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Schnellkurs Teilchenphysik: Was du über Neutrinos wissen solltest – in 5 Punkten

Die Entdeckung hochenergetischer Neutrinos hat bei Forschenden für erhebliche Aufregung gesorgt. Warum eigentlich?

Von Wolfgang Stieler
3 Min.
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Neutrinos: Trident soll unter Wasser nach „Geisterteilchen“ suchen. (Bild: Shanghai Jiao Tong University)

Die Meldung sorgte für großes Aufsehen in der Wissenschaft: Forschende meldeten erstmals den Nachweis eines extrem hochenergetischen Neutrinos. Aber was sind diese Neutrinos überhaupt? Und warum ist das spannend? Ein kurzer Ausflug in die wunderbare Welt der Teilchenphysik schafft zumindest ein wenig mehr Klarheit.

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Was sind Neutrinos?

Neutrinos sind Elementarteilchen, die mit nahezu Lichtgeschwindigkeit durch das Universum flitzen. Sie sind elektrisch neutral, besitzen nur eine sehr kleine Masse und unterliegen nicht der starken Wechselwirkung (dazu weiter unten). Was bedeutet, dass sie fast gar nicht mit Materie „wechselwirken“, also extrem schwer nachzuweisen sind.

Neutrino-Detektoren sind dementsprechend extrem große, komplexe Maschinen. Das hochenergetische Neutrino, das jetzt für so viel Aufregung sorgte, ist vom KM3NeT nachgewiesen worden. Der europäische Detektor ist eigentlich noch im Aufbau. Wenn er fertig ist, wird er aus einer riesigen gitterförmigen Matrix von Lichtsensoren bestehen, die im Mittelmeer vor der Küste von Sizilien am Meeresboden verankert ist. Doch als die Anlage Anfang 2023 zu zehn Prozent fertiggestellt war, maß sie bereits einen ungewöhnlich hellen Lichtblitz von einem sich horizontal bewegenden Neutrino mit extrem hoher Energie.

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Warum sind Neutrinos so schwer nachzuweisen?

Um das zu erklären, müssen wir zumindest kurz in die Teilchenphysik einsteigen: Nach dem Bau der ersten Teilchendetektoren wurden zahlreiche neue Elementarteilchen gefunden – in den frühen 1960er Jahren war ihre Zahl auf über 400 angewachsen. Erst das seitdem entstandene und immer weiter ausgebaute Standardmodell der Teilchenphysik brachte wieder Ordnung in den Teilchenzoo, indem es erklärte, wie sich die neuen Teilchen durch elementare Bausteine zusammensetzen lassen.

Wie funktioniert dieses Standardmodell?

Das Standardmodell geht davon aus, dass es einige, wenige Elementarteilchen gibt. Genauer gesagt gibt es zwei Familien von Elementarteilchen: Quarks und Leptonen. Aus Quarks und Leptonen sind Materie und Antimaterie zusammengesetzt.

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Auf Quarks und Leptonen wirken jeweils spezifische Kräfte. Salopp gesagt ist das wie bei Superhelden, die ihre jeweiligen Superheldenkräfte haben. Auf Elektronen wirken zum Beispiel elektromagnetische Felder, auf Quarks die starke Wechselwirkung und die elektromagnetische Wechselwirkung und so weiter. Auf das Neutrino hat nur die sogenannte schwache Wechselwirkung Einfluss.

Die Kräfte zwischen den Elementarteilchen werden laut Standardmodell durch den Austausch virtueller Teilchen, sogenannte Bosonen, vermittelt. Zu jeder spezifischen Kraft gehören jeweils spezifische Bosonen. Jedes Elementarteilchen tauscht ständig solche virtuellen Bosonen mit dem ihm umgebenden entsprechenden Feld aus.

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Berücksichtigt man nun noch, dass auch in der Kernphysik Erhaltungssätze gelten, kann man schon fast nachvollziehen, wie Kernreaktionen ablaufen.

Wenn zum Beispiel freie Neutronen radioaktiv zu Protonen zerfallen, muss zum einen die gesamte elektrische Ladung erhalten bleiben. Daher wird bei diesem Zerfall ein Elektron frei. Gleichzeitig muss aber auch die Zahl der Leptonen erhalten bleiben. Weil bei dem Zerfall ein Lepton – das Elektron – entsteht, muss auch ein Antilepton bei dem Prozess frei werden: Das ist ein Antineutrino.

Kann man das irgendwie nutzen?

Die meisten auf der Erden existierenden Neutrinos entstehen, wenn kosmische Strahlung auf die Erdatmosphäre trifft. Weil diese Neutrinos beinahe ungebremst durch die Erde fliegen, kamen Physiker auf die Idee, modulierte Neutrinostrahlen zur interkontinentalen Kommunikation zu nutzen – klingt verrückt, aber der Pirelli-Konzern hat das Konzept noch Anfang der 2000er aktiv erforscht. Im Prinzip funktioniert die Idee tatsächlich, allerdings bisher nur auf kurze Distanzen und mit einem enormen Aufwand.

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Antineutrinos entstehen aber auch bei radioaktiven Zerfällen – also beispielsweise in Atomkraftwerken. Das Energie-Spektrum dieser Antineutrinos kann im Prinzip verraten, ob in einem Atomreaktor waffenfähiges spaltbares Material hergestellt wird. In Großbritannien entsteht solch ein Detektor. Neutrinos entstehen aber beispielsweise auch durch Supernova-Explosionen. Sie sind daher Spuren, die auf kosmische Großereignisse hinweisen.

Was war jetzt an dem gemessenen Neutrino so wichtig?

Seine Energie und seine Flugrichtung: Die Neutrinos aus der Höhenstrahlung fliegen vertikal. Das jetzt registrierte Neutrino hatte aber eine horizontale Flugbahn. Weil der Detektor erst zum Teil aufgebaut ist, konnten sie allerdings seinen Ursprungsort nicht feststellen.

Neben der ungewöhnlichen Flugrichtung hatte das Teilchen aber auch sehr viel mehr Energie als alles, was bisher auf der Erde gemessen wurde. Das KM3NeT-Team schätzte die Energie des ursprünglichen Neutrinos auf 220 Petaelektronenvolt.

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Als Ursprungsort für das Teilchen käme möglicherweise ein supermassereiches Schwarzes Loch in Frage, das stark magnetisiert ist. Sein Wirbelfeld kann Teilchen wie Protonen oder kleine Kerne auf enorme Geschwindigkeiten beschleunigen. In Zukunft wird KM3NeT ein System einsetzen, das andere Beobachter innerhalb von nur 20 Sekunden nach der Entdeckung eines hochenergetischen Neutrinos über den möglichen Ursprungsort informiert, damit sie dort nach kosmischen Ereignissen suchen können, die die Quelle dafür sein könnten.

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