Wisst ihr noch? Als die US Air Force 1.760 Playstation 3 zusammengeklebt hat
Wer heute auf die Specs von modernen Konsolen schaut, wird da vor allem Hardware von der Stange finden. Mitunter leicht modifiziert, um optimal in die Architektur der Maschinen integriert werden zu können. Vorbei aber sind die Zeiten, in denen Hersteller wie Sony noch ihre eigenen Chips entwickelt haben, um ihre Konsolen von der Konkurrenz abzuheben.
In der Reihe „Wisst ihr noch?“ blicken wir auf kuriose und spannende Ereignisse der Tech-Vergangenheit, die damals für Schlagzeilen gesorgt haben, heute aber kaum noch in Erinnerung sind. Hier könnt ihr alle Artikel der Reihe sehen.
Der Cell-Prozessor war so ein eigens entwickelter Baustein, den Sony 2006 in der Playstation 3 verbaut hat – und um den einiger Marketing-Wind gemacht wurde. Zusammen mit IBM und Toshiba hatte das Unternehmen einen Prozessor kreiert, der die grafische Performance von Videospielen auf eine ganz neue Ebene heben sollte.
Tatsächlich war Cell auch wirklich sehr leistungsstark – vor allem war der Prozessor aber schwer zu handhaben. Entwickler hatten einige Probleme damit, Spiele zu entwickeln, die das Potenzial des Cell wirklich ausschöpfen konnten. Dafür haben damals aber andere Industrien ihr Interesse an der Konsole entdeckt.
1.760 PS3 wurden zum „Condor Cluster“
Ende 2010 machte eine Nachricht die Runde in allerlei Medien: Die US Air Force hatte 1.760 Playstation 3 zusammengeschlossen, um damit einen Supercomputer zu erschaffen. Genannt wurde diese Konstruktion als „Condor Cluster“. Sie sollte 500 Billionen Flops (Floating Point Operations per Second) ermöglichen – die Maßeinheit für die Leistung von Computern. Zum Vergleich: eine einzelne Playstation 3 konnte theoretisch 192 Milliarden Flops schaffen. Die Playstation 5 heute 10,28 Billionen Flops – 14 Jahre nach dem Supercomputer der Air Force.
Das Condor Cluster war also eine für die damalige Zeit äußerst rechenstarke Maschine. Der „schnellste interaktive Computer des gesamten US Verteidigungsministeriums“ sogar. Aber wozu das alles?
Die 1.760 zusammengeschalteten Playstation 3 sollten in Rekordzeit Bilder verarbeiten. Etwa zur Analyse von Satellitenaufnahmen, die durch Mustererkennung strategische Vorteile bringen sollte. Ebenso sollte das Condor Cluster bei der Entwicklung von künstlicher Intelligenz helfen.
Wieso die Playstation 3?
Wie bereits beschrieben, war der Cell-Prozessor für die damalige Zeit ein überaus potentes Stück Hardware – wenn auch für die Entwicklung von Videospielen eher sperrig. Und teuer in der Herstellung. Das dürfte ein gewichtiger Grund sein, wieso auch Sony heute in ihrer Playstation 5 Hardware von der Stange verbaut. Denn damals wurde die PS3 trotz eines stolzen Preises von 599 Euro mit Verlust verkauft.
Was für Sony einem Desaster ähnelte, war für die US Air Force aber ein Gewinn. Denn hätten sie damals einen Supercomputer mit den gleichen Specs aber aus traditionellen Hardware-Komponenten gebaut, hätte sie das deutlich mehr gekostet. Etwa ein Zehntel der Kosten soll die US Air Force durch die PS3 eingespart haben.
Aber die Kosten sind nur ein Grund, wieso die Wahl auf die Playstation 3 fiel. Der andere: Auf die Konsole konnten neue Betriebssysteme aufgespielt werden. Im Fall der US Air Force war es Linux, das auf die 1.760 PS3 gespielt wurde. Denn mit dem Playstation-Betriebssystem hätten die Luftstreitkraft nichts anfangen können – denn das war offensichtlich nur auf das Abspielen von Videospielen und DVDs ausgelegt.
Playstation setzte ein Ende
Es sind nicht viele Informationen dazu öffentlich, inwiefern das Condor Cluster der US Air Force wirklich Nutzen gebracht hat. Schließlich würde es sich um Daten handeln, die klassifiziert, also geheim sind. Aber das ist nicht der einzige Grund. Denn allzu lange dürfte die Luftstreitkraft die 1.760 PS3 nicht effektiv genutzt haben.
Ungefähr zu der gleichen Zeit, als die US Air Force gerade damit beschäftigt war, 1.760 Mal Linux zu installieren, hat Sony ein Update für die Playstation 3 veröffentlicht, das das Aufspielen von anderen Betriebssystemen unterbunden hat – aus Sicherheitsgründen. Zwar war das Condor Cluster nicht mit dem Playstation Network verbunden und damit von den verpflichtenden Updates ausgenommen. Sobald jedoch eine der 1.760 PS3 den Geist aufgegeben hat, musste eine neue Konsole beschafft werden – die dann bereits das fatale Update inbegriffen hatte.
So ging das Experiment zu großen Teilen zu Ende. Der rechenstärkste Supercomputer ist heute übrigens der Frontier. Er bringt 1,102 Exaflops auf die Beine – also Trillionen Floating Operations per Second. Und ein letzter Fun Fact: Der Cell-Prozessor wurde damals in Deutschland entwickelt, in einem Labor in Böblingen.
Ein kleiner Fehler: Die Kosten für diesen PS3-Cluster sind nicht um ein Zehntel geringer sondern haben nur ein Zehntel eines vergleichbaren Supercomputers gekostet! Da ist ein erheblicher Unterschied!