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Wie Startups das Krankenhaus digitalisieren wollen

Obwohl moderne Technologien dafür sorgen können, die Arbeit in Krankenhäusern deutlich zu verbessern, läuft dort noch immer vieles analog. Ab 2021 könnte sich das endlich von Grund auf ändern.

Von Noëlle Bölling
6 Min. Lesezeit
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In Krankenhäusern läuft noch vieles analog. (Foto: Guschenkova / shutterstock)

2019 kam es in Deutschland zu knapp 1.600 Behandlungsfehlern. Laut Bundesärztekammer trugen mehr als 38 Prozent der betroffenen Patienten dadurch einen dauerhaften Schaden davon und in jedem 18. Fall kam es sogar zum Tod. Die Gründe hierfür, nämlich Zeitmangel oder veraltetes Fachwissen, sind nicht nur ärgerlich, sondern dank modernster Technologien oft auch vermeidbar.

Pandemie sorgt für Digitalisierungsboom

„Wir leben in einem Zeitalter, in dem wir vieles in unserem Alltag mit dem Handy steuern. Die Patientenerfahrung in Kliniken und Krankenhäusern hingegen hat sich in den letzten 50 Jahren nicht maßgeblich verändert“, berichtet Andre Heeg, der als Managing Director und Partner bei der Startup-Schmiede BCG Digital Ventures täglich mit innovativen Ideen und Lösungsansätzen zu tun hat. Dass diese vor allem im Gesundheitswesen gebraucht werden, belegt der Krankenhaus-Report des Wissenschaftlichen Instituts der AOK. Zur Einschätzung des Digitalisierungsgrades wurde hier das sogenannte Emram-Modell herangezogen, das von der US-amerikanischen Nonprofit-Organisation HIMSS entwickelt wurde. Demnach erreichten deutsche Krankenhäuser auf einer Skala von 1 bis 7 im Schnitt nur einen Wert von 2,3 – und liegen damit weit hinter dem EU-Durchschnitt. „Prinzipiell sind Ärzte offen gegenüber modernen Methoden, doch bei Krankenhäusern ist die Landschaft diverser“, berichtet Kei Müller, der mit dem Startup Ebenbuild derzeit selbst an der Entwicklung einer KI-basierten Beatmungstechnologie beteiligt ist. „Die Digitalisierung ist je nach Haus unterschiedlich weit fortgeschritten. Es gibt viele Kliniken, die noch immer fast ausschließlich handschriftlich dokumentieren, während andere bereits über eine fortschrittliche digitale Infrastruktur verfügen.“

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Die Coronakrise könnte die Digitalisierung dieses von Rückständigkeit geprägten Flickenteppichs nun um mindestens zwei Jahre beschleunigt haben. Zumindest sagten dies 78 Prozent von insgesamt 500 Insidern aus der Gesundheitswirtschaft, die ihm Rahmen einer Studie von der Unternehmensberatung Roland Berger befragt wurden. Denn Tatsache ist: Um das Infektionsrisiko möglichst gering zu halten und dennoch jedem die medizinische Versorgung bieten zu können, die er braucht, wurden digitale Alternativlösungen wie die Videosprechstunde quasi über Nacht unabdingbar. Damit diese Entwicklung nicht mit dem Ende der Pandemie erneut zum Stillstand kommt, will der Bund ab Januar 2021 drei Milliarden Euro bereitstellen. Diese sollen Krankenhäuser und Kliniken dafür nutzen, um in ihre IT-Sicherheit und die Digitalisierung der internen Prozesse zu investieren.

