Brisanter Tiktok-Report: So systematisch sammelt die App sensible Daten von Kindern
Tiktok und der Datenschutz werden offenbar keine Freunde mehr. (Foto: Stock-Asso / Shutterstock)
Nach einer umfassenden Untersuchung werfen die kanadischen Datenschutzbehörden dem sozialen Netzwerk Tiktok massive und systematische Verstöße gegen den Datenschutz vor. Im Kern geht es darum, dass die Plattform in großem Stil sensible Daten von Kindern unter 13 Jahren sammelt, obwohl diese die App laut Nutzungsbedingungen gar nicht verwenden dürften. Der offizielle Untersuchungsbericht des Büros des kanadischen Datenschutzbeauftragten (OPC) mit Sitz in Gatineau zeichnet, gemeinsam mit den Behörden aus Québec, British Columbia und Alberta, das Bild eines Systems mit eklatanten Mängeln.
Die Ermittler:innen kritisieren, dass Tiktoks Alterskontrolle bei der Registrierung – eine einfache Abfrage des Geburtsdatums – einfach zu umgehen sei. Gleichzeitig belegen die Zahlen des Unternehmens selbst das Ausmaß des Problems. So entfernt Tiktok nach eigenen Angaben jährlich rund 500.000 Konten von minderjährigen Nutzer:innen allein in Kanada, wie CBC News berichtet.
Das große Versäumnis bei der Alterskontrolle
Die Behörden gehen von einer weitaus höheren Dunkelziffer aus. Besonders passive Nutzer:innen, die nur Inhalte konsumieren, aber selbst nichts posten, würden von den bisherigen Erkennungsmethoden kaum erfasst.
Besonders schwer wiegt der Vorwurf, dass Tiktok über weitaus bessere Technologien zur Altersschätzung verfüge, diese aber nicht zum Schutz von Kindern auf der Plattform einsetze. Für die Livestreaming-Funktion „Tiktok Live“ nutzt die App etwa bereits Verfahren zur Gesichtsanalyse, um das Alter der Nutzer:innen zu verifizieren.
Biometrie-Analyse ohne Wissen der Nutzer:innen
Ein weiterer zentraler Punkt der Untersuchung ist die verdeckte Nutzung von biometrischen Daten. Laut dem offiziellen Untersuchungsbericht analysiert Tiktok die Gesichts- und Stimmmerkmale in hochgeladenen Videos, um daraus Alter und Geschlecht der gezeigten Personen abzuleiten. Diese Daten werden anschließend für die Personalisierung von Inhalten und für gezielte Werbung verwendet.
Tiktok bestreitet zwar, „biometrische Technologie“ zu verwenden, da die Daten nicht zur eindeutigen Identifizierung einer Person dienten. Die kanadischen Behörden widersprechen dieser engen Auslegung jedoch entschieden und stellen fest, dass für eine solche Analyse eine explizite und informierte Einwilligung erforderlich gewesen wäre, die nie eingeholt wurde.
Auch die generelle Einwilligung zur Datennutzung für Erwachsene und Jugendliche wurde als ungültig eingestuft. Die Datenschutzhinweise seien vage, unvollständig und für die Nutzer:innen nicht verständlich genug formuliert.
Die Social-Media-Evolution
Tiktok gelobt Besserung – unter Vorbehalt
Die Untersuchung berührt auch die anhaltende Debatte um die Datensicherheit und die Nähe von Tiktoks Mutterkonzern Bytedance zur chinesischen Regierung. Der kanadische Datenschutzbeauftragte Philippe Dufresne forderte, dass Tiktok seine Nutzer:innen explizit darüber informieren muss, dass ihre Daten „nach China gelangen und von der chinesischen Regierung abgerufen werden können“. Dieses Thema der nationalen Sicherheit beschäftigt Regierungen weltweit seit Jahren.
Angesichts der Ergebnisse hat Tiktok zugesagt, eine Reihe von Maßnahmen umzusetzen. Dazu gehören verbesserte, mehrstufige Alterskontrollen, eine transparentere Kommunikation über die Datenverarbeitung sowie die deutliche Einschränkung des Werbe-Targetings für alle Nutzer:innen unter 18 Jahren.
Ob diese angekündigten Änderungen, insbesondere die neuen Erkennungsmodelle für passive, minderjährige Nutzer:innen, in der Praxis wirksam sein werden, muss sich erst noch zeigen. Die kanadischen Behörden haben angekündigt, die Umsetzung der Maßnahmen genau zu beobachten.