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Valerie Mocker im Changerider: „Mensch first, Technologie second!“

Mit dem neuen Video-Format Changerider wollen Philipp Depiereux und t3n den Menschen die Angst vor der Digitalisierung nehmen. Der aktuelle Interviewgast: Valerie Mocker.

Von Christian van Alphen
6 Min. Lesezeit
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(Screenshot: Youtube)

In der neuen Folge des Video und Podcastformats von Etventure-Gründer Philipp Depiereux ist diesmal Valerie Mocker, Entwicklungschefin der Innovationsstiftung Nesta, zu Gast bei einer Changerider-Fahrt. Sie erzählt, warum Digitalisierung bei den Menschen anfangen muss, wieso man starke Nerven für die Arbeit mit der Politik braucht und was das mit „Borderitis“ zu tun hat.

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Welche alltäglichen Herausforderungen lassen sich mit der Digitalisierung lösen? Diese Frage versucht Valerie Mocker jeden Tag aufs Neue zu beantworten. „Digitalisierung muss im Alltag von Menschen starten und nicht irgendwo an runden Tischen, wo alte, weiße Männer sitzen und über unsere Zukunft reden“, appelliert die 27-Jährige energisch. Die junge Frau hat bereits einen beeindruckenden Lebenslauf hingelegt.

„Wenn du nicht mehr weiter weißt, am besten: testen!“

Die gebürtige Hamburgerin übersprang eine Klasse, machte zügig ihr Abitur und studierte anschließend Archäologie und Anthropologie, später Verhaltensökonomie, beides in Oxford. Seit fünf Jahren arbeitet sie für die gemeinnützige Innovationsstiftung Nesta in Großbritannien. Die von der britischen Regierung gegründete, aber eigenständige Stiftung entwickelt Technologien zur Verbesserung des Alltags, versucht neue Lösungsansätze zu testen, zu finanzieren und auszurollen. In ihrer Arbeit folgt Valerie Mocker vor allem der Philosophie: „Wenn du nicht mehr weiter weißt, am besten: testen!“. Das Ziel: Es sollen nicht nur einige wenige von der Digitalisierung profitieren, sondern die breite Gesellschaft. „Technologie darf nie Selbstzweck sein, sondern muss immer Mittel zum Zweck sein, um irgendwas zu verbessern – unseren Alltag oder das Leben der Menschen. Wir machen nie nur Technologieförderung, sondern wir starten bei den Alltagsherausforderungen. Im Moment bauen wir in ganz Großbritannien ‚Sandboxes‘ auf. Das sind Experimentierräume, in denen neue Technologien ausprobiert werden können. Dabei bringen wir die Stadtregierungen, Unternehmen, Startups und Bürger zusammen und fragen: ‚Was wollt ihr in eurer Stadt, in eurem Leben eigentlich verändern?‘ Das reicht von Herausforderungen zur Verbesserung der Luftqualität bis zu Versorgungslücken zwischen Krankenhäusern.“ Wettbewerbe in der Testphase sollen dabei helfen, schlussendlich die „richtigen Technologien richtig groß zu machen“. Nesta fungiert dabei als Investor und Inkubator, bietet aber auch einen Ort für Menschen mit Ideen und ihren Visionen – immer motiviert die Welt dabei ein bisschen besser zu machen.

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„Du brauchst extrem viel Energie, extrem viel pathologischen Optimismus und du brauchst auch viel Borderitis“

Durch die Experimentier-Methoden von Nesta wird digitale Bildung in Großbritannien bereits als Unterrichtsfach ab der ersten Klasse angeboten. Eine weitere Entwicklung von Nesta, die das Potenzial hat, die Welt etwas besser zu machen, ist eine App, die dabei hilft, Menschen bei medizinischen Notfällen zusammenzubringen. „Wenn jemand einen Herzinfarkt erleidet, braucht ein Krankenwagen meist zehn Minuten zum Patienten, und das ist leider viel zu spät. Innerhalb der ersten vier Minuten muss erste Hilfe geleistet werden. Wir haben dafür eine neue Technologie getestet und finanziert. Diese wurde als eine digitale Plattform in einen Ambulanzwagen eingebaut und sobald der Krankenwagen losfährt, wird ein Ersthelfer in unmittelbarer Umgebung per GPS benachrichtigt. Damit kann man 10.000 Menschenleben im Jahr retten“, so Valerie Mocker. Die Nesta Institution wurde vor 20 Jahren durch die britische Regierung gegründet. Heute berät die Stiftung auch andere Regierungen, Unternehmen und Organisationen und ist in über 30 Ländern aktiv. Denn es brauche mehr europäische Lösungen, so Mocker.