Zwischen Wunsch und Wirklichkeit

Zeit ist Geld – auch im Krankenhaus. Trotzdem erfolgen viele Arbeitsschritte in medizinischen Einrichtungen noch immer analog, sind ineffizient und intransparent und bringen deshalb ein hohes Fehlerrisiko mit sich. Sievert Weiss, der vor der Gründung der medizinischen Lernplattform Amboss selbst als Mediziner praktizierte, berichtet: „Als ich noch als Arzt arbeitete, musste ich bei vielen Patienten häufig aufs Neue herausfinden, unter welchen Vorerkrankungen sie leiden, welche Medikamente sie einnehmen und welche Eingriffe bereits durchgeführt worden waren. Jedes Mal mussten der Hausarzt oder die zuletzt behandelnden Krankenhäuser aufgespürt und angerufen werden, um die nötigen Informationen zugefaxt zu bekommen. Und das ist nur einer der vielen mühsamen Verwaltungsaufwände, die in Summe bis zu einem Drittel der ärztlichen Arbeitszeit aufzehren.“

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Was es braucht, damit weniger dieser ohnehin schon knappen Ressourcen verschwendet werden, ist in erster Linie ein besserer und einheitlich geregelter Zugang zu Patientendaten. Die elektronische Patientenakte soll genau dieses Loch stopfen. Ab 2021 kann jeder gesetzlich Versicherte diese bei seiner Krankenkasse anfordern. „In Dänemark beispielsweise wurde bereits 1977 ein nationales Patientenregister eingerichtet, das Daten zu Krankenhausbesuchen und Diagnosen sammelt und eine Plattform bietet, über die Patienten und verschiedene Gesundheitsdienstleister auf diese Informationen zugreifen können“, berichtet Weiss. Unsere dänischen Nachbarn haben daher schon länger die Möglichkeit, umfangreiche Analysen von Gesundheitsdaten durchzuführen und so zu ganz neuen Erkenntnissen zu gelangen. Diese können nicht nur der gesamten Gesellschaft zugute kommen, sondern bieten auch das Potenzial, die bisher aufgewendeten Kosten extrem zu senken. „Erst kürzlich wurde in einer aktuellen Marktstudie hochgerechnet, dass allein durch das Nutzen von papierlosen Daten rund drei Milliarden Euro an Einsparungspotenzial möglich wären“, meint Robert Hutter, der als CEO bei dem Software-Anbieter Firestart tätig ist. Besonders im Zuge der Corona-Pandemie ist das für viele medizinische Einrichtungen längst von der Kür zur Pflicht geworden ist. Die Vielzahl von Eingriffen, die aufgrund der derzeitigen Ausnahmesituation verschoben oder ganz abgesagt werden mussten, haben nämlich einen tiefen Riss in die Flanke der Kliniken gerissen, von denen aus dem vergangenen Jahr nicht einmal ein Drittel mit einem Minus hervorgegangen ist. 2020 sieht es vor allem bei den großen Häusern mit mehr als 1.000 Betten düster aus: Hier rechnen 72 Prozent mit einem Defizit. „Durch die Entlastung kann sich das medizinische Personal mehr auf seine Kernaufgabe, nämlich das Betreuen der Patienten, fokussieren“, so Robert Hutter.

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Neue Technologien, neue Möglichkeiten

Diejenigen, die am meisten von der Digitalisierung und Automatisierung zumindest einiger Teilprozesse profitieren könnten, sind die Angestellten und die Patienten selbst. Schnell und unkompliziert auf Informationen zugreifen und die richtigen Schlüsse daraus ziehen zu können, ist hierfür allerdings das A und O. Doch während wir es in den meisten Teilen unseres Lebens längst gewohnt sind, das Internet nach Rat zu fragen, fehlt eine solche schnelle und unkomplizierte Möglichkeit im Arbeitsalltag der Ärzte und Pfleger häufig noch immer komplett. Weiss möchte das dringend ändern und verfolgt mit Amboss deshalb das Ziel, den aktuellen medizinischen Wissensstand bequem zugänglich zu machen – ähnlich wie ein medizinisches Wikipedia. So können Klinikärzte ganz einfach per Smartphone oder Tablet auf die Amboss-Suchmaschine zugreifen und fächerübergreifendes Wissen abrufen, das täglich aktualisiert wird.

