Google kauft Nest: Das sagt die deutsche Smart-Home-Branche

Auch die deutschsprachige Smart-Home-Branche boomt. (Foto: digitalSTROM)
Muss die Smart Home-Branche zittern?
Nest-CEO Tony Fadell hat gegenüber GigaOM seine Ambitionen deutlich gemacht:
„Wenn du als Unternehmen die Welt verändern willst, muss du dir Märkte außerhalb der USA ansehen. (…) Wir müssen nach Europa und in den Rest der Welt.“
Eine klare Ansage, wie wir finden – was sagen die Unternehmen auf dem deutschsprachigen Markt dazu? Wir stellen fünf von ihnen vor.
KISI – nie wieder den Schlüssel verlieren
KISI ist eine Plattform zur digitalen Schlüsselverwaltung. Das Besondere: Wer KISI nutzt, braucht nur noch sein Smartphone, um Türen zu öffnen. Die mitgelieferte Hardware funktioniert mit Schließsystem sowie mit Gegensprechanlagen und ersetzt dort, einmal installiert, den Schlüssel(-knopf). Per App kann der User bestimmen, wann die Tür sich öffnet, auch, wenn er selbst nicht vor Ort ist. Er kann sowohl permanente als auch temporäre Schlüssel anlegen, die in der Cloud gespeichert werden, und sie über die App verwalten. KISI hat Büros in München und New York und wurde 2013 mit dem SmartHome Deutschland Award ausgezeichnet.
Bernhard Mehl, KISI Inc.:
Welche Auswirkungen hat der Google Deal auf die Smart Home-Branche?
„Der Deal zeigt, dass große Exits in der Branche möglich sind. Gleichzeitig steigen die Erwartungen anderer Smart Home Startups an solche Exits sowie die Suche der Technologiekonzerne nach innovativen Smart-Home-Unternehmen wie Nest, die einen Fokus auf Technologie und User-Experience legen.“
Seht ihr in der Nest-Übernahme eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell?
„Die Übernahme stellt keine Bedrohung dar, vielmehr wird sich unserer Ansicht nach die Zusammenarbeit zwischen Startups und Großkonzernen erhöhen.“
War es die richtige Entscheidung von Nest, an Google zu verkaufen? Hättet ihr dasselbe getan?
„Die Entscheidung war richtig, weil Nest – im Gegensatz zu Snapchat – große Investitionen braucht, um im gleichen Tempo weiter zu wachsen und mit den Technologiekonzernen mitzuhalten. Die Übernahme hat sich lange angekündigt, da Google Ventures bereits die letzten zwei Finanzierungsrunden von Nest größtenteils selbst übernommen hat und es damit auch für Nest nicht überraschend gekommen sein dürfte. Das Wichtigste aber ist: Google und Nest teilen die gleiche Vision von Technologie, die den User verstehen lernt: Google im Browser, Nest zu Hause. Warum sollte man da gegeneinander arbeiten?“
tado° – persönlicher Heiz-Assistent
Das Münchener Startup tado° hilft seinen Nutzern, effizienter zu heizen. Mit der Kombination aus Hardware – einer Box, die das reguläre Thermostat ersetzt – und Software können die User ihr Heizverhalten beobachten, analysieren und entsprechend ihrer Gewohnheiten optimieren. Die App berücksichtigt Wetterbericht, Sonneneinstrahlung und weitere Eigenschaften des Hauses und lernt mit der Zeit auch selbst, wie sich die Wohnung optimal heizen lässt.
Christian Deilmann, Gründer und CEO:
Welche Auswirkungen hat der Google-Deal auf die Smart Home-Branche?
„Nest hat im letzten Jahr beträchtlich dazu beigetragen, die Wahrnehmung der Branche aus der Nische in den Massenmarkt zu bringen. Durch klar kommunizierte Produkte und Nutzen finden Internet-of-Things-Anwendungen in den Markt. Die Google Übernahme wird es Nest ermöglichen, diese Verbreitung noch schneller voranzutreiben.„Die Trägheit der Bevölkerung zu überwinden ist grundsätzlich die größte Herausforderung.“
Da der Markt insgesamt noch ganz am Anfang steht, ist es sehr gut, dass Nest und jetzt auch Google diesen Bereich treiben. Die Trägheit der Bevölkerung zu überwinden ist grundsätzlich die größte Herausforderung. Alles was dazu beiträgt, diese Trägheit zu überwinden, damit der Ball „Home Automation“ ins Rollen kommt, ist super für alle Beteiligten.
Seht ihr in der Nest-Übernahme eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell?
