Sind Offshore-Windräder für Wale tödlich? Woran die Tiere tatsächlich sterben
Buckelwale: Für sie sind vor allem Kollisionen mit Booten oder andere menschliche Einflüsse fatal. (Foto: Craig Lambert Photography / Shutterstock)
Wenn ein Wal stirbt, beginnt die Verwesung oft sehr schnell. Der Prozess beginnt innerhalb weniger Stunden, nachdem das Tier an Land gespült wurde. Je nach Art können Wale eine 15 Zentimeter oder sogar noch dickere Speckschicht haben – eine isolierende Schicht, die während ihres Lebens Wärme im Inneren speichert und die inneren Organe nach dem Tod zu Brei werden lässt. Das kann Jennifer Bloodgoods Arbeit sehr erschweren. Als Wildtierärztin des Staates New York und des Cornell Wildlife Health Lab ist sie Expertin für die Durchführung von Wal-Nekropsien, wie Autopsien an Tieren genannt werden. Sie weiß, dass es am besten ist, schnell damit zu beginnen, da sonst wichtige Hinweise verloren gehen, wie das riesige Säugetier ums Leben gekommen ist.
Diese Untersuchungen sind besonders wichtig geworden, da der Tod von Walen zu einem politischen Streitfall mit erheblichen Konsequenzen geworden ist. Derzeit gibt es drei sogenannte Mortalitätsereignisse von Walen im US-Atlantikgebiet, also Bündel von Todesfällen, die Expert:innen als ungewöhnlich betrachten. Und einige republikanische Politiker, einflussreiche konservative Thinktanks und insbesondere US-Präsident Donald Trump (lange als Gegner von Windmühlen bekannt) stellen die zweifelhafte Behauptung auf, dass Offshore-Anlagen für diese Todesfälle verantwortlich sind.
Wie der Ausbau der Windkraft behindert wird
Dies ist zur Grundlage einer nebulösen Quasi-Verschwörungstheorie geworden, in der einige Anti-Windkraft-Gruppierungen behaupten, dass die Vermessungstechnik, die zur Kartierung von Standorten für Windparks verwendet wird, die Tiere stören könne. Eine weitere Behauptung ist, dass der von den Turbinen im Betrieb ausgehende Lärm die Kommunikation und Navigation der Wale störe. „Windräder machen die Wale offensichtlich verrückt“, bemerkte Trump im Januar.
Im vergangenen Jahr wurde die angebliche Bedrohung durch die Windkraftanlagen als Teil der offiziellen Begründung für Washingtons Attacke auf die Offshore-Bauten angeführt – einen wichtigen Teil der damals noch wachsenden Infrastruktur für saubere Energie in den USA. Die Trump-Administration hat Pachtverträge und Genehmigungen für neue Projekte ausgesetzt, die Einstellung der Arbeiten an einem großen neuen Windpark angeordnet, der kurz vor der Fertigstellung stand, und über 600 Millionen US-Dollar an Fördermitteln für notwendige Hafenausbauten zur Unterstützung der Branche gestrichen. Doch: Jede Schuldzuweisung, die an Windkraftanlagen für den Tod von Walen geht, ignoriert die Tatsache, dass Wale schon lange bevor die riesigen Maschinen im Meeresboden verankert wurden, an Stränden angespült wurden, sagen Expert:innen. Es ist also etwas, das schon immer passiert ist. Und der wissenschaftliche Konsens ist eindeutig: Es gibt keine Beweise dafür, dass Offshore-Windkraft die Ursache für den jüngsten Anstieg der Tiersterblichkeit ist.
Todesursachen von Walen
„Wenn ein Wal strandet, werden enorme Anstrengungen unternommen, um darauf zu reagieren und herauszufinden, warum er gestorben ist“
Es gibt gleichzeitig aber auch noch viel, was Forscher:innen über das Leben und Sterben von Walen nicht wissen. Fachleute führen oft Dutzende von eingehenden Untersuchungen pro Jahr allein an der Ostküste der USA durch. Und bei den derzeit aktiven Walsterbefällen zeigen die Daten, dass Buckelwale und Nordatlantik-Glattwale in der Regel Opfer menschlicher Einflüsse sind, beispielsweise durch Kollisionen mit Booten oder Verwicklung in Fischereiausrüstung. Tatsächlich weist nach Bloodgoods Erfahrung etwa die Hälfte der Buckelwale, die sich in einem ausreichend guten Zustand für eine Autopsie befinden, Anzeichen einer Kollision mit einem Schiff oder anderer menschlicher Einflüsse auf. Zwergwale scheinen unterdessen einem Bakterium namens Brucella zum Opfer zu fallen, das die Wildtierärztin Bloodgood ebenfalls beobachtet hat.
