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So funktionieren die Methoden von Social Bots und Fake-Accounts

Worüber reden wir eigentlich bei betrügerischem Influencer Marketing oder Meinungsmanipulation in den sozialen Netzwerken? Welche Tools gibt es? Und wie lassen sich Fake-Accounts identifizieren?

Von Jens Pacholsky
8 Min. Lesezeit
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(Screenshot: Pinterest)

Soziale Netzwerke geraten aktuell vermehrt in die Schusslinie. Für politische Ergebnisse und Stimmungsmache werden sie verantwortlich gemacht. Aber auch für die zweifelhafte Marketingrolle selbst vermeintlicher Influencer. Die Netzwerke erscheinen als ein neues „Dallas“ voller Manipulation, Schein und Betrug. Die Frage ist nur: Worüber reden wir hier eigentlich? Und wie bekommt man den Realitätscheck hin?

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Es ist mittlerweile allgemein bekannt, dass zahlreiche Bots in sozialen Netzwerken aktiv sind. Vor allem der Twitter-Account eines passionierten Golfers und nebenberuflichen US-Präsidenten steht dabei im Mittelpunkt des Interesses, dessen Follower ersten Analysen zufolge zu über 50 Prozent aus Bots bestehen sollen. Längst wird über die politische Reichweite der Bot-Gefahr diskutiert, und sicherlich gibt es irgendwann ein unwirksames Gesetz gegen den Einsatz.

Dabei braucht man für die Manipulation in den sozialen Netzwerken gar nicht so sehr auf die großen Accounts schauen. Schon gar nicht muss mit riesigen Botnetzen um sich geworfen werden. Die Manipulation von Likes, Followern und Kommentaren durch Boost-Tools ist in den sozialen Netzwerken längst Alltag.

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Der Nutzen von Boost-Tools in sozialen Netzwerken

Dabei sind die erhältlichen Tools nicht grundsätzlich böse. Die Tools werden erst zur unsauberen Waffe, wenn sie auch als solche genutzt werden. Das Stichwort ist Skalierung. An anderer Stelle können sie als effektive Methode einer passgenauen Zielgruppenansprache und Sichtbarkeitsstrategie durchaus sinnvoll sein.

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Anschubfinanzierung

Gefolgt wird, wem andere bereits folgen. Sichtbar werden Posts, die längst beliebt sind. Und natürlich schaue ich mir einen Post näher an, wenn dieser bereits eine hohe Anzahl an Interaktionen aufweist.

Wer heute in den sozialen Medien startet – ob als Privatperson, Gründer oder Unternehmen – hat den schwarzen Peter gezogen. Die Nischen sind besetzt, die Influenceraccounts unerreichbar, das Grundrauschen ohrenbetäubend. Man leidet unter dem Makel des Zweitgeborenen.

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Doch mit etwas Nachhilfe können sich auch komplette Newcomer im kreischenden Rauschen der sozialen Medien Gehör verschaffen. Es ist eine Art Anschubfinanzierung – die natürlich nur dann nachhaltig wirkt, wenn die Inhalte punktgenau auf die Zielgruppen ausgerichtet sind. Sie kann dann etwas Bewegung in die eigene Positionierung bringen und dafür sorgen, die eigenen Posts in die überfüllten Timelines und Empfehlungen der anvisierten Zielgruppe zu drücken. Das bedarf noch immer einer Content-Strategie und erheblichem Fingerspitzengefühl. Sonst kann sich der eigene Account ganz schnell in den Universen der Social Media verlieren.

Meinungsbildung

Das Hinkebein der Tools ist die ungeheure Skalierbarkeit. Was im Kleinen die eigene Positionierung in Gang setzen kann, bewirkt im Großen schnell ein Besetzen ganzer News-Felder. Im härtesten Fall kann damit eine ganze Debatte gelenkt werden – kurz: populistische Meinungsmache betrieben werden.

