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„Siri, ficken?“ oder: Warum die künstliche Intelligenz unser Benehmen auf die Probe stellt [Kolumne]

Immer häufiger nutzen wir künstliche Intelligenz im Alltag, und auch Roboter sind längst keine Zukunftsvision mehr. Doch der Umgang mit neuer Technik fällt uns schwer, und das ist ein ernsthaftes Problem. Die Doppelklick-Kolumne von Florian Blaschke.

Von Florian Blaschke
4 Min. Lesezeit
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(Foto: Shutterstock)

Wie sieht künstliche Intelligenz aus?

„Dein Wunsch ist ihr Befehl“, so lautete der Slogan, mit dem Apple in der Beta-Phase für Siri geworben hat. Genau genommen heißt es „is its command“, aber Siri ist eine Sprachsteuerung, die eine weibliche Stimme hat – und eine, die in Ansätzen menschlich wirkt. Doch wie sieht Siri aus? Wie würden sich Menschen, und vor allem Männer, Siri vorstellen? Wäre sie ein Roboter? Oder eine Frau? Wäre sie hübsch? Sexy? Verführerisch?

„Dein Wunsch ist ihr Befehl.“ (Foto: Hadrian / Shutterstock.com)

„Dein Wunsch ist ihr Befehl.“ (Foto: Hadrian / Shutterstock.com)

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Wer jetzt denkt, das sei eine banale Frage, sollte mal Artikel wie diesen lesen. Artikel, in denen es um die witzigsten Antworten geht, die Siri auf bescheuerte Fragen geben kann. Und sich dann selbst die Frage stellen, warum Apple überhaupt auf die Idee kommt, solche Antworten zu programmieren (und die, warum Facebook unbedingt will, dass sein Assistent M kein Geschlecht hat). Der Grund ist simpel: Weil das Erste, das vielen Menschen einfällt, wenn sie eine Technologie wie Siri in den Händen halten, nicht ist, nach den Wetteraussichten zu fragen.

Stattdessen gehören Fragen oder Befehle wie „Siri, ficken?“ oder „Siri, was trägst du drunter?“ zu den ersten Fragen, die Siri auf einem neuen iPhone zu hören bekommt. Witzig? Vielleicht, vor allem, weil Siri auf solche Obszönitäten durchaus schlagfertig reagieren kann. Doch am Ende wehrt sich ein Unternehmen wie Apple mit den vorprogrammierten Antworten dagegen, dass wir übergriffig werden, dass wir Siri missbrauchen, ihre Grenzen austesten und gucken, was sie alles mitmacht. Und das ist ein Problem.

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Wir neigen dazu, Maschinen zu vermenschlichen

Für jede neue Technologie muss sich erst ein Verhaltenskodex etablieren, der den Umgang damit in gewisser Weise reguliert. Für manches gibt es Gesetze, für manches aber gelten ungeschriebene Regeln. Und für manches müssen sich auch moralische Maßstäbe entwickeln – ein Vorgang, der Zeit braucht.

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Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch: Amazon Echo hört mit und reagiert, wenn man ihn „Alexa“ nennt. (Screenshot: Amazon-Video)

Künstliche Intelligenz auf dem Vormarsch: Amazon Echo hört mit und reagiert, wenn man ihn „Alexa“ nennt. (Screenshot: Amazon-Video)

Darüber hinaus neigen wir immer wieder dazu, Maschinen zu vermenschlichen. Nicht umsonst haben beispielsweise Autos so häufig Namen, sie werden nicht nur Teil unseres Alltags, wir schließen sie auch emotional mit in unser Leben ein. Und bei Sprachassistenten, die Siri oder Alexa heißen, fällt das naturgemäß noch leichter. Doch während Siri noch auf Geräten installiert ist, die wir meist nur persönlich nutzen, integrieren sich Geräte wie Amazons Echo in den Haushalt, sie sind für Kinder genauso einfach zu bedienen wie für Senioren. Sie werden, in gewisser Weise, Teil der Familie.

Künstliche Intelligenz: Respekt auch vor den Entwicklern

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„Haben wir die Verantwortung, Programme wie Siri oder Objekte wie Echo höflich zu behandeln?“

Nun gibt es feine Unterschiede zwischen den einzelnen Lösungen der Hersteller. Während Siri auf ein „Danke, Siri“ beispielsweise mit „Aber natürlich“ antwortet, bleibt Alexa alias Echo bei einem Dankeschön stumm. Der kleine schwarze, interaktive Lautsprecher hockt einfach da auf dem Tisch oder im Regal, verrichtet seinen Dienst und schweigt. Fast schon unhöflich.