„Nein, absolut nicht. Die oben genannten Aspekte überwiegen stark. tado° ist die einzige Firma, die in Europa Heizungen herstellerübergreifend anschließen kann. Aktuell haben wir noch einen großen zeitlichen Vorsprung bis Nest Konkurrenz für uns in Kontinentaleuropa werden kann. In England könnte es aufgrund der einfacheren Heizungsschnittstellen schneller gehen bis wir Nest begegnen.
tado° ist eine deutlich intelligentere Lösung als das Learning Thermostat von Nest. tado° integriert die Smartphones der Nutzer in die Regelung und nutzt so das Internet-of-Things zur Optimierung. Für uns ist es jetzt also wichtiger denn je, schnell in die Verbreitung zu kommen.“
War es die richtige Entscheidung von Nest, an Google zu verkaufen? Würdet ihr dasselbe tun?
„Wir waren überrascht zu sehen, dass Nest jetzt an Google verkauft. Wir hätten gedacht, dass Nest seinen eigenen Weg geht und sich Kapital über einen IPO verschafft.
Es ist uns daran gelegen das beste Produkt an so viele Kunden wie möglich zu bringen. Wenn der Weg dahin über eine Partnerschaft vielversprechender ist, würden wir dies in Erwägung ziehen. Die Werte unserer Firma und unseres Produktes müssen in einem solchen Fall definitiv bestehen bleiben. 3,2 Milliarden als Kaufpreis und große Liquidität für weiteres Wachstum machen den Google Deal natürlich attraktiv.“
tado° ist einer der prominentesten Anbieter im Bereich Home-Automation in Deutschland und hat ein dem Nest-Thermostat sehr ähnliches Produkt, so ist das Unternehmen in weiteren Medien zu Wort gekommen, etwa beim Intmag oder wiwo.de.
digitalSTROM – intelligente Vernetzung der heimischen Elektrik

Das Smart Home System von digitalSTROM vernetzt alle Elektrogeräte im Haushalt. (Grafik: digitalSTROM)
„Mehr Komfort und ein völlig neues Wohngefühl“ verspricht digitalSTROM seinen Kunden auf seiner Website. Und das alles dank intelligentem Strom. Mit kleinen, Lüsterklemmen-ähnlichen Komponenten, die in die bestehenden Stromkreisläufe integriert werden können, vernetzt das Schweizer Unternehmen alle elektrischen Geräte im Haushalt und macht sie über PC und Smartphone steuerbar. Gestern hat digitalSTROM eine auf Google Now basierende Funktion vorgestellt, mit der Nutzer ihr Smart Home per Sprachsteuerung bedienen können.
Martin Vesper, CEO digitalSTROM:
Welche Auswirkungen hat der Google-Deal auf die Smart Home-Branche?
„Die Übernahme von Nest durch Google wird die Smart Home-Branche beflügeln. Nicht zuletzt in dem beeindruckend hohen Kaufpreis zeigt sich das enorme Potenzial der Branche. Durch den prominenten Käufer werden sicherlich nun auch andere auf die Entwicklungen im Smart Home-Bereich aufmerksam, die uns vorher noch nicht so auf dem Schirm hatten.“
Siehst du in der Nest-Übernahme eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell?
„Nein, eher im Gegenteil. Die Services von Nest gibt es derzeit nicht ohne Grund nur in den USA. Beispiel Thermostat: Das funktioniert momentan über die spezifische Heiz-Infrastruktur im typischen amerikanischen Haus, die über eine Niedervolt-Leitung gespeist und durch ein einzelnes Thermostat reguliert wird. Diese Gegebenheiten gibt es in Europa so nicht. Hier wird jeder Raum einzeln reguliert, es gibt eine Vielzahl an Thermostaten pro Wohnung und Haus. Nest ist ein Service, der in Europa vor allem im Infrastruktur-Bereich nachrüsten müsste. Dadurch ergeben sich für Anbieter wie digitalSTROM eher potenzielle Kooperationsmöglichkeiten als Konkurrenzen.“
War es die richtige Entscheidung von Nest, an Google zu verkaufen?
„Ich bin kein absoluter Nest-Insider, daher halte ich mich hier lieber mit Kommentaren zurück.“
LOXONE – Smart Home über den Miniserver
Der Smart Home Anbieter Loxone aus Oberösterreich hat sich vorgenommen, zum „Apple der Heimautomatisierung“ zu werden. Hier bei soll der selbst entwickelte Miniserver helfen, über den sich Licht, Beschattung, Heizung, Sprechanlage, Alarm und weitere Haushaltsfunktionen bis hin zu Musik und Sauna zentral kontrollieren lassen. Die Steuerung des Loxone Smart Homes erfolgt über die zugehörige kostenlose Software, auch per Smartphone oder Tablet. Für die Gründer Martin Öller und Thomas Moser ist es wichtig, ein flexibles und erweiterbares System anzubieten, so dass sich für jedes Budget ein Smart Home realisieren lässt.
