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Toxische Positivität im Job ist schädlich – das könnt ihr dagegen tun

Wut, Trauer, Angst: Wir brauchen ein neues Image für unangenehme Gefühle! Warum es sich lohnt, auch im beruflichen Kontext darüber zu sprechen – und wie das mit fünf Tipps gelingt.

Von Heike Reuber
5 Min. Lesezeit
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(Foto: fizkes/Shutterstock)

Montagmorgen, 9 Uhr. Das erste Meeting: „Hi, alles gut?“ Eine vermeintlich normale Frage. Doch sie suggeriert: Es hat alles gut zu sein, unangenehme Gefühle lächeln wir weg. Wir geben uns positiv, obwohl wir uns nicht danach fühlen. Die Psychologie nennt dieses Phänomen Toxic Positivity.

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Sie beschreibt den Zwang, unbedingt alles positiv sehen zu müssen – und tritt in unterschiedlichen Formen auf. Etwa wenn wir selbst zu anderen sagen „Kopf hoch!“ oder „Du machst das schon!“ Oder wir uns einreden: „Mir sollte es gut gehen, andere haben es so viel schlechter“. Selbst Führungskräfte oder ganze Unternehmenskulturen können toxisch positiv sein: „Alles wird gut, keine Sorgen!“

Das ist ungesund! Neben dem Zwang zum Positiven herrscht der Druck, alles Negative wegzudrängen. Das Fatale: Alle Gefühle sind essenziell für das menschliche Erleben. Sie sind wie Boten aus dem Inneren, die uns etwas sagen wollen.

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Und auch negative Gefühle können hilfreich sein. Wut zum Beispiel hat eine starke Signalfunktion und zeigt uns, wenn Grenzen überschritten werden. Gleichzeitig mobilisiert sie Kräfte, damit wir aktiv werden und Grenzen wahren.

Die Scham-Quittung

Was aber, wenn man bei der toxischen Positivität nicht mitspielt und seinem Ärger Luft macht? Dann kriegt man die Quittung: Scham.

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Stellt euch vor, ihr habt gerade viel Stress im Job. Die Teamstimmung ist schon länger angespannt. Bislang hält die positive Fassade. Doch nun seid ihr mutig, ihr teilt euch dem Team mit – erzählt, was euch belastet; dass ihr besorgt auf die kommenden Projekte blickt, die den Druck weiter erhöhen.

Die Kolleg:innen unterbrechen mit einem „Halb so wild. Das wird schon.“ Krawumm, ein künstlicher Batzen Optimismus fällt auf die realen, unangenehmen Gefühle. Die Kolleg:innen zücken den Schild der toxischen Positivität. Sie unterdrücken jeden Funken ehrlicher Empathie.

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Damit verletzen sie ein menschliches Grundbedürfnis. Denn wir sind soziale Wesen. Wir wollen, dass andere uns sehen und hören – auch im Arbeitskontext. Eine toxisch positive Umgebung macht das unmöglich.

Vielleicht schämt ihr euch nach dem Gespräch. Scham entsteht, wenn unsere Empfindungen von einer Norm abweichen. Die Kolleg:innen haben scheinbar einen positiveren Blick auf die Situation. Ihr brecht mit der Norm, alles positiv zu sehen und keine negativen Gedanken zu äußern. Ihr schämt euch.

Das ist unverdient. Schließlich ist nicht eure ehrliche Kommunikation, sondern die toxische Positivität problematisch. Wut und Unzufriedenheit sind im Privaten hilfreich, zum Beispiel bei einer Trennung aus einer unglücklichen Beziehung.

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In der Arbeitswelt helfen sie, Ineffizienz, Ungerechtigkeiten und Mängel anzugehen. Negative Gefühle zeigen uns, wo Verbesserungspotenzial schlummert.

Das kann im Interesse der Arbeitnehmenden liegen, wenn beispielsweise unfair bezahlt wird. Unangenehme Gefühle sind aber auch für das Unternehmen hilfreich, beispielsweise wenn Prozesse ineffizient laufen. Wut und Co treiben uns wie ein Motor vorwärts, um den Status quo zu verändern.