Wenn der Post eines mittelgroßen deutschen Politikers binnen einer halben Stunde 4.000 Mal geteilt wird, nimmt ihn ein soziales Netzwerk wie Facebook als relevant wahr und spielt ihn weiter aus. Der Effekt wird verstärkt, wenn der Post mit hoher Interaktionsrate nachfolgend zusätzlich beworben wird. Dabei ist unerheblich, ob die Interaktion echt oder fake ist.

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Es ist die Grundannahme in den Algorithmen der Netzwerke, dass Posts mit hoher Interaktion relevant sind. Nachfrage schafft Nachfrage. Damit wird jede Timeline und die in die Suchmaschinen sickernde Sichtbarkeit manipulierbar. Resonanz bedeutet in sozialen Netzwerken eben Relevanz.

Auch beim Fall des deutschen Politikers könnte im ersten Moment ganz kühl von einer Anschubfinanzierung gesprochen werden. Am Ende bleibt es ein moralisches Dilemma, ob der Zweck die Mittel heiligt. Ist ein aufklärender Post legitimer als ein selbstbeweihräuchernder, werblicher oder gar hetzerischer Post? Welche Ethikkommission entscheidet das? Und wo beginnt der Betrug am Wähler oder den unternehmerischen Auftraggebern?

Bisher kommen Bots über einfachste Sätze und Emojis nicht hinweg. In der Twitter-Timeline fällt das jedoch selten auf. (Screenshot: Twitter)

Boost-Methoden von kleiner Hilfestellung bis harte Blackhat-Tricks

Aktuell gehen zwar die Social Bots durch die Medien. Aber die Manipulation sozialer Medien braucht gar nicht so weit gehen. Es gibt genügend kleine, unscheinbare Methoden, sein eigenes Profil ins Scheinwerferlicht zu rücken.

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1. Das kleine Schummeln für Beginner

In der Social-Media-Promotion und dem Content-Marketing ist das Hijacking von Themen ein alter Hut und Ware für das erste Semester des Marketingnachwuchses. Suche aktuelle Trends oder News und springe mit deinem Post auf den Zug auf. Recherchiere relevante Keywords und nutze diese wie ein SEO-Pro.

Verschiedenste Social-Media-Dashboards unterstützen diese einfache Basisrecherche längst mit Hashtag- und Trendanalysen. Instagram erlaubt über seine API die Abfrage von Nutzern, die aktuell einen bestimmten Hashtag verwenden. Damit kann man nicht nur die Reichweite abschätzen, sondern auch Hashtag-Clouds mit verwandten Hashtags auslesen.

Andere Plattformen wie Tagitbest oder Tagsforlikes bieten einem gleich gebündelt aktuell trendy Hashtags für verschiedene Kategorien. Diese können in die eigenen Posts kopiert werden und sollen eine bessere Positionierung in den News-Listen garantieren. Glauben sollte man dem nie blind. Testen kann man es auf jeden Fall.

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2. Gezielt Sichtbarkeit anfeuern

Ein weiterer Weg ist die oben bereits angedeutete Anschubfinanzierung. Ein klassisches Werkzeug für Instagram ist zum Beispiel das Karussellprinzip bei der Like-Generierung. Dafür liket man in einem Werkzeug wie Gramblr Bilder von anderen Gramblr-Nutzern. Jedes Like generiert Coins, für die man wiederum Likes von den anderen Nutzern erwerben kann. Apps wie Real Followers for Instagram funktionieren ebenfalls nach der like-for-like-Regel und bieten zudem ein follow-for-follow-Karussell an. Der Vorteil hierbei: Es handelt sich größtenteils um echte Nutzeraccounts. Mit etwas Fingerspitzengefühl kann man so seinen noch unbekannten Post ein wenig ins Scheinwerferlicht rücken und erst einmal auf sich aufmerksam machen.

Andere Werkzeuge wie Ninjagram oder Ninjapinner erlauben die Identifikation von Post- oder Nutzer-IDs auf Instagram beziehungsweise Pinterest, die bestimmte Hashtags bedienen. Diese können nachfolgend mit Likes/Repins und Follows beworfen werden. Das Programm kann jedoch mehr und erlaubt im zweiten Schritt auch eine vollautomatische Skalierung der Aktivitäten.

