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Kolumne
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OpenAI in deutschen Behörden: So verspielt Deutschland seine digitale Unabhängigkeit

Ausgerechnet kurz vor dem EU-Gipfel zur digitalen Souveränität preist Digitalminister Wildberger eine SAP-OpenAI-Kooperation für deutsche Behörden. Kritische Infrastruktur und sensible Verwaltungsdaten in den Händen einer Technologie-Konstruktion, die auf allen Ebenen von US-Unternehmen abhängig ist – und das wird als Fortschritt gefeiert?

Von Bernd Korz
4 Min.
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Digitalminister Karsten Wildberger lobt die Kooperation von SAP und OpenAI für deutsche Behörden. (Foto: picture alliance / Jörg Carstensen | Joerg Carstensen)

Man nehme: Modelle von OpenAI, die man über Microsofts Azure-Cloud hostet, mit Nvidia-Hardware trainiert, und dann eine SAP-Tochter, die die Rechenzentren betreibt. Diese Konstruktion soll dann für alle deutschen Behörden und Verwaltungen genutzt werden. Klingt europäisch? Ist es aber nicht.

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Der Blick hinter die Kulissen offenbart die ganze Tragweite dieser Abhängigkeiten: Die technische Infrastruktur basiert maßgeblich auf Microsoft Azure – einer US-Plattform. Die KI-Chips stammen von Nvidia – ebenfalls ein US-Unternehmen. Und OpenAI selbst unterliegt amerikanischer Gesetzgebung, einschließlich des CLOUD Act, der US-Behörden erlaubt, auf Daten zuzugreifen, selbst wenn diese in Deutschland oder der EU gespeichert sind.

Die US-Gesetze umgehen faktisch das europäische Datenschutzrecht.

Gerade für sensible Verwaltungsdaten ist die Datensouveränität damit schlicht nicht gewährleistet. Die US-Gesetze umgehen faktisch das europäische Datenschutzrecht und öffnen eine juristische Hintertür für Zugriffe durch US-Behörden. Es reicht eben nicht, in Marketingtexten Datenschutz zu versprechen, wenn zentrale Bestandteile der Infrastruktur und Datenverarbeitung ausländischer Kontrolle unterliegen.

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Wann haben wir uns eigentlich aufgegeben?

Wann genau haben wir uns in Europa und insbesondere in Deutschland so aufgegeben? Man wird den Eindruck nicht los, dass Wohl und Wehe der deutschen Wirtschaft immer wieder nur an den Automobilherstellern und ihren Zulieferern festgemacht wird – und das vorzugsweise auch noch auf der Basis fossiler Brennstoffe. Wir haben mittlerweile so blankgezogen, dass man sich außerhalb Deutschlands fast schon fremdschämen muss.

Besonders irritierend: SAP war selbst Investor von Aleph Alpha, einem deutschen KI-Unternehmen, das genau solche Lösungen entwickelt – oder besser: entwickeln sollte. Warum investiert man in europäische KI-Entwicklung, um dann doch auf amerikanische Technologie zu setzen? Diese Widersprüchlichkeit ist schwer nachzuvollziehen und sendet fatale Signale.

Europäische Alternativen werden ignoriert

Das Fatale an diesem Vorgehen ist nicht nur die technische Abhängigkeit, sondern auch die Tatsache, dass europäische Alternativen existieren – und gerade massiv an Fahrt aufnehmen. Mistral AI, das französische KI-Unternehmen, hat kürzlich ein milliardenschweres Investment durch das niederländische Unternehmen ASML erhalten. Mit der Eurostack-Initiative gibt es zaghafte Ansätze auf europäischer Ebene. Cloud-Anbieter wie Nextcloud, Upcloud oder OVH bieten etablierte, europäische Alternativen.

Statt diese Initiativen zu fördern und voranzutreiben, lobt unser Digitalminister nun eine Konstruktion, die auf allen Ebenen von US-Technologie durchzogen ist. Das ist nicht nur aus souveränitätspolitischer Sicht fragwürdig, sondern auch wirtschaftspolitisch kurzsichtig. Jeder Euro, der in diese amerikanische Lösung fließt, fehlt beim Aufbau einer eigenständigen europäischen KI-Infrastruktur.