Und hier wird es kompliziert. Etliche Fragen tauchen auf im Umgang mit künstlicher Intelligenz. Haben wir überhaupt die Verantwortung, auch Programme wie Siri oder Objekte wie Echo höflich zu behandeln? Ist der Respekt vor ihnen nicht auch dem Respekt vor ihren Entwicklern geschuldet? Und müssen wir uns den korrekten Umgang mit ihnen vielleicht allein schon deshalb beibringen, weil wir zukünftig nicht nur von solchen Maschinen umgeben sein werden, sondern, wenn uns die Forschung nicht im Stich lässt, von Robotern, wie wir sie bislang nur aus Science-Fiction-Filmen kennen? Und wenn das so ist: Wie bringt man beispielsweise Kindern bei, auch dann noch „Danke“ zu Alexa zu sagen, wenn Alexa darauf nicht reagiert?

„Wir haben erheblichen Missbrauch beobachtet“

Das ist alles ganz schön weit hergeholt? Das sind alles keine wirklichen Probleme? Hab ich auch lange gedacht, bis ich eine Studie der Ryukoku-Universität aus Japan in die Finger bekommen habe, in der Wissenschaftler den Umgang von Kindern mit Robotern untersucht haben. Dafür platzierte das Team einen Service-Roboter in einem Einkaufszentrum und beobachtete, wie die Menschen – und vor allem Kinder – auf ihn reagierten. Mit erschreckendem Ergebnis: „Wir haben gravierenden Missbrauch beobachtet, unter anderem Treten, Boxen und Schlagen“, heißt es in den Studienergebnissen. Dazu hätten einige Kinder versucht, dem Roboter Arme, Beine oder den Kopf zu verdrehen oder sich ihm in den Weg zu stellen, auch wenn er höflich darum gebeten habe, durchgelassen zu werden.

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„Geben wir unseren Kindern die Chance, auch künstlicher Intelligenz mit Respekt zu begegnen.“

Doch es wird noch schlimmer. Den Forschern zufolge habe eine Mehrheit der später befragten Kinder den Roboter nämlich nicht bloß als Maschine, sondern als menschenähnliches Wesen wahrgenommen – und ganze 52 Prozent der Kinder seien sogar davon ausgegangen, der Roboter könne den Missbrauch wahrnehmen.

Jetzt könnte man argumentieren, dass genau das nicht der Fall ist und wir somit auch nicht nett zu Siri, Alexa oder Robotern sein müssen. Doch genau das wäre ein Fehlschluss. Unabhängig davon, dass all das, was die Kinder in der Studie getan haben, auch dazu führen könnte, dass der Roboter beschädigt wird: Je stärker solche Assistenten eine Rolle in unserem Alltag spielen und je stärker wir sie vermenschlichen, desto stärkeren Einfluss auf unseren Umgang mit anderen Menschen hat auch unser Umgang mit ihnen. Und: Er hat Einfluss auf unsere Kinder, denn sie werden mit Siri, Alexa und Co. aufwachsen, für sie wird der Umgang mit ihnen selbstverständlich sein. Geben wir ihnen die Chance, auch künstlicher Intelligenz mit Respekt zu begegnen.

Update vom 14. Dezember 2015: Forscher der Tufts-Universität in Massachusetts haben sich nicht nur die Frage gestellt, was passiert, wenn Menschen Robotern respektlos begegnen, sie haben sich auch gefragt, wie man es verhindert kann, dass wir ihnen Befehle geben, die ihnen selbst oder sogar anderen Menschen schaden könnten. Und: Sie haben erste erstaunliche Erfolge vorzuweisen – allmählich lernen die ersten Roboter, Nein zu sagen. Mehr dazu in dem folgenden spannenden Video.

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10 Kommentare
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Dein t3n-Team

Sam

Also mal ehrlich, ich habe nach dem Wetter und der Reiseroute und den Terminen gefragt.
Was ist das denn für ein Krampf? So einen Schwachsinn habe ich lange nicht mehr gelesen

Antworten
Florian Blaschke

Da kann ich mir nur wiederholen („ Wer jetzt denkt, das sei eine banale Frage, sollte mal Artikel wie diesen lesen. Artikel, in denen es um die witzigsten Antworten geht, die Siri auf bescheuerte Fragen geben kann. Und sich dann selbst die Frage stellen, warum Apple überhaupt auf die Idee kommt, solche Antworten zu programmieren.“) und dir zu deiner Standhaftigkeit gratulieren. Aber mal ehrlich: Bloß, weil du selbst eine bestimmte Erfahrung (noch) nicht gemacht hast, ist das Krampf und Schwachsinn? Bitte nicht!

Antworten
Jürgen Schulze

An dem Tag an dem ich mit einer Maschine rede, schneide ich mir die Zunge ab.