Achtsamkeit: der Draht nach innen

Wie wir mit unseren Gefühlen umgehen, wann und wie wir ihnen Ausdruck verleihen oder ob wir sie auch mal bewusst ignorieren, ist immer situationsabhängig. Um das zu erkennen, müssen wir in uns hineinhorchen.

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Der Draht zur eigenen Gefühlswelt kann durch Reflexion und Achtsamkeitspraktiken wie Meditieren gestärkt werden. In der Reflexion hilft es, die Gefühle ehrlich aufzuschreiben.

Oder man spricht mit einer Vertrauensperson für zehn Minuten über die eigenen Gefühle. Es wird nur zugehört, nicht reagiert. Damit trainiert ihr auch, das Innenleben in Worte zu fassen. Das hilft bei Dialogen im Job. Denn sie kommen nur zustande, wenn Mitarbeitende ihrem Gefühlsspektrum eine Sprache verleihen.

Aber was, wenn die Unternehmenskultur toxisch positiv ist? Dann kann es passieren, dass einem schlicht und ergreifend die Worte fehlen.

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Also: Es braucht ein gelebtes Vokabular für unangenehme Gefühle. So entsteht eine konstruktive, gesunde Diskussionskultur.

Unternehmen tragen die Verantwortung, dafür die richtigen Rahmenbedingungen zu schaffen. Mitarbeitende sollten sich im besten Fall mit ihrem Gefühlsleben willkommen fühlen. Doch wie kann das im Job gelingen?

AVUBS: 5 Tipps gegen toxische Positivität im Job

  • Ansprechen: Sprecht toxische Positivität an. Manchen fällt es in akuten Situationen leichter, anderen in ruhigen Momenten. Hört dabei auf euer Gefühl.
  • Vereinbaren: Vereinbart im Team einen authentischen Umgang und haltet die Absprachen schriftlich fest. Überlegt euch konkrete Alternativen zu Floskeln:
    • „Alles gut?“ wird zu „Wie geht es dir?“
    • „Kopf hoch!“ könnte heißen „Wie kann ich dich unterstützen?“
    • Besser als „Stress dich nicht so!“ ist: „Ich verstehe, dass du dich überfordert fühlst.“
  • Umsetzen: Wenn sich dir jemand mit unangenehmen Gefühlen öffnet, erkenne es an. Ihr könnt die Person spiegeln, indem ihr die Äußerungen paraphrasiert. Stellt Fragen, um die Person in der Reflexion zu unterstützen. Wenn ihr helfen wollt, vergewissert euch vorher, ob es okay ist, eine Lösung vorzuschlagen. So vermeidet ihr ungefragte Ratschläge. Für euch selbst könnt ihr auch was tun: sei es eine achtsame Minute in Stille vor einem Meeting oder sichere Räume zum freiwilligen Austausch über Gefühle.
  • Blick nach innen: Damit ihr nachhaltig authentisch seid, kultiviert den Zugang zu euren Gefühlen. Das gelingt mit Tagebüchern und Achtsamkeitspraktiken. Richtet eure Aufmerksamkeit auf das Hier und Jetzt. Nehmt einen realistischen Blickwinkel ein. Teilt euch mit und seid ein Vorbild, das über Gefühle spricht.
  • Spaß nicht vergessen: Mit Humor nehmt ihr der toxischen Positivität den Wind aus den Segeln. Wie wäre es mit Bullshit-Bingo mit den Kolleg:innen? Wer die meisten toxischen Positivitätsfloskeln entdeckt, gewinnt einen Preis.

Ein neues Image für unangenehme Gefühle

Müssen wir immer über all unsere Gefühle sprechen? Nein, bitte nicht die Maxime der toxischen Positivität mit toxischer Authentizität ablösen. Wir müssen nicht immer alles teilen. Weder im Job noch privat. Viel hilfreicher ist ein gesunder Blick ins Innere und ein verantwortungsvoller Umgang mit den eigenen Gefühlen. Falls ihr damit überfordert seid, holt euch bitte professionelle Unterstützung.

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Wut, Angst, Trauer und Co haben vor allem in der Arbeitswelt ein schlechtes Image. Zwar brauchen wir nicht mehr von diesen Gefühlen und sollten nicht ewig in ihnen verweilen. Aber wenn sie einmal da sind, lasst uns Raum schaffen, in den Dialog gehen und sie als Treiber für Veränderung anerkennen.

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