Sind größere Elektroautos eine Chance für den Klimaschutz?
Es gibt viele Gründe, sich über den immer größer werdenden Fußabdruck von Fahrzeugen, allen voran von SUVs, aufzuregen. Da wäre die Sicherheit von Fußgängern, die Auswirkung auf die Straßen und natürlich die höheren Treibhausgasemissionen. Gleichzeitig stellen SUVs auch eine Chance für den Klimaschutz dar. Denn wenn es gelingen würde, die schlimmsten Spritfresser von der Straße zu verbannen und sie durch Elektroautos zu ersetzen, wäre ein großer Schritt getan.
Laut einer neuen Analyse der Internationalen Energieagentur (IEA) werden SUVs im Jahr 2023 48 Prozent der weltweiten Autoverkäufe ausmachen. Damit setzt sich der Trend zu größeren Autos fort. Noch vor einem Jahrzehnt lag ihr Anteil nur bei etwa 20 Prozent aller Neuwagenverkäufe.
Große Fahrzeuge bedeuten hohe Emissionen. Im vergangenen Jahr waren weltweit mehr als 360 Millionen SUVs auf den Straßen unterwegs, und sie verursachten eine Milliarde Tonnen Kohlendioxid. Wären SUVs ein Land, hätten sie die fünfthöchsten Emissionen aller Länder der Erde – mehr als Japan. Mehr als 20 Prozent des gesamten energiebedingten Emissionsanstiegs im vergangenen Jahr sind auf SUVs zurückzuführen.
Weshalb geht der Trend überhaupt zu immer größeren Autos? Ein Grund: Sie bringen in der Regel höhere Gewinnspannen führ ihre Hersteller, weshalb diese SUVs bevorzugt produzieren und vermarkten. Und die Autofahrer:innen machen mit. Wohl auch, weil sie den Platz, die Beinfreiheit und das Gefühl, einige Meter über dem Verkehr zu schweben, schätzen.
Der Trend zu großen Boliden zeigt sich auch bei E-Autos
Der Trend wirkt sich auf Elektrofahrzeuge aus. Mehrere Hersteller haben in den vergangenen Jahren größere Modelle auf den Markt gebracht, einige mit großem Erfolg. Das Tesla Model Y etwa, das 2020 auf den Markt kam, war im vergangenen Jahr mit mehr als 1,2 Millionen verkauften Einheiten das mit Abstand beliebteste Elektrofahrzeug. Der BYD Song (ebenfalls ein SUV) belegte mit 630.000 verkauften Exemplaren den zweiten Platz.
Laut dem Global EV Outlook 2024 der IEA machten SUVs im Jahr 2023 fast 50 Prozent der neuen E-Auto-Verkäufe aus, verglichen mit knapp 20 Prozent im Jahr 2018. Es gibt auch eine Verschiebung weg von kleinen Autos (man denke an die Größe eines Fiat 500) und hin zu großen Autos (ähnlich einem 7er BMW). Und es sind längst nicht mehr nur die USA, die große Autos lieben: Zwar machen Elektro-SUVs dort im Jahr 2023 65 Prozent der Verkäufe neuer Elektrofahrzeuge aus, aber auch Europa lag der Anteil bei 52 Prozent und in China immerhin bei 36 Prozent.
Angesichts solcher Zahlen bieten SUVs eine große Chance für Klimaschutzmaßnahmen. Denn Elektroautos reduzieren die Emissionen während ihrer Lebensdauer im Vergleich zu den benzinbetriebenen Versionen desselben Modells, sodass die Elektrifizierung der größten Emittenten auf den Straßen eine übergroße Wirkung hätte. Würden alle im Jahr 2023 verkauften benzinbetriebenen und hybriden Geländewagen durch Elektrofahrzeuge ersetzt, ließen sich dem IEA-Bericht zufolge während der Lebensdauer dieser Fahrzeuge rund 770 Millionen Tonnen Kohlendioxid vermeiden. Das entspricht den gesamten Straßenverkehrsemissionen Chinas im vergangenen Jahr.
Wenn nun einige Autofahrer:innen bereit sind, ein Elektroauto zu kaufen, aber nicht bereit sind, ihre Autos zu verkleinern, dann könnte die Verfügbarkeit größerer Elektroautos ein großer Hebel für den Klimaschutz sein.
Auch Elektro-SUVs haben Nachteile
Natürlich bleiben noch die andere, eingangs erwähnten Probleme. Größere Fahrzeuge beanspruchen die Straßen stärker und machen den Unterhalt teurer, das gilt für Benziner ebenso wie für E-Autos. Und natürlich sind auch Elektro-SUVs aufgrund ihrer Bauweise für Fußgänger gefährlicher. Bei Fahrzeugen mit höherer Frontpartie und stumpferem Profil ist die Wahrscheinlichkeit, dass es bei Zusammenstößen mit Fußgängern zu Todesfällen kommt, um 45 Prozent höher.
Größere E-Fahrzeuge könnten auch Auswirkungen auf die Menge des Abbaus haben, die wir benötigen, um die Nachfrage nach Metallen wie Lithium, Nickel und Kobalt zu decken. Eine Studie aus dem Jahr 2023 hatte festgestellt, dass größere Fahrzeuge die Förderung bis 2050 um mehr als 50 Prozent erhöhen könnten, verglichen mit dem erforderlichen Aufwand, wenn die Menschen kleinere Fahrzeuge fahren würden. In Anbetracht der Tatsache, dass der Bergbau energieintensiv ist und selbst erhebliche Umweltschäden mit sich bringen kann, ist das ein wichtiger Aspekt – selbst wenn neue Technologien dazu beitragen könnten, den Abbau einiger Materialien zu reduzieren.
Letztlich gibt es immer noch die Überlegung, die Nachfrage nach größeren Autos zu verringern. Die Politik hat in der Vergangenheit dazu beigetragen, die Menschen zu größeren Autos zu drängen. Jetzt könnte sie helfen, eine Kehrtwende in Bezug auf die Aufblähung der Autos einzuleiten. Einige Länder, darunter Norwegen und Frankreich, erheben inzwischen höhere Steuern oder Zulassungsgebühren für größere Fahrzeuge. In Paris wurden kürzlich die Parkgebühren für SUVs erhöht.
Der Text stammt von Casey Crownhart. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und deckt die Themenbereiche Klima, (erneuerbare) Energie und Transport ab.
Wohl noch nie was vom Rebound-Effekt gehört. Genau danach klingt das. Das Mehraufkommen elektrischer SUVs ist ein Paradebeispiel dafür.
Einfach „normalgroße“ eAutos bauen ist keine Option? Wenn man es ernst meint mit der Umwelt hätte man SUVs in jeder Form schon längst verboten um Ressourcen zu sparen.