„Wenn ein Wal strandet, werden enorme Anstrengungen unternommen, um darauf zu reagieren und herauszufinden, warum er gestorben ist“, sagt sie. „Viele Menschen sind damit beschäftigt, hinauszugehen und herauszufinden, was da passiert ist.“ Bemerkenswert sei, dass sie nicht feststellen könnten, dass die Tiere durch Windkraftanlagen ums Leben gekommen sind. „Derzeit gibt es keine Hinweise darauf, dass das einen Einfluss auf das Stranden von Walen hat.“ Bloodgood spricht sachlich über ihre Arbeit und beschreibt die manchmal recht blutigen Autopsien mit ernster Miene in ihrem schlicht eingerichteten Büro. Man merkt aber auch ihren Humor über ihre teils bizarre Tätigkeit.
„Wir können so viel von den toten Tieren lernen“, sagt Bloodgood. Durch die Untersuchung von Kadavern, die an Land gespült werden, können sie und ihre Kolleg:innen grundlegende Details wie Art und Alter, aber auch Ernährung und natürlich die Todesursache herausfinden. Fachleute suchen stets nach Anzeichen von Krankheiten oder nach Hinweisen auf die erwähnten menschlichen Einflüsse – Boote, Fischernetze und mittlerweile auch Dinge, die von Windkraft herrühren könnten.
Was zu tun ist, wenn ein Wal an Land gespült wird:
- Nachdem Menschen einen an Land gespülten Wal entdeckt haben, sollten sie die örtlichen Behörden und Wissenschaftler:innen, Tierärzt:innen und Freiwillige, die sogenannten Stranding Networks, benachrichtigen.
- Leben die Tiere noch, sollen Rettungs- und Rehabilitierungsversuche unternommen werden.
- Bei toten Walen erfolgt direkt die Untersuchung.
In den letzten Jahren hat Bloodgood bei neun Strandungen in New Jersey, New York und Delaware geholfen. Als Professorin nimmt sie oft Studenten mit – da so viele daran interessiert sind, musste sie ein Losverfahren einführen. Wie eine Wal-Autopsie abläuft, hängt vom Zustand des Tiers und vom Ort der Strandung ab. Im Allgemeinen gilt jedoch: Wenn der Körper frisch genug ist, um eine vollständige Autopsie zu rechtfertigen, versammelt sich ein großes Team vor Ort. Die Expert:innen beginnen mit einer äußeren Untersuchung und suchen nach Auffälligkeiten an Haut, Augen, Blasloch und Maul. Anschließend zerlegen sie den Wal systematisch, notieren alles, was ihnen ungewöhnlich erscheint, und entnehmen Proben, die sie an das Labor schicken.
Wie die toten Wale untersucht werden
Bei der Ermittlung der Todesursache betrachten die Forscher:innen das Gesamtbild, versuchen, die wahrscheinlichste Ursache zu finden – und sammeln Beweise, um alle anderen möglichen Ursachen auszuschließen. Es gibt nicht immer eindeutige Tatsachen, sagt Bloodgood. Aber eine gründliche Untersuchung liefert in der Regel aussagekräftige Hinweise. Nehmen wir zum Beispiel an, die vermutete Todesursache eines Wals ist eine Kollision mit einem Boot. Die Forscher:innen suchen bei der äußeren Untersuchung nach Prellungen und Schnittwunden und versuchen dann, Knochenbrüche und innere Blutungen festzustellen. Aber sie achten auch auf andere Probleme, wie Läsionen, die auf die Infektionskrankheit Brucellose hindeuten können. Normalerweise sollte man erfahrene Zerleger:innen beauftragen, berichtet Bloodgood, da Wale so groß sind, dass man in der Regel Messer mit einer Länge von 30 bis 60 cm verwenden muss. Wale sind außerdem ölige Tiere, sodass die Messer ziemlich rutschig werden können – Verletzungsgefahr.
Nachdem sie die dicke Speckschicht durchgeschnitten haben, können die Forscher:innen sogenannte Gaffelhaken verwenden, um Haut oder Organe aufzuspießen, um sie zu entnehmen oder aus dem Weg zu räumen. Es gibt keine starre Reihenfolge der Arbeitsschritte, aber in der Regel werden die wichtigsten Organe wie Lunge, Leber, Nieren und Gehirn untersucht. Oft ist es auch hilfreich, das Verdauungssystem zu öffnen, um zu sehen, was der Wal gefressen hat, was laut Bloodgood zunehmend auch Plastikteile umfasst. Um an alle notwendigen Organe heranzukommen, muss der Wal manchmal bewegt werden. Wenn der Strandungsort gut zugänglich ist, kann schweres Gerät wie ein Bagger dabei helfen, einen Teil des Körpers anzuheben, um ihn aufzuschneiden.
