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Interview

Sound-Designer zu E-Autos: „Es wird keine Dauerbeschallung geben“

Auch wenn es uns nicht immer auffällt: Alles um uns herum macht Geräusche, und von der Chipstüte über die Kaffeemaschine bis zur Autotür steckt dahinter viel Planung und Wissenschaft. Einer dieser Sound-Designer ist Angelo D’Angelico, mit dem wir gesprochen haben.

Von Frank Puscher
6 Min.
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(Foto: Shutterstock)

Er hat für den Tatort den Ton gemischt und bei McDonald’s-Spots für den guten Klang gesorgt. Vor sechs Jahren beriet er die Vereinten Nationen, wie Elektro-Autos zu klingen haben. Und heute interessiert ihn vor allem, wie sich Licht anhört und ob die Verpackung beim Aufreißen eine Melodie macht. Wir haben mit dem Sound-Designer Angelo D’Angelico gesprochen.

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t3n: Herr D’Angelico, Sie waren einer der ersten, die das Thema Akustik bei der Sicherheit von Elektrofahrzeugen ins Spiel gebracht haben. Wie kam das?

Angelo D’Angelico: „Die akustische Performance kleiner Kaffeemaschinen ist ja wirklich erbärmlich.“ (Foto: Angelo D’Angelico)

Angelo D’Angelico: Es gab 2011 Artikel, die über Unfälle und Beinaheunfälle berichteten, die ihre Ursache im geräuscharmen Fahren haben sollten. Wir haben dem Verkehrsministerium angeboten, das genau zu untersuchen. Insgesamt waren es zwei- bis dreihundert Artikel. Als wir die zum Ursprung verfolgten hatten, blieben noch fünf Artikel übrig. Alle anderen waren davon abgeleitet. Und auch bei den letzten fünf konnte nicht verifiziert werden, dass wirklich etwas passiert ist. Das war natürlich zu wenig.

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Dann haben wir begonnen, dass selbst zu recherchieren und sind auf etwa zehn Szenarien gestoßen, in denen das fehlende Geräusch eines Motors mit ein Faktor für gefährliche Situationen war.

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t3n: Können Sie dafür ein Beispiel nennen?

Alle hatten eines gemeinsam: Sie bezogen sich nur auf Situationen mit geräuscharmer Umgebung. Das können Großparkplätze sein oder Wohngebiete. Situationen, in denen sich der Mensch zunächst mit dem Ohr orientiert, weil er darauf vertraut, dass diese Orientierung erst einmal genügt. Das Visuelle wird hier noch nicht benötigt.

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Was wir außerdem festgestellt haben ist, dass der Mensch deutlich darauf reagiert, wenn sich der synthetische Sound ähnlich anhört wie ein klassischer Verbrenner. Er erwartet zum Beispiel ein Ansteigen der Tonhöhe bei höheren Geschwindigkeiten.

Das habe ich 2013 der UN vorgestellt und vermutlich damit die Richtung der Gesetzgebung doch beeinflusst. Heute steht im Gesetz, dass ein Elektroauto wie ein „Fahrzeug“ klingen muß.

t3n: Haben Sie einen optimalen Sound im Kopf? Wie klingt der?

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Man muss die Trennung zwischen Avas-Pflichtklang und Markenklang genau vornehmen. Im Bereich Pflichtklang kann man den noch etwas nach unten drücken. Was die Markenklänge angeht, bin ich immer mehr der Meinung, dass die Versuche, die Umgebung künstlich zu beschallen, zum Scheitern verurteilt sind.

Für realistischer halte ich, dass sie Fahrzeuge Sensoren haben, die die Fahrsituation erkennen und dann situationsspezifisch Töne ausspielen. Wenn sich ein elektrisches Fahrzeug von hinten nähert, könnte es die Situation bewerten und einen auch zur Marke passenden Klang ausspielen: „Paß auf, ich bin auch da.“ Es wird keine Dauerbeschallung geben.

