Bis zu 11 Tage älter: So stark schaden Hitzewellen unserer biologischen Uhr
Der Klimawandel sorgt für häufigere und heißere Hitzeperioden, die uns schneller altern lassen. (Foto: Stock-Asso / Shutterstock)
Weltweit sorgt der Klimawandel für steigende Temperaturen und immer mehr Hitzewellen, was zunehmend schädliche Auswirkungen auf die Gesundheit hat. Offenbar lassen wiederkehrende mehrtägige Hitzewellen Menschen schneller altern und das ähnlich stark, wie es zum Beispiel Rauchen und Trinken tun. Das schreiben Forschende um Cui Guo von der University of Hong Kong im Fachjournal „Nature Climate Change“.
Dabei machte jede zusätzliche Temperaturerhöhung um 1,3 Grad die Proband:innen im Schnitt 8,4 Tage bis 11,3 Tage älter. Je heißer die Hitzeperioden waren, desto mehr alterten sie vorzeitig. Obwohl der Effekt relativ gering erscheine, „sollte ihre potenzielle Belastung für die öffentliche Gesundheit nicht unterschätzt werden“, schreiben die Forschenden. Sie verweisen darauf, dass sich die Effekte addieren.
Gesundheitliche Auswirkungen von Hitze
Hitze galt lange vor allem für vulnerable Gruppen wie Ältere, Schwangere, Kinder und Menschen mit Vorerkrankungen als ernstes und teils lebensbedrohliches Problem. Denn hohe Temperaturen verschlimmern Leiden wie Herz-Kreislauf-Erkrankungen, Diabetes, Asthma und auch psychische Krankheiten, und das führt zu erhöhten Invaliditäts- und Sterblichkeitsraten.
Inzwischen sind aber auch die Auswirkungen extremer Hitzeperioden auf Gesamtbevölkerungen in den Fokus gerückt, und dabei vor allem, wie sie das sogenannte biologische Alter beeinflussen. Dieses spiegelt nicht die Zahl der Geburtstagskerzen wider, sondern gibt die Gesundheit und Funktionstüchtigkeit von Organen, Zellen und der DNA an. Je nachdem, wie diese Gesamtfitness gefördert oder beeinträchtigt wird, kann man biologisch jünger oder älter als das chronologische Alter auf der Geburtstagstorte sein.
Altern wird nicht nur durch Gene bestimmt
Einflussgrößen sind nicht nur genetische Faktoren, sondern vor allem auch der Lebensstil (Schlafmenge, Ernährung, Bewegung und Rauchen) sowie Umwelteinflüsse (UV-Strahlung, Luftverschmutzung und Arbeitsstress). Wer biologisch gesehen schneller altert, bekommt es früher mit altersbedingten Krankheiten zu tun, die dann die Lebenserwartung senken.
Die Forscher:innen aus Hongkong werteten medizinische Daten von knapp 25.000 Erwachsenen in Taiwan aus, die über einen Zeitraum von 15 Jahren erhoben wurden. In dieser Zeit ließen die Teilnehmenden im Schnitt viermal ihre Blut-, Lungen-, Nieren- und Leberfunktionswerte sowie weitere Faktoren bestimmen. Aus diesen Biomarkern berechneten die Forschenden in Hongkong jeweils das biologische Alter und summierten für jeden Termin die Eigenschaften aller Hitzeperioden der vorangegangenen zwei Jahre auf, darunter ihre Durchschnittstemperatur, Dauer und Häufigkeit.
Wie Forscher:innen die Hitze in der Studie einstuften
Nun sind verschiedene Länder unterschiedlich warm – Taiwan ist wärmer als etwa Europa – und die Forschung geht davon aus, dass die Menschen in heißeren Regionen an die übliche Temperaturverteilung gewöhnt sind. Deshalb betrachteten die Forscher:innen nicht pauschal alles oberhalb einer absoluten Lufttemperatur als Hitzeextrem, sondern berücksichtigten Temperaturen über einem relativen Mindestwert.