Ist dies nicht möglich, kann das Fachpersonal laut Bloodgood die sogenannte Fenster-Methode anwenden. Das bedeutet im Grunde genommen, dass strategisch platzierte Löcher entlang des Walkörpers geschnitten werden, um an die gewünschten Organe zu gelangen. In der Nähe der Brustflosse ist beispielsweise in der Regel ein guter Ort für eine Lungenprobe. Ein Problem dieser Methode ist, dass sie nicht immer funktioniert, wenn der Körper bereits teilverwest ist und im Wellengang herumgeschleudert wurde, bevor er an Land gespült wurde. In diesem Fall ist alles ein großes Durcheinander – und die Lungen könnten beispielsweise im Schwanzbereich enden.
Mit den Walproben ins Labor
Nach der Zerlegung kehrt Bloodgood ins Labor zurück und untersucht Proben von jedem Gewebe, um weitere Analysen durchzuführen. Ein Bereich, der für sie von großem Interesse ist, sind die Gehörknöchelchen. Wenn ein Wal tatsächlich von Schallwellen tangiert wurde, die von Booten zur Vermessung von Windparkstandorten verwendet werden (was angesichts der Art der verwendeten Signale eigentlich unwahrscheinlich ist), könnten seine Gehörknöchelchen Anzeichen für ein mit Lärm verbundenes Trauma aufweisen. Diese Schäden könnten unter dem Mikroskop oder in einem CT-Scan sichtbar sein. Bloodgood hat die Theorie bereits untersucht und sich dabei insbesondere auf Delfine konzentriert, deren Köpfe im Gegensatz zu denen von Walen klein genug sind, um sogar direkt in den Scanner zu passen. In keiner der von ihr untersuchten Proben gab es Anzeichen für solche Schäden.
Trotz all der Dinge, die Expert:innen wie Bloodgood testen können, ist das System sicher nicht perfekt. Nicht alle toten Wale werden an Stränden angespült, und nicht alle, die dort angespült werden, sind in einem Zustand, der eine gründliche Untersuchung zulässt. Ferner ist es ziemlich schwierig, vollständig auszuschließen, dass eine einzelne Ursache zum Tod eines Wals beigetragen hat. Auch wenn ein gestrandetes Tier eine Infektion hatte oder von einem Boot angefahren wurde, ist es theoretisch möglich, dass noch ein weiterer Faktor eine Rolle gespielt hat. Dennoch liefert die Autopsie in vielen Fällen genügend Erkenntnisse, damit die Wissenschaftler:innen die Todesursache mit großer Sicherheit bestimmen können. Nach Abschluss der Untersuchung veröffentlichen sie einen Bericht, der anschließend von der US-Seeaufsicht National Oceanic and Atmospheric Administration analysiert wird. Eine ausreichende Anzahl solcher Berichte kann dann Trends aufzeigen.
Aber viele Interessierte sehen diese Berichte mit ziemlicher Sicherheit nicht und suchen auch nicht nach diesen Daten. Auch wenn der Tod von Walen auf höchster politischer Ebene zu einem heiß diskutierten Thema geworden ist, hat Bloodgood das Gefühl, dass die Öffentlichkeit nicht immer erkennt, mit welcher Sorgfalt die Forscher:innen die Vorgänge untersuchen. „Ich glaube, viele Menschen sind sich nicht bewusst, wie viel Aufwand betrieben wird, um zu verstehen, warum Wale sterben“, sagt sie.
Weitere Wal-Forschung unter erschwerten Bedingungen
„Wenn man den Menschen nicht mitteilt, was man herausgefunden hat, fangen sie an, sich ihre eigenen Gedanken zu machen“
Die Forscherin weist außerdem darauf hin, dass das Fachpersonal mit einer grundsätzlich begrenzten und mittlerweile schrumpfenden öffentlichen Unterstützung arbeitet. Die Trump-Administration hat kürzlich die Finanzierung für zwei Programme gestrichen, die mithilfe von Luftbildaufnahmen und Unterwasser-Aufnahmegeräten Walpopulationen verfolgten und die Auswirkungen menschlicher Aktivitäten – einschließlich der Offshore-Windenergie – besser verstehen lernen sollten.
Gleichzeitig gebe es mehr Druck und mehr Falschmeldungen, fügt Bloodgood hinzu: „Ich denke, es wird immer wichtiger, gegenüber der Öffentlichkeit transparent zu sein.“ Zusätzlich zur Online-Veröffentlichung von Autopsieberichten informieren einige Stranding Networks Bürger:innen im Umkreis auch über soziale Medien. „Wenn man den Menschen nicht mitteilt, was man herausgefunden hat, fangen sie an, sich ihre eigenen Gedanken zu machen“, sagt Bloodgood. Besonders wenn sie glaubten, dass ihnen etwas verheimlicht werde.