Und hier reden wir dann von einer umfassenden Kommunikation durch das Auto. Das gilt auch für Warnklänge oder Hinweise in der Kabine. Leider musste ich aber bisher feststellen, dass die Verantwortlichen wenig Ahnung von aktuellem Sound-Design haben. Das hat sich ja in den letzten Jahren unglaublich weiterentwickelt. Die kommen dann gerne mit dem Windows98-Klang oder Star Wars. Da ist noch ein weiter Weg zu gehen, bis man von der Ingenieurssicht zur Designsicht kommt.

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t3n: Würde man also eher auf die Möglichkeiten der mechanischen Ton-Erzeugung schauen, sodass die Autos selbst ein wiedererkennbares Geräusch machen?

Das ist ein guter Punkt. Das ist der Ansatz den wir verfolgen. Wir schauen erst mal auf die mechanische Sound-Erzeugung. Bisher ist mir keine Firma bekannt, die das versucht. Dabei geht es sehr gut. Wir haben ja den Fahrtwind beim Beschleunigen. Was man damit alles akustisch im Bereich des „Kühlergrills“ machen könnte, wäre enorm. Ein mechanischer Klang würde natürlich auch viel eher Akzeptanz bekommen als ein künstlich erzeugter. Ob man das braucht, sei dahingestellt.

t3n: Und wenn wir in den Innenraum schauen?

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Da wird es viel spannender. Da habe ich ja die Freiheit, etwas zu designen. Und da wird in den nächsten Jahren alles neu werden, wenn wir an autonomes Fahren denken. Und das autonome Fahrzeug muss ja mit dem Passagier kommunizieren. Auf der einen Seite gibt es Warnmeldungen, die aber nicht dominant und gängelnd sind. Auf der anderen Seite reine Bestätigungssignale zum Beispiel beim Einrasten des Sicherheitsgurts. Das ist ein ganz spannendes Thema.

t3n: Dehnen wir das Thema aus auf Marketing und Sound-Design. Wie oft fällt Ihnen im Alltag etwas auf, wo Sie sagen: Wieso denken Marken nicht an Sound-Design?

Das gibt es haufenweise. Denken Sie an die kleineren Kaffeemaschinen mit Kapseln. Wenn man sich die akustische Performance dieser Geräte anhört, das ist ja wirklich erbärmlich. Ich weiß nicht, was das kommunizieren soll außer Lärm. Das könnte man viel hochwertiger machen.

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Dann ist es oft so, dass man hochwertige Produkte in Verpackungen steckt, die beim Aufreißen oder Aufschrauben quietschen oder unangenehm klingen. Das kann man verbessern.

Ich bin aber kein so ganz großer Freund von Audio-Logos. Das findet ja zum Beispiel in der Warteschleife einer Hotline auch dann statt, wenn schlecht über meine Marke gedacht wird. Und die Assoziation sitzt dann erst mal fest.

Was für mich fehlt, ist dass man stärker versucht, das was man mit einer Marke kommunizieren will, auch ganz haptisch am Produkt um zu setzen. Das ist ja auch nicht nur Marketing sondern auch ganz praktisch. Wenn Sie beim Deckel eines Kosmetiktopfs eine kleine Kante einbauen, dann hat der Benutzer das ganz haptische Feedback, wenn er sicher geschlossen ist. Die Hand ist ja auch akustisch.

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t3n: Gibt es solche Anfragen von Unternehmen?

Ja, die gibt es schon, aber nicht viele. Wir haben die Öffnungsgeräusche von PET-Flaschen verändert oder von Kronkorken. Oder denken Sie an das Aufreißen eines Kartons. Wir haben das so designt, dass jedes Mal beim Öffnen immer dieselbe Melodie ertönt. Und das haben wir quer durch die Produktpalette gemacht. Das ist Sound-Design und das führt zur Differenzierung gegenüber den Discountmarken.