So galten etwa die jeweils heißesten 7,5 Prozent der täglichen Durchschnittstemperaturen als extreme Hitze, wenn sie mindestens zwei, drei oder vier Tage lang erreicht wurden. Damit ist eine Hitzewelle in Taiwan mit seinem subtropischen bis tropischen Klima erst bei höheren Temperaturen als solche definiert, erklärt Andrea Schneider, Umwelt-Epidemiologin am Helmholtz Zentrum München. „Es ist also nicht so, dass die Assoziationen der Studie aus Taiwan nur daherkommen, dass es dort schon öfter und lange heiß war.“
Höchste Hitze-Alarmstufen
Parallel dazu berücksichtigten die Studienautor:innen auch die beiden höchsten Alarmstufen der Zentralen Wetterverwaltung Taiwans, wenn die Oberflächentemperatur mindestens drei Tage lang mehr als 36 Grad betrug oder sogar 38 Grad übertraf.
Weil auch die Aufenthaltsdauer in der Hitze eine Rolle spielt, war der Gesamteffekt wenig überraschend bei Berufen mit körperlicher Arbeit wie auf dem Bau und in Landwirtschaftsbetrieben am stärksten, sowie bei Menschen in ländlichen Gebieten, wo Klimaanlagen weniger verbreitet sind. Eine Zunahme dieser Systeme könnte wiederum die Anpassung an die zunehmenden Hitzeperioden miterklären helfen, die die Forschenden im Verlauf ihrer Studiendauer ebenfalls beobachtet haben.
„Ich finde die Studie sehr interessant“, sagt Elke Hertig, die an der Universität Augsburg den Lehrstuhl „Regionaler Klimawandel und Gesundheit“ innehat. Angesichts der beobachteten Anpassungseffekte und Taiwans insgesamt wärmerem Klima stelle sich die Frage, wie die Hitzewirkung „auf Bevölkerungsgruppen ist, die grundsätzlich weniger Hitzewellen erleben“. Wichtig sei dabei, „die oft zeitgleich mit Hitzewellen auftretenden Effekte durch UV-Strahlung und bodennahes Ozon“ mit zu berücksichtigen, was die chinesische Studie leider nicht getan habe.
Dazu gelten Biomarker-Alternsuhren als weniger genau als ihre epigenetischen Verwandten, die das biologische Alter aus der Verteilung von Methylgruppen auf der DNA bestimmten. Diese fungieren als molekulare Stoppschilder und erlauben Zellen, das Ablesen von nicht benötigten Genen zu verhindern. Die Positionierung der Stoppschilder ändert sich mit zunehmendem Alter auf charakteristische Weise oder kann durch Umweltstress beschleunigt werden.
Wie beschleunigt Hitze das Altern?
Auf welchen Wegen Hitze das Altern genau beschleunigt, ist noch nicht umfassend geklärt. Mehrere Studien haben aber mögliche Wirkpfade identifiziert, schreiben die Studienautor:innen. Einer davon ist die ungünstige Veränderung des Ablesemusters von Genen, wie es die Ergebnisse einer mehrjährigen US-Studie zeigen, die diesen Sommer erschienen ist.
Hitze könnte auch vorzeitig die Telomere genannten Chromosomenenden stärker verkürzen, als es bei fortschreitendem Alter ohnehin passiert. Hinweise darauf hat Schneider 2022 mit Kolleg:innen gefunden, als ihre Studie höhere tägliche Lufttemperaturen in weißen Blutkörperchen mit kürzeren Telomeren in Verbindung brachte. Dazu kommen weitere potenzielle DNA- und andere Zellschäden als Hitzefolgen.
„Diese Ergebnisse unterstreichen, wie wichtig es ist, sich mit den negativen Auswirkungen von Hitzewellen auseinanderzusetzen, da diese eine ebenso wichtige Rolle spielen können wie die allgemein anerkannten internen Determinanten des Alterns“, schreiben Guo und ihre Kolleg:innen aus Hongkong.