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Ein deutsches Netflix der Privatsender ist zum Scheitern verurteilt

Pro-Sieben-Sat1-Chef Max Conze träumt vom gemeinsamen „Streaming-Champion“ und will andere Sender zum Mitmachen animieren. Dem Projekt kann nur ein frühzeitiger Tod gewünscht werden, denn die Aussichten auf das zukünftige Programm sind furchtbar.

Von Jochen G. Fuchs
3 Min. Lesezeit
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Das Netflix der Privatsender, eine grauenhafte Vorstellung.(Foto: Shutterstock-Dovzhykov Andriy)


Gute Nachrichten für alle, die noch nicht genug von „Mörder am Mittag“, „Kommissare am Rande des Wahnsinns“, „Brennpunkt Familie“ und „Fleischbeschau in der Südsee“ haben: Die deutschen Privatsender suchen verzweifelt nach einem Strohhalm, der ihr Absinken in die Bedeutungslosigkeit verhindert – und planen eine Art deutsches Netflix. Den potenziellen Zuschauer sollte besser schon mal im Voraus das kalte Grausen packen. Denn was da kommt, wird furchtbar.

RTL-Chef träumt vom deutschen Streaming-Champion

Großherzig lädt Pro-Sieben-Sat1-Chef Conze im Magazin Horizont andere Sender zu seinem neuen Projekt ein: „Ich lade hiermit RTL, ARD und ZDF ein, mit uns gemeinsam einen deutschen Champion zu schaffen.“ Und verleiht damit seiner Hoffnung Ausdruck, dass es bald eine deutsche Netflix-Alternative gibt, an der mehr Sender als Pro-Sieben und Sat1 sowie die Streaming-Anbieter Maxdome und Eurosport-Player von Discovery teilnehmen. Erste Details zu dem neuen Angebot sind schon bekannt geworden.

Was wir bisher über die geplanten Angebote der Privatsender wissen

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Im Gespräch sind ein „breites werbefinanziertes Angebot“, ein kostenpflichtiges werbefreies Angebot und verschiedene bezahlte Tarife mit Zugang zu Sportübertragungen und Filmen. Außerdem sollen es auch Filme im Einzelabruf geben. Es wird also ein herrlicher Tarif-Dschungel entstehen, mit unübersichtlichen Angeboten statt einer monatlichen Pauschale für das gesamte Angebot. Scheinbar hat Pro-Sieben-Sat1 schon das simple Grundprinzip der Flatrate nicht verstanden – nichts gegen den Einzelabruf, aber Tarifierungen nach Sparten entsprechen dem sinnlosem Pay-TV-Denken, mit dem schon Sky seine Kunden in den Wahnsinn treibt.

RTL-Group-Chef Bert Habets erklärte der Frankfurter Allgemeinen Zeitung am Montag, man sei offen für Partnerschaften in einzelnen Bereichen. Das könnte auch für eine Sanifair-Alternative statt eine Netflix-Alternative sprechen, aber immerhin will ja RTL sein Streamingangebot auch ausbauen. Vielleicht findet sich ja noch ein Weg zueinander. Oder lieber nicht, denn die Glaskugel verspricht nichts Gutes für die Zukunft dieses „Champions“.

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Ein Blick in die Zukunft des deutschen „Streaming-Champions“

Im selben Interview erklärt RTL-Chef Bert Habets die Welt und betont, dass junge Generationen keine langen Filme mehr schauen wollen. Woher er diese Weisheit bezieht, ist unklar. Aber zukünftig darf sich die „junge Generation“ auf 15-Minuten-Telenovelas, Doku-Soaps, Reality-Soaps und Deutschland-sucht-den-Superstar auf Speed freuen. Wer weiß, vielleicht wird „Dingsbums ermittelt“ ja besser, wenn es einfach mit dreifacher Geschwindigkeit in einen 15-Minuten-Clip gepresst wird. Er spricht zwar von „anspruchsvollen Inhalten“, aber die Privatsender sind dank stetig sinkender Einschaltquoten längst darauf abonniert, möglichst billig Schrott zu produzieren, der noch Erträge in der Werbevermarktung abwirft. Das heißt dann wohl: Netflix produziert für 100 Millionen-US-Dollar Blockbuster wie „Bright“, RTL produziert für 1.000 Euro 15-Minuten-Schrott-Clips.

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Netflix produziert für 100 Millionen-US-Dollar Blockbuster wie „Bright“, RTL produziert für 1.000 Euro 15-Minuten-Schrott-Clips.

Solange die Bereitschaft fehlt, vernünftige Formate und wirklich anspruchsvolle Inhalte zu produzieren, ist eine deutsche Netflix-Alternative zum Scheitern verurteilt. Und dass diese Bereitschaft fehlt, zeigen die Privatsender Tag für Tag in ihrem Fernsehprogramm. Qualitativ hochwertige Erfolgsserien wie „Bad Banks“ kommen aus dem öffentlich-rechtlichen Fernsehen und die wenigen Eigenproduktionen aus dem Unterhaltungsbereich wie „Danni Lowinski“ oder „Der Bulle“ der Privatsender können an einer Hand abgezählt werden. Bei einem Blick auf die sonst vorherrschenden billigen Show- und Mistformate herrscht ja beim Zuschauer schon tiefe Dankbarkeit für die steigende Anzahl der Lizenzserien und Filme.