Auch in der Kosmetikindustrie haben wir gearbeitet. Da geht es zum Beispiel um die Öffnung eines Lippenstifts. Da ertönt aus dem Unterdruck ein „Plopp“, wenn die Kappe abgezogen wird. Auch das haben wir für einen Hersteller so verändert, dass es wertiger klingt.

t3n: Gibt es auch zielgruppenspezifische Sounds?

Ja, ebenfalls in der Kosmetikbranche. Da haben wir sehr neue Sounds für eine Produktlinie für Männer entworfen. Das haben wir sehr breit im Markt analysiert und festgestellt, dass kaum jemand die Unterscheidung zwischen Männern und Frauen macht. Dabei reagieren die ganz anders auf Klänge oder auf die Sprühintensität. Beim Verpackungsdesign ist das jedem klar, beim Sound-Design muss es sich erst noch rumsprechen.

Das merkt der Käufer nicht unmittelbar, weil damit auch nicht geworben wird. Aber er hat unterschwellig das Gefühl, ein männlicheres Produkt in der Hand zu halten.

t3n: Das Thema Sound-Design bekommt im Zeitalter von Alexa neue Nahrung, aber Sie sind kritisch Soundlogos gegenüber.

Die Smartspeaker selbst kommen ja sehr puristisch daher. Hier spielt eher die Wahl des Sprachstils eine Rolle, oder, wenn man wie Bose Hersteller eines solchen Geräts ist, wäre die Auswahl einer Stimme ein wichtiges Kriterium. Das ist sehr aufwendig. Und die Verträge sind zwar lukrativ aber knüppelhart. Die Sprecher müssen über Jahre für ein Produkt exklusiv zur Verfügung stehen.

Was Systemklänge angeht, sind die Hersteller von Smartspeakern ja sehr zurückhaltend. Entweder weil sie klug und weitsichtig sind oder weil sie Studien dazu haben. Die wollen auf keinen Fall, dass den Usern die Smartspeaker auf die Nerven gehen.

t3n: Wie sieht es mit Marken aus, die sich in diesem Umfeld positionieren. Da gäbe es eigene Skills oder eben der datengetriebene Radiospot.

Wenn ein Skill aufgerufen wird, macht ein Startgeräusch ja durchaus Sinn. Das ist eine vom Nutzer initiierte Aktion, da gibt es Platz für akustisches Feedback. Das ist ein aktiver Vorgang.

Aber von den Marken selbst kommen in dieser Hinsicht keine Anfragen.

Und da gibt es natürlich auch sehr knifflige Fragen, zum Beispiel in Sachen Lizenzierung. Wie sieht das Vertragsmodell für eine Plattform aus, von der wir heute noch gar nicht wissen, wie groß sie eigentlich wirklich werden kann?

Das habe ich jetzt auch bei einem neu gebauten Auto, für das wir eine ganz neue Klangwelt entworfen haben. Da weiß heute keiner, wie erfolgreich der mal wird. Ich habe da mal eine Variable in den Vertrag reingeschrieben, die das berücksichtigt. Mal sehen, was da passiert.

t3n: Herr D’Angelico, vielen Dank für dieses Gespräch.

Passend dazu: Sound-Design für E-Autos – Nähmaschine oder Düsenjet

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Dein t3n-Team

Torsten Kalwass

Also…

1. Alle behaupteten Szenarieren waren Blödsinn bzw. „Fakenews“ wie es heute so schön heißt.
2. Die Konsequenz daraus: „Dann haben wir begonnen, dass selbst zu recherchieren und sind auf etwa zehn Szenarien gestoßen, in denen das fehlende Geräusch eines Motors mit ein Faktor für gefährliche Situationen war.“ und irgendeine komische Gesetzgebung, die den Arbeitsplatz des Sound Designers sichern soll…

… denn wenn es hart auf hart kommt, wird das autonome Fahrzeug wohl einfach nur abbremsen. Problem gelöst. Und ja, das kann auch über Hindernisse hinwegsehen bzw. hindurch.

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