Florian Wöss, Loxone Management:
Welche Auswirkungen hat der Google-Deal auf die Smart Home-Branche?
„Google hat erkannt, dass der Smart-Home-Markt die Zukunft ist. Der Google/Nest-Deal wird viel Aufmerksamkeit auf das Thema Smart Home ziehen. Davon können alle Anbieter profitieren.“
Seht ihr in der Nest-Übernahme eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell?„Google lebt von Daten. Für uns ist es fraglich, ob der Kunde von der Übernahme profitiert.“
„Nein. Nest verfolgt mit seinem Geschäftsmodell lediglich die Steuerung einzelner Inseln im Eigenheim. Loxone bietet mit der Miniserver-basierten Smart-Home-Lösung eine Komplettlösung für das Eigenheim.“
War es die richtige Entscheidung von Nest, an Google zu verkaufen?
Google lebt von Daten und wird versuchen, mit Nest Daten aus dem Eigenheim zu sammeln. Für uns ist es fraglich, ob der Kunde davon profitiert.
en:key – Selbstlernende Heizregulierung für jeden Raum

Raumsensor und Ventilregler von en:key erlauben die automatisierte Regulierung jedes einzelnen Raumes.
Der Anbieter en:key unterstützt seine Nutzer beim Sparen von Heizkosten. Das en:key-System besteht aus einem Raumsensor und einem Ventilregler, die in jedem Raum der Wohnung angebracht werden. Der Raumsensor erkennt, ob der Raum genutzt wird und kommuniziert dem Ventilregler per Funk, ob das System auf Komfort- oder Spartemperatur schalten soll. Zusätzlich lernt der Sensor im Zeitverlauf das Heizverhalten der Raumnutzer kennen und passt sich darauf an. Diese selbstlernende Einzelraumregelung wurde 2013 mit dem SmartHome Deutschland Award ausgezeichnet.
Uwe Asbach, Leiter des Geschäftsbereichs beim Dachunternehmen Kieback&Peter:
Welche Auswirkungen hat der Google-Deal auf die Smart Home-Branche?
„Wir gehen davon aus, dass Smart-Home-Lösungen durch den Kauf auch in Europa deutlich bekannter und Smart-Home-Lösungen zu Massenprodukten werden. Mit der Produkteinführung von en:key haben wir festgestellt, dass es der Branche nur dienlich sein kann, wenn Standards gesetzt werden und anwenderfreundliche Konzepte mit hohem Nutzen und hoher Akzeptanz für den Endanwender entstehen. Von daher begrüßen wir es, wenn marktbekannte Unternehmen das Thema aufgreifen.“
Seht ihr in der Nest-Übernahme eine Bedrohung für euer Geschäftsmodell?
„Wir sehen uns in der Arbeit an unserer Produktfamilie en:key bestätigt. Unser System ist dank Energy-Harvesting-Technologie energieautark unterwegs und spart selbstlernend Energie, ohne dass der Nutzer sein Verhalten ändern muss. en:key arbeitet als Standalone-Variante raumweise auf jeden Heizkörper und kann als Effizienzmaßnahme pro Raum nachgerüstet werden. In Verbindung mit Automationstechnologien bietet en:key umfängliche Lösung für ganze Wohnquartiere, Verwaltungs-/Bürogebäude und Schulen. Somit besetzen wir verschiedene Marktsegmente. Wir sehen große Potenziale für Energieeinsparungen im Bereich der smarten Technologien und glauben an ausreichendes Volumen für die Marktteilnehmer. Es zeichnen sich auch zunehmend technische Integrationsprozesse der Angebote ab, so dass sich aus dem Deal auch neue Lösungen entwickeln können.“
War es die richtige Entscheidung von Nest, an Google zu verkaufen?
„Smart Home-Lösungen sind immer im engen Zusammenhang mit Smartphone-Funktionen und Online-Diensten zu sehen. Von daher ist die Verkaufsentscheidung aus Sicht der Beteiligten verständlich, wenn eine ganzheitliche Lösung aus Produkt und Dienstleistung entsteht. Wenn mit diesem Kauf der flächendeckende Durchbruch gelingt, bleibt es allen Branchenpartnern allerdings nicht erspart, sich der Frage des Datenschutzes anzunehmen. Hier gilt es dann, eine qualifizierte Diskussion zu praktikablen Lösungen zu führen und die Bedenken der Betroffenen auszuräumen. Gelingt das nicht, könnte die Markterschließung in Deutschland und Europa mit smarten Online-Technologien ins Stocken geraten.“