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Die Verwaltung als demokratisches Risiko

Gerade im Bereich der öffentlichen Verwaltung sollte digitale Souveränität oberste Priorität haben. Hier geht es um Bürgerdaten, um demokratische Prozesse, um staatliche Kernaufgaben. Die Abhängigkeit von außereuropäischen Tech-Konzernen ist hier nicht nur ein technisches Risiko, sondern ein demokratisches.

Was passiert, wenn sich die politischen Verhältnisse ändern? Diese Frage ist längst keine hypothetische mehr. Die Rückkehr von Donald Trump und seine protektionistische Agenda haben die geopolitischen Rahmenbedingungen bereits massiv verändert. Genau deshalb müssen wir jetzt Souveränitäts- und Autonomiebestrebungen forcieren und fördern – auf allen Ebenen. Wollen wir wirklich, dass sensible Verwaltungsdaten und kritische Infrastruktur dieser neuen politischen Realität ausgesetzt sind?

Der Widerspruch im Ministerium

Minister Wildberger kann nicht einerseits einen Gipfel zur digitalen Souveränität ausrichten und andererseits Kooperationen loben, die genau diese Souveränität untergraben. Diese Widersprüchlichkeit ist nicht nur verwirrend, sie ist gefährlich. Sie signalisiert der Wirtschaft: „Macht, was ihr wollt – Hauptsache, es funktioniert irgendwie.“ Und sie signalisiert europäischen Anbietern: „Eure Bemühungen werden zwar begrüßt, aber nicht wirklich ernst genommen.“

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Digitale Souveränität ist kein Lippenbekenntnis für Gipfeltreffen.

Digitale Souveränität ist kein Lippenbekenntnis für Gipfeltreffen. Sie erfordert konsequente politische Entscheidungen – auch wenn diese unbequem sind. Sie erfordert, dass wir europäische Lösungen aktiv fördern, selbst wenn sie im ersten Moment nicht ganz so ausgereift erscheinen wie ihre amerikanischen Pendants.

Was jetzt nötig ist

  1. Europa muss endlich vom Reden ins Handeln kommen: Die Politik muss konsequent auf europäische Alternativen setzen: Mistral AI, Aleph Alpha, Nextcloud & Co. Bieten europäische Lösungen, die echte Souveränität ermöglichen.
  2. Klare Vorgaben für die öffentliche Verwaltung schaffen: Behörden müssen verpflichtet werden, vorrangig europäische Technologien einzusetzen, wenn diese verfügbar und geeignet sind.
  3. Die Abhängigkeit von US-Recht ausschließen: Nur so können wir die volle Kontrolle über unsere Daten garantieren.
  4. Politische Geschlossenheit zeigen: Keine widersprüchlichen Signale mehr – wer für Souveränität wirbt, darf keine Abhängigkeiten loben.

Der europäische Gipfel zur digitalen Souveränität am 18. November 2025 bietet die Chance für einen echten Kurswechsel. Doch dafür müssen Worte und Taten endlich zusammenpassen. Die SAP-OpenAI-Kooperation ist das Gegenteil von digitaler Souveränität – sie ist eine Kapitulationserklärung.

SAP hätte mit Mistral kooperieren können. Mit Aleph Alpha (schließlich war man an der 500-Millionen-Euro-Finanzierungsrunde mit Bosch und Schwarz beteiligt). Mit europäischen Forschungseinrichtungen. Stattdessen wurde eine Konstruktion gewählt, die auf allen Ebenen von US-Technologie abhängig ist – und der Digitalminister applaudiert.

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Das ist nicht der Weg zu digitaler Souveränität. Das ist der Weg in die nächste Abhängigkeit. Europa muss aufwachen – und zwar schnell. Nur so bewahren wir die digitale Souveränität Deutschlands und Europas. Und daher sollten wir sehr genau hinsehen, was am 18. November in Berlin besprochen und verkündet wird.

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