Statt Freunde und Familie: Fast vier von zehn Menschen in Deutschland fragen lieber KI um Rat
Laufen KI-Assistenten echten zwischenmenschlichen Beziehungen zunehmend den Rang ab? Als Meta-Chef Mark Zuckerberg sagte, KI-Tools könnten Einsamkeit bekämpfen, wurde er zunächst belächelt. Inzwischen wenden sich aber tatsächlich immer mehr Menschen mit ihren Fragen, Sorgen und Problemen an die KI. Laut einer Umfrage des Digitalverbands Bitkom, an der 1.209 Menschen ab 16 Jahren in Deutschland teilnahmen, können sich 39 Prozent vorstellen, bei bestimmten Themen eher einen KI-Sprachassistenten um Rat zu fragen als Freund:innen oder Familie.
Kann KI echte Freundschaften ersetzen?
Vor allem jüngere Menschen stehen virtuellen Beziehungen zu Sprachassistenten wie Siri oder Alexa aufgeschlossen gegenüber. So gaben 51 Prozent der 16- bis 29-Jährigen an, in bestimmten Situationen lieber eine KI um Rat zu fragen – in der Altersgruppe ab 65 Jahren liegt der Anteil dagegen nur bei 29 Prozent. Insgesamt können sich 18 Prozent der Deutschen sogar vorstellen, zu einem KI-Assistenten eine freundschaftliche Beziehung aufzubauen. Mit 24 Prozent ist hier die Offenheit in der Altersgruppe der 30- bis 49-Jährigen am größten, gefolgt von den 16- bis 29-Jährigen mit 21 Prozent. Männer zeigen sich dabei etwas aufgeschlossener als Frauen.
Ähnliches zeigt sich im Berufsleben: Laut einer Umfrage der Online-Plattform Resume Now wenden sich 97 Prozent der Beschäftigten bei Fragen lieber an KI-Bots wie ChatGPT als an ihre Vorgesetzten. 37 Prozent gaben an, dem Urteilsvermögen ihrer Führungskräfte nicht zu vertrauen, während 72 Prozent sogar finden, dass ChatGPT hilfreichere Ratschläge gibt. Sieben von zehn Befragten sind der Meinung, dass ChatGPT ihre beruflichen Herausforderungen besser versteht als ihre Chef:innen und fast die Hälfte (49 Prozent) ist der Meinung, dass der Bot sie emotional besser unterstützen kann.
Bots antworten schneller und empathischer
Dass sich Menschen im privaten wie im beruflichen Umfeld zunehmend an KI-Assistenten wenden, hat mehrere Gründe. Einerseits fühlen sich viele sozial isoliert. Der Begriff der „Loneliness Epidemic“ wird mittlerweile auch von politischen Entscheidungsträger:innen genutzt, um auf die gesundheitlichen und gesellschaftlichen Folgen chronischer Einsamkeit aufmerksam zu machen. Im vergangenen Jahr stellte die damalige Familienministerin Lisa Paus erstmals ein „Einsamkeitsbarometer“ vor, das angab, dass sich Einsamkeit durch alle Altersgruppen zieht – besonders ältere und jüngere Menschen sind betroffen. Im Durchschnitt können sich laut Bitkom 27 Prozent der Menschen in Deutschland vorstellen, dass KI-Bots dazu beitragen könnten, das Gefühl von Einsamkeit zu mindern.
Andererseits spielt auch die Angst vor Kritik und Abwertung eine Rolle. Viele befürchten negative Konsequenzen, wenn sie ihren Vorgesetzten vermeintlich „dumme” Fragen stellen. Hinzu kommt, dass KI-Assistenten nicht nur rund um die Uhr antworten, sondern auch als empathischer empfunden werden. „Sprachassistenten entwickeln sich durch die Fortschritte bei der Künstlichen Intelligenz zu persönlichen Begleitern. Sie verstehen uns besser, reagieren individueller und können besonders durch menschliche Sprache sogar ein Gefühl von Nähe und Verbundenheit erzeugen“, erklärt Sebastian Klöß, Experte für Consumer Technology beim Bitkom. Die Gefahr, dass Chatbots echte Freundschaften ersetzen könnten, sieht er allerdings nicht.