Antworten
ThomsonIT

Na dann los…

Wer hat heutzutage noch nicht mit einer Maschine gesprochen? Bei vielen Kundendiensten ist es inzwischen an der Tagesordnung, dass man zunächst maschinell nach dem Anliegen gefragt wird. Streng genommen gilt es auch bereits, wenn du schon mal auf einen Anrufbeantworter gesprochen hast. Oder deine Voicemail abgehört hast.

Ähnliches haben Menschen mit Sicherheit auch über Teufelszeug wie das Telefon gesagt, nachdem dieses erfunden wurde. Oder über den Fernseher, oder das Internet. Alles böses Zeug mit dem wir nichts zu tun haben wollen! So einen Schmarrn haben wir früher schließlich auch nicht gebraucht!

Antworten
Julia Wissel

Ohne kleinlich sein zu wollen, aber die Geschlechter-Frage fängt hier doch schon bei der Übersetzung an: „Your wish is its command“ bedeutet nicht „Dein Wunsch ist IHR Befehl“.
Apple positioniert sich ganz bewusst „gender neutral“ und wirbt mit Siri als „geschlechtsneutraler Kompanion“: „You can ask IT“, „IT works with HomeKit“, „The more you use Siri, the more you’ll realize how great IT is“ (http://www.apple.com/ios/siri/).

Ohne Frage triggert die weiblich klingenden Computerstimme entsprechende Assoziationen – aber was wir daraus machen liegt bei uns. Und die Reaktionen darauf sind mehr als widerlich. Aber wenn ein Artikel schon versucht, sich kritisch mit dem Thema auseinanderzusetzen, darf man doch wenigsten ein bisschen Kleinlichkeit – und Verantwortung – erwarten.

Antworten
Florian Blaschke

„Genau genommen heißt es ‚is its command‘, aber Siri ist eine Sprachsteuerung, die eine weibliche Stimme hat – und eine, die in Ansätzen menschlich wirkt.“ Erster Absatz, zweiter Satz. Und was die Reaktionen angeht: Die habe ja nun mal nicht ich mir ausgedacht. Wie genau lautet also dein Vorwurf?

Antworten
Samantha

Hallo,
vielen Dank für diesen Artikel! Hätten Sie vielleicht zu diesem Thema Literatur-Empfehlungen? Ich würde da gerne mehr darüber erfahren und würde mich sehr über Tipps freuen.

Antworten
Florian Blaschke

In der verlinkten Studie selbst gibt es einige spannende Literaturangaben (http://www.rikou.ryukoku.ac.jp/~nomura/docs/CRB_HRI2015LBR2.pdf), dazu findest du unter https://de.wikipedia.org/wiki/Roboterethik oder https://en.wikipedia.org/wiki/Roboethics etliche Links, von denen aus du weitersuchen kannst und ganz sicher fündig wirst. Ich hoffe, das hilft schon mal weiter?

Antworten
informatx

Mich stört an diesem Artikel, dass Sie Ihre persönlichen Eindrücke auf das Verhalten von „Männern“ und „Menschen“ generalisieren. Dass Siri eine weibliche Stimme hat, ist Ausdruck Ihrer persönlichen Zuordnung. Dabei ist wohl davon auszugehen, dass nur eine kleine Gruppe heterosexueller Männer „Siri, ficken?“ fragen würde, also nicht „Männer“ generell und schon gar nicht „Menschen“ (da gäbe es u.a. noch Frauen, homosexuelle Männer, heterosexuelle Männer, die bei Frauen nicht sofort an intime Aktivitäten denken). Ich frag mich, wie es sich als Frau anfühlt, diese latent sexistischen Einführung in den Text zu lesen. Oder wird ein Traum heterosexueller Männer wahr, dass es nun doch eine Frau gibt (wenigstens virtuell), mit der man nicht respektvoll umgehen muss, wenn man mit Ihr schlafen möchte?
Das Thema hat so viel potential. Vielleicht nehmen sie sich der Sache ja einfach noch mal differenzierter an.

Antworten
Florian Blaschke

Das mit den „persönlichen Eindrücken“ tut mir leid. Nicht. Im Ernst: Eine Kolumne ist, sonst wäre sie keine, ein persönlicher, meinungsbetonter Text. Ja, der Einstieg ist aus meiner Sicht geschrieben, und ja: Es gäbe eine Menge dazwischen. Das wäre dann aber keine Kolumne mehr, sondern ein Aufsatz. Oder ein Buch. Die Einleitung dient, und auch das halte ich nach wie vor für richtig, als Einleitung zu einer größeren Diskussion, die am Ende mit Mann oder Frau oder dazwischen oder Sexismus nichts mehr zu tun hat, sondern mit unserem Umgang mit Maschinen und ihren Entwicklern.

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