Das Karussellprinzip: Ich like Bilder und erhalte eine Gutschrift, um von anderen für eigene Posts geliket zu werden. (Screenshot: Gramblr)

3. Kommunikation skalieren und automatisieren

Der Übergang zum Blackhat-Trick ist fließend und muss nicht auf ein bestimmtes Werkzeug festgelegt werden. Vielmehr haben alle Werkzeuge das Potenzial, sich in der grauen Zone der Social-Media-Arbeit zu bewegen. Es ist eine Frage der Skalierung. In Ninjagram können den identifizierten Instagram-IDs zum Beispiel im großen Maßstab vollautomatisch Likes und Follow-Anfragen zugesendet werden. Ziel ist hierbei, vom beglückten Nutzer ein Follow beziehungsweise ein Like auf einen eigenen Post zurückzuerhalten. Einen noch höheren Automatisierungsgrad erreicht man durch eingekaufte oder selbstprogrammierte Bot-Programme, die sich ebenfalls an die APIs der Netzwerke hängen und 24/7 arbeiten. In Kombination mit mehreren Hundert Fake-Accounts kann man sich schnell selbst in die Ranglisten befördern.

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Andere Tools und vermehrt verschiedene Dienstleister ermöglichen es, im großen Stil Likes, Klicks, Retweets, Kommentare und Follower auf den verschiedenen Netzwerken einschließlich Youtube, Pinterest und Soundcloud einzukaufen. Wer hier mit einem Mal 10.000+ Follower auf seinen Account bringen möchte, darf jedoch davon ausgehen, dass Botfarmen hinter den Angeboten stecken. Mit echten Nutzern und Fans kann man dann nicht mehr rechnen. In Russland sorgen seit Mitte des Jahres Automaten in Einkaufszentren für Furore, an denen man direkt Fake-Likes und Follower kaufen kann.

Katz- und Mausspiel zwischen Authentizität und Betrug

Die sozialen Netzwerke selbst reagieren auf diesen Missbrauch, indem sie Bots und Fake-Accounts identifizieren und löschen. So kommen auch die plötzlichen und oft sehr hohen Zusammenbrüche der Fanzahlen bei großen Influencer-Accounts zustande. Darauf reagieren wiederum die Anbieter von Fake-Fan-Einkäufen. Sie versprechen ihren Kunden eine Gutschrift über gelöscht Likes und Fans oder bieten direkt das fließende Aufstocken durch neue Fake-Accounts.

Manchmal erlauben aber auch die Netzwerke selbst ein hohes Maß an Manipulation durch ihre Programmierung. So gewährt Twitter über seine API Schreibrechte (Instagram zum Beispiel vergibt nur Leserechte). XING dagegen besitzt keine Reloadsperre. Öffne ich einen Beitrag in einem Forum und lade die Seite wiederholt neu, zählt jedes Refresh als neue Ansicht. So lässt sich schnell eine vermeintliche Relevanz vorgaukeln, die insbesondere in der Google-Suche Früchte trägt.

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Genau bei dieser Skalierung steckt in der Politik sowie öffentlichen Diskussionen denn auch die Gefahr der Meinungsmanipulation. Beim Influencer Marketing geht es in Richtung Betrug, wenn Unternehmen damit irregeführt werden. Umso wichtiger ist die Überprüfung der Fakten und der Quelle eines Posts  sowie die Prüfung der Account-Authentizität.

Das gilt mittlerweile nicht nur für jeden User und jedes Unternehmen, sondern auch für Medienanstalten und Journalisten.

Wie einfach Unternehmen dem Betrug zufallen, zeigte jüngst der Fall Mediakix. Die US-Amerikanische Marketingagentur kreierte als Experiment zwei Instagram-Accounts, die sie mit Stockphotos und gekauften Fans befeuerte. Innerhalb weniger Wochen hielten sie die ersten Deals für Sponsored Content in den Händen.