Bitte lasst ein Startup den Job erledigen

Das Produktionsprinzip des an sinkenden Quoten krankenden deutschen Privatfernsehens lässt sich nicht auf Streaming-Portale übertragen, das zeigt das Wetteifern um Eigenproduktionen zwischen Netflix und Amazon ziemlich eindrucksvoll. Ein deutscher Netflix-Klon wäre wunderbar, aber bitte nicht verwaltet und gesteuert von der kulturellen Resterampe des Privatfernsehens. Lasst ein Startup ran, das mit unverbrauchtem Geist und frischer Herangehensweise etwas schafft, das die alten, grauen Elefanten der Fernsehlandschaft nicht mehr schaffen werden.

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Macht’s das Privatfernsehen, dann bleibt nur noch, den Kollegen von Filmstarts.de das Schlusswort zu überlassen: „Die deutsche Streaminglandschaft bleibt also auf jeden Fall interessant“, schreibt das Portal zu den Plänen des Privatfernsehens. „Interessant“ ist in diesem Fall das Äquivalent zu „nett“ und damit der kleine Bruder von „Scheiße.“

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Dein t3n-Team

Andy Franke

Habe jetzt seit vier Jahren keine deutschen Privatsender mehr in der Senderliste und sie keinen einzigen Tag davon vermisst. Im Gegenteil.

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Lukas Volz

Was gerne vergessen wird, ist die Tatsache dass ich Netflix und Prime Abonnent bin, weil die Inhalte verdammt gut sind. Ich brauche keine Telenovela, Soap oder Scripted Reality Formate. Ich will qualitativ hochwertige Genreperlen und nicht die 10te Body-Switching-Komödie oder DDR-Klamauk. Es wird schwierig werden ein Gefühl der Wertigkeit mit Privatsendern zu erzeugen, um monatliche Subscriptiongebühren rechfertigen zu können.

Der 15-Minuten Ansatz geht leider auch etwas an der Realität vorbei, wenn Serien mit mehreren Stunden Laufzeit nahezu am Stück konsumiert werden.

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BoniBonus

Genau , für solche Inhalte zahlt kein Mensch .
und wirklich was zu bieten haben die Privaten nun wirklich nicht.

Antworten
M.B.

Ein Artikel, der mir aus der Seele spricht. Kleine Häufchen zu einem großen Haufen zusammenzukehren ändert nicht, dass es Mist ist.

Einem Startup die finanziellen Mittel der sterbenden deutschen Sender zur Verfügung zu stellen, könnte womöglich wirklich noch etwas bringen.

Antworten
Martin

Die deutschen Privatsender kann man alle getrost ignorieren. Die Sendungen sind ziemlicher Schrott, weit weg von anspruchsvollen Inhalten. Mit Werbung ist sowieso alles schon überladen und das Konzept wird weiter ad absurdum geführt. Und die Zukunft? Ich muss sogar für ein Pro7 HD Geld zahlen was eigentlich ein Standard sein sollte… Die Online Streaming Apps sind auch ein großer Schrott > auch hier das Problem mit der Werbung in Überfluss.

Netflix hat jetzt auch nicht die über anspruchsvollen Inhalte jedoch bietet es eine gute Bandbreite mit Filmen und Serien und zu einem guten Pauschalpreis. Eigentlich ganz simpel? Positiv finde ich trotzdem die Bemühungen der öffentlich rechtlichen Sender (ZDF-Mediathek, ARD, Arte etc.) hier gibt es öfters mal sehenswerte Inhalte und die Apps funktionieren gut und alles in HD.

Antworten
Socke

Letzte Woche musste ich wegen Krankheit das Bett hüten und habe mir aus Langerweile mal das gute alte Fernsehen „gegönnt“ aber da ist nicht viel mit Unterhaltung oder Spaß. Nachrichten sind das einzige was man sich noch ansehen kann, der rest ist zugemüllter billiger Schrott. Und auf vielen Sendern wirst du bei der Werbung von einem Kreditangebot zum anderen geleitet, als gäbe es nichts anderes.
Abends mal einen Film? Nein auf Sendern wie Prosieben RTL usw. kommen irgendwelche Shows, Deutschland sucht dies, Schlag den wen auch immer und und und…
Am Ende hab ich doch lieber Netflix geguckt, das Angebot ist zwar auch nicht immer das Beste aber man hat die freie Wahl, man fängt nicht mitten drin an und es ist Günstig.

Antworten
Birgit Fienemann

Vielen Dank für diesen Artikel – habe schon lange nicht mehr so gelacht. Sehr schön.

Klar, dass die Privaten glauben, dass die Aufmerksamkeitsspanne nicht länger als 15 Minuten anhält – sie selbst haben uns ja mit ihren ständigen Werbepausen dahingehend „erzogen“ :D. Interessanterweise steigt die Aufmerksamkeitsspanne schlagartig, sobald man Netflix oder Amazon Prime schaut – oder ins Kino geht *grins

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Tom

… oder diese deutschen Sender nur noch aufzeichnet, so dass die Werbung mit ein paar Klicks übersprungen werden kann. Unglaublich und wunderbar, wie viel Zeit man so auch noch spart :-)

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