht aus einer Studie der Nasa hervor, die im Astronomical Journal erschienen ist.
„Wir gehen davon aus, dass es sich um eine sogenannte Super-Neptun-Welt handelt, die einen massearmen Stern in einer Entfernung umkreist, die in unserem Sonnensystem zwischen den Umlaufbahnen von Venus und Erde läge“, erklärt Nasa-Wissenschaftler Sean Terry, Hauptautor der Studie, in einer Pressemitteilung: „Falls sich dies bestätigt, wäre es der erste jemals entdeckte Planet, der einen Hypergeschwindigkeitsstern umkreist.“
Geschwindigkeit ist relativ
Geschwindigkeiten im All müssen relativiert werden. So spektakulär 1,9 Millionen Kilometer pro Stunde klingen, muss dabei doch bedacht werden, dass auch unser Sonnensystem sich um das galaktische Zentrum bewegt und dabei eine Durchschnittsgeschwindigkeit von rund 724.000 Kilometer pro Stunde erreicht. Die Erde selbst bewegt sich mit rund 108.000 Kilometern pro Stunde um die Sonne.
Insofern ist die Bestimmung von Geschwindigkeiten anderer Himmelskörper stets ungenau. Je nach Betrachtungswinkel könnte sich das neu entdeckte Exoplanetensystem sogar noch schneller bewegen und damit zu den sogenannten Streunersternen zählen, die den intergalaktischen Raum erreichen können.
Konstellation ähnelt 2011 entdecktem System
Ein Objekt mit einer ähnlichen Konstellation wie der des nun beschriebenen Sterns wurde bereits 2011 per Mikrolinsen-Effekt entdeckt, aber seine genaue Natur konnte damals nicht bestimmt werden. Lediglich das Masseverhältnis zwischen Stern und Exoplanet konnten die Forscher:innen bestimmen. Eines der Objekte war 2.300-mal massereicher als das andere.
Die damaligen Daten ließen nicht eindeutig erkennen, ob es sich um einen Hypergeschwindigkeitsstern mit Exoplanet oder um einen massereichen Streunerplaneten mit einem Mond handelte – was eine deutlich weniger spektakuläre Kombination gewesen wäre. Doch als Astronom:innen 2021 erneut Daten auswerteten, fanden sie ein Kandidatensystem, das der zehn Jahre zuvor entdeckten Konstellation stark ähnelte.
„Um sicherzugehen, dass der neu identifizierte Stern tatsächlich Teil des Systems ist, das 2011 das beobachtete Signal verursacht hat, möchten wir ihn in einem Jahr erneut beobachten und prüfen, ob er sich in der erwarteten Richtung und Geschwindigkeit bewegt, um zu bestätigen, dass er aus dem Punkt stammt, an dem wir das ursprüngliche Signal entdeckt haben“, erklärt Co-Autor David Bennett, leitender Wissenschaftler am Goddard Space Flight Center der Nasa, in der Stellungnahme.
Ein rasender Stern, der seinen Planeten hinter sich herzerrt, klingt zweifellos spannend. Wir dürfen uns auf die nächsten Beobachtungsergebnisse freuen.
Weiterführende Informationen zu Hypergeschwindigkeitssternen
Die Entdeckung von Hypergeschwindigkeitssternen fasziniert die Astronomie seit Jahren, denn sie liefern wertvolle Einblicke in die Dynamik unserer Milchstraße. Bereits 2017 haben wir hier bei t3n in einem ausführlichen Artikel das Phänomen dieser rasenden Sterne beleuchtet und dabei verschiedene Theorien zur Entstehung dieser Objekte diskutiert. Der Artikel „Hypergeschwindigkeitssterne: Wenn Sterne aus der Milchstraße geschleudert werden“ gibt einen spannenden Überblick über die möglichen Ursachen dieser extrem schnellen Himmelskörper.
2019 berichteten wir dann über eine konkrete Entdeckung eines solchen Sterns, der dabei war, unsere Galaxie zu verlassen. In „Astronomen entdecken Hypergeschwindigkeitsstern, der die Milchstraße verlässt“ wird ein spezieller Fall vorgestellt, bei dem ein Stern mit hoher Geschwindigkeit aus dem galaktischen Zentrum herauskatapultiert wurde.
Diese Entdeckungen verdeutlichen einmal mehr, wie dynamisch und unvorhersehbar unser Universum ist – und dass wir womöglich erst an der Oberfläche der Hypergeschwindigkeitsphänomene kratzen.