Über verschiedene Werkzeuge können soziale Aktionen wie Likes, Pins und Kommentare automatisiert werden. (Screenshot: Ninjapinner)

Indikatoren für Fake-Accounts und frisierte Posts

Die Überprüfung, ob ein Post oder ein Account unverhältnismäßig gepusht wurde, ist nicht immer ganz einfach. Mittlerweile bieten Plattformen wie Twitteraudit, Socialauditpro und Botometer in einem gewissen Rahmen die Möglichkeit, die Botdichte im Followship von Accounts abschätzen zu lassen. Diese Dienste sind jedoch in der Regel kostenpflichtig und nicht sehr transparent.

Es gibt jedoch Indikatoren, anhand derer auf die Echtheit zurückgeschlossen werden kann. Für deren Überprüfung bedarf es weder des Zugriffs auf die API eines Netzwerkes noch harte Programmierskills:

  • übermäßig mehr Abonnenten als Fans
  • sehr schlechte Fotos, generisches Profilbild
  • hoher Anteil gelikten oder geteilten Contents gegenüber sehr geringer Anzahl eigenen Contents
  • Profile ohne jeglichen externen Content mit sehr hoher Anzahl generischer Eigenposts (Schreibautomatismus)
  • sehr schneller Anstieg der Sharings direkt nach dem Posting, insbesondere im Verhältnis zu den Fans
  • Like-Verhalten des Nutzers zeigt folgende Struktur: Je Account werden drei bis fünf aufeinander folgende Posts geliket/retweetet, danach gibt es keine weitere Interaktion mit dem Account
  • starke Sprünge in den Likes der letzten 20 Beiträge
  • teilende und likende Nutzer sind aus einem Land, das mit dem Thema wenig zu tun hat (insbesondere bei politischen Posts)
  • generische Sprache bei eigenen Posts
  • wiederkehrende Textbausteine bei Posts und Kommentaren (Spinning-Syntax)
  • Einbrüche der Followerzahlen durch Löschen von Fake-Accounts durch die Betreiber der sozialen Netzwerke
  • Twitter/Instagram: reichweitenstarke Hashtags in Posts, die nichts mit dem Thema zu tun haben (Stadtnamen, Trendthemen, Verweise auf Tools wie like4like, follow4follow oder tagsforlike)
  • Twitter/Instagram: Verwendung von 30 oder mehr Hashtags je Beitrag
  • Facebook: viele Follower, aber wenig Interaktion auf dem Account
  • Facebook: sehr schnelle Abfolge von Postings zu komplett unterschiedlichen Themen

Im Monitoring machen sich Fake-Fans durch plötzliche Einbrüche bei der Fanzahl bemerkbar. (Screenshot: Pontipix)

Eine überprüfbare, klare Einschätzung eines Nutzers in sozialen Netzwerken bedarf jedoch einer Detailanalyse. Über die API eines Netzwerkes können auch die Grunddaten der Accounts (Name, ID, Deeplink, Postingzahl, Likes etc.) ausgelesen werden. Bei Twitter erfährt man darüber zusätzlich, welche Software für das Posting verwendet wurde. So hinterlassen Postingdienste (zum Beispiel von Deliverit oder ifttt.com) Spuren, die Hinweise auf Automatisierungsmechanismen geben.

Da die Nutzung der APIs etwas aufwendiger ist und den Rahmen dieses Artikels sprengen würde, haben wir euch beispielhaft für Instagram ein kleines How-To zusammengestellt. Mit Hilfe dieser Anleitung könnt ihr in Zukunft selbstständig Posts und Accounts auf deren Echtheit überprüfen.

Denn am Ende muss jeder selbst entscheiden, wem und was er in den sozialen Netzwerken sein Vertrauen schenkt.

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arnego2

Klasse Artikel, hoffentlich lesen ihn auch viele und lernen dadurch sich nicht so einfach über den Tisch ziehen zu lassen (sich beeindrucken lassen). Darin liegt der Kernpunkt, der User ist im allgemeinen nicht sehr aufgeklärt.

Ein Vortrag in den Schulen, schickt den Artikel an die Lehrer, die dann auch den Eltern etwas erzählen können. Aufklärung tut not.

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