Doch die Vorteile gehen noch weit darüber hinaus. Bisher sind viele Diagnosen und anschließende Therapien für die Patienten kaum verständlich. Aus diesem Grund sorgen sie häufig für ein hohes Maß an Verunsicherung. Andre Heeg von BCG Digital Ventures erklärt: „Der Heilungsprozess von Patienten hört selten mit ihrer Entlassung aus dem Krankenhaus auf. Viele müssen zum Beispiel ihre Ernährung nachhaltig umstellen oder Krankengymnastik in Anspruch nehmen. Im Rahmen des Gesetzes zur digitalen Versorgung, das Ende 2019 in Kraft trat, sollen auch spezialisierte digitale Anwendungen, auch Diga genannt, verfügbar gemacht werden. Diese können einerseits den Patienten dabei helfen, ihren neuen Alltag zu strukturieren. Andererseits unterstützen sie Ärzte dabei, den Rehabilitationsprozess zu tracken. So könnte der Einbezug von Diga-Krankenhäusern und Kliniken dabei helfen, den Behandlungserfolg von Patienten langfristig zu sichern.“

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Die Zukunft beginnt jetzt

Was es braucht, um das in die Praxis umsetzen zu können, ist zunächst die richtige Infrastruktur. Mit seiner Process Management Software hat Firestart es sich zum Ziel gesetzt, genau dieses Problem nachhaltig zu lösen. Mit seiner Plattform hilft es medizinischen Einrichtungen dabei, Prozesse ganzheitlich zu modellieren und agiert hier als Bindeglied zwischen Menschen und Systemen. So lassen sich Aufgaben automatisieren oder besser auf die verantwortlichen Mitarbeiter verteilen, was die gesamte Bearbeitungszeit deutlich reduziert. Mit einer Software wie der von Firestart schaffen Kliniken und Krankenhäuser sich somit die Grundlage, um die vorhandenen Daten aus mehreren Quellen zusammenzufassen und so in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.

Leider wird es Newcomern im Gesundheitswesen noch immer nicht ganz leicht gemacht, ihre smarten Ideen zu etablieren und den Krankenhausbesuch, wie wir ihn bisher kannten, von Grund auf zu revolutionieren. Das stellt auch Kei Müller von Ebenbuild fest, die ihren Markteintritt für 2023 planen. Mit seiner KI-basierten Technologie kann das Startup eine Beatmung ermöglichen, die speziell auf den Patienten zugeschnitten ist – etwas, das vielleicht auch vielen Corona-Patienten hätte helfen können. „Einerseits ist der Zugang zu öffentlichen Mitteln gut, da die Digitalisierung als gesamtgesellschaftliche Herausforderung begriffen und entsprechend gefördert wird“, so Müller. „Andererseits ist es jedoch anspruchsvoll, für langfristiger angelegte Projekte wie das unsrige den geeigneten Eigenkapitalgeber zu finden. Wir sind inzwischen zwar auf einem guten Weg, aber der Kreis möglicher Partner in der Nische Healthcare beziehungsweise Deeptech ist noch immer überschaubar. Die USA sind uns hier immer noch etwas voraus.“

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Titus von Unhold

„Mit seiner Plattform hilft es medizinischen Einrichtungen dabei, Prozesse ganzheitlich zu modellieren und agiert hier als Bindeglied zwischen Menschen und Systemen. So lassen sich Aufgaben automatisieren oder besser auf die verantwortlichen Mitarbeiter verteilen, was die gesamte Bearbeitungszeit deutlich reduziert. Mit einer Software wie der von Firestart schaffen Kliniken und Krankenhäuser sich somit die Grundlage, um die vorhandenen Daten aus mehreren Quellen zusammenzufassen und so in ihre Entscheidungsfindung miteinzubeziehen.“

Werbung sollte man als solche kennzeichnen. Denn das Abschreiben von Firmentexten – ohne deren Angaben in den Konjuktiv zu setzen – sind kein Journalismus, sondern peinlich.

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Krolli

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