Anzeige
Anzeige
Feature

Solid: Wie WWW-Erfinder Tim Berners-Lee ein neues, besseres Internet plant

Entgegen dem Wunsch seines Erfinders wird das WWW heute von einer Handvoll Quasi-Monopolisten dominiert. Mit seinem Projekt Solid will Web-Erfinder Tim Berners-Lee diese Datensilos aufbrechen.

Von Enno Park
3 Min.
Artikel merken
Anzeige
Anzeige
W3C-Direktor und Web-Erfinder Tim Berners-Lee. (Foto: Shutterstock.com)

Als Tim Berners-Lee am 12. März 1989 seinem Arbeitgeber vorschlug, ein System zum Management von Information auf der Basis von Hypertext zu entwickeln, ahnte kaum jemand, wie sehr seine Idee das Internet und die Welt verändert würde. Wer Zugriff auf einen Webserver hatte, konnte Dokumente online stellen und mit anderen Dokumenten auf der ganzen Welt verlinken. Die meisten Experten glaubten, das Rennen würden kontrollierte Dienste wie AOL oder Compuserve machen, weil diese übersichtlicher seien, doch all die vielen Webseiten im wilden WWW waren auf Dauer interessanter und die klassischen Online-Dienste verschwanden.

Anzeige
Anzeige

Allerdings entwickelte sich das Web nicht so ganz wie im Sinne des Erfinders. Heute wird es von einigen großen Anbietern wie Google, Facebook, Amazon oder Netflix dominiert, die viele Daten über ihre Nutzer sammeln und zugleich kontrollieren, welche Inhalte diese Nutzer zu Gesicht bekommen. Ihre Geschäftsmodelle basieren allesamt darauf, Dienste aufgrund von Daten anbieten zu können, die sie in Silos speichern und eifersüchtig hüten. Ein Beispiel: Es wird häufig behauptet, Facebook verkaufe die Daten seiner Nutzer. Das stimmt so nicht. Im Gegenteil, Facebook hütet diese Daten wie einen Schatz, verkauft aber auf ihrer Basis Werbeplätze.

Linked Data: Ein WWW für Daten aller Art

Die Bedeutung von Daten zeichnete sich früh ab. Bereits 2006 entwickelte Tim Berners-Lee das Konzept von Linked Data. Nicht mehr nur Dokumente sollten vernetzt in einem standardisierten Format veröffentlicht und verlinkt werden, sondern Daten aller Art. Regierungsdaten, Wetterdaten, Forschungsdaten und sogar persönliche Daten sollen auf viele Server verteilt online gestellt werden, um in diesen Daten suchen zu können, von Link zu Link zu springen und aus immer neuen Kombinationen Erkenntnisse ziehen zu können. Bekannte Projekte, die diesem Konzept folgen, sind Wikidata oder auch das EU-Open-Data-Portal.

Anzeige
Anzeige

Doch natürlich wird niemand sein persönliches Adressbuch bei Wikidata hochladen wollen. Um den Nutzern die Kontrolle über die Daten zurückzugeben, entwickelte Tim Berners-Lee seine Idee weiter, und nannte sie Solid. Das Kürzel steht für Social Linked Data. Persönliche und soziale Daten wie Kontakte, Freundeslisten, Blogposts, Gesundheitsdaten oder auch Bankbewegungen sollen in verschiedenen Containern gespeichert werden, so genannten Pods. Jeder Pod kann irgendwo liegen: auf der lokalen Festplatte, dem Firmenserver, im eigenen Webspace oder bei einem Cloud-Anbieter. Für jeden Pod lässt sich einstellen, wer darauf zugreifen darf. Benutzt jemand zum Beispiel ein Fitness-Armband, werden die Daten im Pod für Gesundheitsdaten gespeichert. Wer dann von einem Anbieter zum anderen wechseln möchte – etwa von Fitbit zu Apple Health – entzieht dem alten Anbieter die Rechte und gewährt sie dem neuen. Genauso könnte ein Umzug von einem sozialen Netzwerk in ein anderes vonstatten gehen. Die Macht der Datensilos wäre gebrochen.

Anzeige
Anzeige

Echte Solid-basierte Dienste fehlen noch

Seit Tim Berners-Lee Solid vor etwa zwei Jahren vorstellte, hat sich einiges getan. Das Qatar-Computing-Research-Institute und Mastercard haben das am MIT beheimatete Projekt mit Millionensummen gefördert. Das Team stellt Beispielanwendungen bereit, die interessierte Entwickler sich bei Github besorgen können. Darunter finden sich Anwendungen wie ein Adressbuch, das Kontakte verwalten und freigeben kann, ein Twitter-ähnlicher Microblogging-Dienst namens Cimba oder ein Tool, mit denen Wissenschaftler kollaborativ ihre Paper veröffentlichen können.

Doch das sind alles noch Prototypen. Echte Projekte in freier Wildbahn scheint es noch nicht zu geben. Das ist wenig überraschend, denn Unternehmen, deren Geschäftsmodelle auf Datensilos basieren, werden wenig Interesse an Techniken wie Solid haben. Und Startups, die „das nächste Facebook“ anbieten, aber Daten nicht selbst sammeln, werden Schwierigkeiten bekommen, Investoren zu überzeugen. Tim Berners-Lee verweist auf Community-Projekte wie die Wikipedia oder der Open Streetmap und hofft auf eine Graswurzel-Bewegung, die Solid einmal ähnlich populär machen soll wie zuvor das Web. Bis dahin muss sein Team aber noch einige offene Fragen beantworten. Zum Beispiel, wie verhindert werden soll, dass Dienste, die auf einen Pod zugreifen dürfen, diese Daten nicht trotzdem in ihren eigenen Silos speichern.

Anzeige
Anzeige

Solid könne eine kritische Masse erreichen, wenn immer Menschen der Ansicht sind, dass ihre Daten ihnen gehören und das auch einfordern. Dieses Ziel liegt aber noch in weiter Ferne. Datenschutzskandale bis hin zur Überwachung durch die NSA konnten bisher wenig an der Bequemlichkeit der Nutzer ändern oder daran, dass alle bei Facebook sind, weil alle anderen auch bei Facebook sind. Aber vielleicht bekommen Konzepte wie Solid ihre Chance, sobald die Community Dienste bereit stellt, die alle nutzen wollen, weil sie einfach und praktisch sind.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
Schreib den ersten Kommentar!
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige