Warum Tesla dem Verbrenner am letzten Wochenende den Todesstoß gegeben hat [Kommentar]
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(Foto: Tesla)
Das größte Experiment in der Geschichte der Menschheit
Mit dem Verbrennen von Öl und Kohle setzt die Menschheit Treibhausgase in gigantischen Ausmaßen frei. Wir alle erleben regelmäßig, was dies für uns und die Umwelt bedeutet. Die Meere sind bedroht, das Wetter dreht durch und die Polkappen und Gletscher schmelzen in dramatischer Geschwindigkeit. Die Wissenschaft ist sich über die Auswirkungen unseres Tuns auf Klima und Umwelt einig. Graduelle Unterschiede bestehen lediglich in der Geschwindigkeit der Veränderungen und die Ausprägung des Endspiels. Doch die politischen Führer unserer Welt sind nicht zu harten Einschnitten bereit, dienen sie doch zu allererst den Firmenbossen großer Konzerne. Da wirkte es fast trollig, dass sich ein Südafrikaner nach dem Erfolg mit einem Internetbezahlsystem die größte Industrie der Welt als Gegner auserkor: die Ölfirmen und die auf deren Rücken reitende Autoindustrie.
Wir alle wussten, dass Autofahren schlecht für die Umwelt ist. Doch aus Bequemlichkeit und mangels Alternativen blieben wir dem Alltagstrott treu. Regelmäßig wurden uns Beruhigungspillen verabreicht, wie die stetige Weiterentwicklung der bestehenden Technik und die dadurch sinkenden Verbrauchswerte. Es waren die deutschen Hersteller, die sich auf den Diesel als umweltfreundliche Alternative versteiften und wir Verbraucher fraßen ihnen aus der Hand. Abgelenkt durch ein geiles Drehmoment und günstigen Verbrauch. Die Politiker unterstützten den dreckigen Handel, indem sie die teurere Technik durch steuerliche Vorteile für Vielfahrer wettmachten. Anders formuliert: Die Regierung animiert die Käufer von Dieselfahrzeugen, viel zu fahren, damit sich der Mehrpreis des Fahrzeugs amortisierte.
Dieselgate führt der Welt vor Augen, dass Dinosaurier verbrennen keine Lösung ist
Im Sommer 2015 platzte die rosarote Blase mit einem lauten Knall, weil man bei Volkswagen mit legalen technischen Mitteln nicht mehr in der Lage war, die geforderten Emissionswerte zu einem konkurrenzfähigen Preis zu produzieren. Der eine Teil der deutschen Bevölkerung war schockiert, dass man Volkswagen so gnadenlos verfolgte und witterte eine Verschwörung der amerikanischen Autoindustrie. Bei anderen begann sich der Zweifel durch den hohen Schutzwall aus höriger Klientelpolitik, willfährigen Autozeitungen und schäbiger Ingenieurskunst zu fressen.
Shutterstock.com)Die Presse – immer auf der Suche nach einer auflagetreibenden Geschichte – warf sich mit Verve auf Volkswagen. Die Führungsqualitäten von Winterkorn & Co. waren plötzlich ein Problem und mitverantwortlich für die Misere. Die Ankündigungen von elektrifizierten VW-Modellen auf der IAA versanken damit im Strudel immer neuer Erkenntnisse rund um den Diesel-Skandal. Unterdessen feierte Tesla mit seinem Model S ungeahnte Erfolge und verkaufte mehr davon in den USA als Mercedes von seiner S-Klasse oder BMW vom 7er. Auch in der Schweiz liegt die Luxuslimousine auf Platz 1, vor allen deutschen Premiumherstellern; ohne Fördermittel oder patriotischem Kaufverhalten. Während die Welt beginnt, am Konzept der Verbrenner zu zweifeln, feiert das dritte Modell von Tesla Premiere und stiehlt mit seinen aufwendigen Klapptüren jedem anderen Auto die Show. Trotz einjähriger Verspätung ist das erste Produktionsjahr des Fahrzeugs ausverkauft. Das kleine Startup aus Kalifornien hat im teuren Luxussegment schon zweimal bewiesen, dass es sicherere und nachhaltigere Fahrzeuge bauen kann, als jeder andere Hersteller auf dem Planeten – mit einem Bruchteil an Investitionen.
Eigentlich sollte man meinen, dass diese Ereignisse wie ein Weckruf für die Branche klingen sollten. Doch aus dem Hause Volkswagen hört man öfter den Begriff „Plug-in-Hybrid“ oder „Multi-Antriebs-Plattform-Konzept“, jedoch selten Elektroauto. Das Bekenntnis, den Verbrenner aufzugeben, kommt dort niemandem von den Lippen. Selbst BMW meldete erst kürzlich, dass man an einem weiteren Modell für die i-Reihe arbeite. Einem!
Die Kollegen aus Stuttgart hingegen haben Oberwasser nach den Erfahrungen mit dem Tesla-Antriebsstrang in der B-Klasse und fühlen sich nun bestens für die elektrische Zukunft gerüstet. Allesamt rühmen sie sich mit Plug-in-Modellen, die sage und schreibe 30 bis 40 Kilometer elektrisch fahren und nur dank politischer Rückendeckung überproportional die Flottenverbrauchswerte reduzieren und deswegen die neuen EU-Richtlinien erfüllen. Die Autos werden so noch komplexer als sie ohnehin schon sind, und die Autobauer können weiterhin an ihrer über 100 Jahre alten Technik festhalten. Ferdinand Dudenhöffer kritisiert richtig: „Die Autobauer haben sich in Plug-In-Hybride verrannt. Die stellen keine echte Durchbruchinnovation dar.“
Das Model 3 ist das technische K.O.
Tesla verkauft in 36 Stunden mehr Model 3 als die Summe aller verkauften Elektroautos (BEV) in Europa seit 2010. Anders ausgedrückt zahlen mehr Menschen in 72 Stunden 1.000 US-Dollar für ein Elektrofahrzeug an, als die ersten vier Plätze im Mittelklassesegment der US-Verkaufscharts in 2015 zusammen aufbringen. Wohl kaum jemandem konnten die Meldungen über Menschenschlangen vor den Tesla-Stores überall auf der Welt entgehen. Doch neben all der Euphorie für die Marke, gibt es harte Erkenntnisse für die anderen Blechbieger:
„Premium-Kunden sind Spaltmaße scheißegal!“
„Die Digitalisierung ist in der Autoindustrie angekommen“
„Die milliardenstarke Marketingmaschine der anderen Hersteller hat keine Durchschlagskraft mehr. Es genügt Twitter.“
„Technikbegeisterte Leute definieren Freude am Fahren anders und glauben an den Vorsprung durch Technik eines anderen.“
Am 31. März 2016 war es mehrfach auf Twitter zu lesen und zu sehen. Ich kann es aus eigener Erfahrung vor Ort bestätigen. Die Leute in der Schlange sind die heiß umworbene Zielgruppe der Premiumhersteller, die einen gewissen beruflichen Erfolg vorweisen und eine Extraschippe Euro für ein bisschen Extravaganz beim Autokauf zur Verfügung haben. Vor allem aber sind sie bestens informiert über ein perfekt geschnürtes Tesla-Paket: Ich kaufe ein Auto, dass dank Strom mit regenerativer Energie betrieben werden kann. Die Auto-Batterien besitzen eine Lebenserwartung von acht bis zehn Jahren und tun anschließend nochmal doppelt so lange ihren Dienst als Heimspeicher, bevor sie zu einem Großteil wiederverwertet werden können. Diese Konsumenten sind Idealisten und sehen sich als Pioniere. Sie akzeptieren eine Veränderung ihres Alltags, um ein größeres Ziel zu erreichen: Auftanken dauert nicht 5 Minuten, sondern 25, dafür ist ihre Mobilität nachhaltiger. Somit erreichte die Marke Tesla Kultstatus und erhob gleichzeitig umweltfreundliche Fortbewegung zum coolen, erstrebenswerten Lebensstil.„Tesla erreicht Kultstatus.“
Bisher kommt aus den Firmenzentralen in Wolfsburg, Stuttgart und München kein Kommentar. Vermutlich wird es auch so bleiben. Denn die Vorstände kämpfen nicht nur mit einer neuen Technik, sondern einem strukturellen Problem. Die richtige und konsequente Reaktion wäre jetzt, alle beginnenden Autoprojekte exklusiv auf Elektro auszurichten. Unterstützt wird eine solche Entscheidung von den eingereichten Gesetzesvorlagen in Norwegen und den Niederlanden, ab 2025 den Verkauf von Autos mit Verbrennungsmotor zu untersagen – einige warten eigentlich wöchentlich auf eine ähnliche Ansage aus China. Schließlich braucht es circa sechs bis acht Jahre für die Entwicklung eines neuen Fahrzeugs bei ebenso langem Lebenszyklus.„Es gibt zu viele angepasste Manager alter Schule mit Benzin im Blut.“
Doch was tun mit all den Maschinenbau-Ingenieuren, die Kolben, Pleuel, Zylinder, Einspritzanlagen, Turbolader oder Getriebe entwerfen? Umschulen wird nichts bringen, und dank der Gewerkschaften sind solche Massenentlassungen gar nicht umsetzbar. Selbst wenn die Vorstände die Brisanz der Situation erkennen und sich durch Ex-Silicon-Valley-Bewohner unterstützen lassen, es gibt zu viele angepasste Manager alter Schule mit Benzin im Blut. Viele davon wollen noch ruhig in die Rente segeln und nicht nochmal raus in den Sturm, sich aufs Neue beweisen. Wie bei der digitalen Transformation üblich, braucht es eine Strategie und natürlich die Technik. Jedoch stolpern die meisten Unternehmen über die dritte Komponente: die Organisation. Im Wandel muss man beweglich bleiben, Veränderungen begrüßen, die Herausforderung lieben und heiß auf Fehlermachen sein. Denn dann liegt die Lösung einen weiteren Schritt näher. Alles Attribute, die in den strikt hierarchischen Strukturen jahrzehntelang verpönt, wenn nicht verboten waren.
Teslas Vorteil mit einem weißen Blatt zu starten
Die etablierten Hersteller schleppen nicht nur eine Mannschaft mit sich herum, die in wenigen Jahren keine Arbeit mehr findet, sondern haben auch an anderer Stelle signifikante Nachteile gegenüber dem Neuling.
Typisch Silicon Valley baute man zwar ein Elektroauto, dessen Herz ist aber ein Computer. Offenkundiges Indiz hierfür ist das zentrale Display in allen Modellen. Da die Fahrzeuge von Software gesteuert werden, braucht es auch keine analogen Regler für den Fahrer. Im folgenden Video wird dies auf einer Probefahrt im neuen Model 3 eindrucksvoll vom Ingenieur erläutert:
Doch auch beim Verkauf der Fahrzeuge bestreitet Tesla neue Wege. Während der Audi-Vertriebschef Wayne Griffith noch im Dezember dem Internetverkauf eine Absage erteilte, wählt Tesla exklusiv diesen Weg. Die Niederlassungen ähneln stylischen Markentempeln in ungewöhnlicher Lage und ohne Verkaufsdruck für das Personal. Diese sollen die Begeisterung für Elektromobilität transportieren und keine Abschlüsse erzielen. Für die Kunden ist dies ein völlig neues Erlebnis, was sich für Tesla auch noch anders auszahlt: Es gibt keine Preisverhandlungen, denn das Auto kostet überall gleich viel und die Marge für die Autohändler verbleibt beim Hersteller.
Sicher gibt es noch einige andere Argumente, wieso es Tesla als Neuling einfacher hat. Auf der anderen Seite hatte keiner der Giganten den Willen, diesen Weg zu beschreiten. Am Budget hat es sicher nicht gelegen. Jetzt müssen sie sich mit einem Gegner auseinandersetzen, der schneller, flexibler, beweglicher und vor allem innovativer ist als sie. Vielleicht hofften einige Führungskräfte auf einen schlechten Aprilscherz, sonst heißt es schmerzvolle Entscheidungen treffen, oder sich irgendwann vom deutschen Steuerzahler retten lassen.
Auch spannend in diesem Zusammenhang: Unser Kolumnist Alain Veuve erläutert, warum auch ihr euch einen Tesla Model 3 reservieren solltet.