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Die App-Entwicklung für erste Hilfe, hat auch deutsche Politiker neugierig gemacht. Auf Nachfrage eines Ministeriums wurde Mocker eingeladen, um über die Herzinfarkt-App zu berichten. Als sie gefragt wurde, ob die App schon erfolgreich sei, antwortete Valerie Mocker selbstverständlich mit Ja. Die Antwort der Politiker war ernüchternd: Dann könne man das hier nicht machen. Wenn das woanders schon erfolgreich war, könnte jemand behaupten, wir hätten das abgeguckt.

Valerie Mocker weiß, wie wichtig Kommunikation ist, nimmt regelmäßig an Panel-Diskussionen teil und war auch bei Angela Merkel zu Gast, um über ihre Arbeit zu sprechen. Frustration gehört allerdings ebenso dazu, wie das Feiern der Erfolge: „Wenn du mit der Politik arbeitest, brauchst du drei Dinge: Du brauchst extrem viel Energie, extrem viel pathologischen Optimismus und du brauchst auch viel Borderitis. Borderitis ist eine Allergie gegen Grenzen“, scherzt die junge Entwicklungschefin und schafft es, sich trotz aller Anstrengung ihre Leichtigkeit zu bewahren.

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„Du kannst Leute nicht mit einem Eckpunktepapier begeistern, das dann Unterpunkte von A bis M hat“

Wieso tut sich deutsche Politik teilweise noch so schwer dabei, den digitalen Wandel mitzugestalten? „In Deutschland haben wir genauso viele gute Ideen, Unternehmer und Lösungsansätze. Deutsche haben nur leider das Grundprinzip: Wenn du nicht mehr weiter weißt, bilde einen Arbeitskreis. Sie sind Weltmeister in runden Tischen und neuen Kommissionen. Wenn es um Digitalisierung geht, denken wir sehr technologiegesteuert und gehen extrem theoretisch an die Sachen ran, verbringen viel Zeit darauf, Strategien zu entwickeln“, so Valerie Mocker. „Die Frage ist, wo wollen wir eigentlich hin als Gesellschaft. Und da müssen wir uns als ‚Digitalblase‘ – dazu zählen wahrscheinlich auch wir beide, dazu zählt natürlich Wirtschaft und Politik – auch mal fragen, was für ein Quatsch wir manchmal erzählen. Ein Beispiel: Neulich auf einem Event sagte jemand: ‚Wir brauchen eine Gigabit-Gesellschaft, mit tollen KI- und Blockchain-Strategien und wir müssen alle mitnehmen und den Leuten nur mehr Optimismus einimpfen.‘ Eine Frau neben mir lehnte sich dann zu mir rüber und fragte: ‚Was ist denn eine Gigabit-Gesellschaft?‘ Und auch wenn wir sagen, wir müssen die Leute mitnehmen und Optimismus einimpfen – ich weiß, das ist gut gemeint, aber wenn du jemandem sagst, wir gehen in eine Zukunft, du verstehst zwar nicht, was das für eine Zukunft ist, ich nehm dich dann mal mit und impfe dir auch noch was ein – das einzige, was du damit erreichst, ist, dass die Leute 100-prozentig nicht mit dir mitgehen.“

Es werde wahnsinnig viel von Optimismus und Begeisterung gesprochen, „absolut, ich bin voll mit Optimismus für die Zukunft, aber seien wir ganz ehrlich: Du kannst Leute nicht mit einem Eckpunktepapier begeistern, das dann Unterpunkte von A bis M hat“, so die 27-Jährige im Changerider. Eine App zur Hilfe bei Herzinfarkt sei dagegen ein super Beispiel, was Digitalisierung für die Menschen im Alltag erreichen kann. „Wenn ich den größten Digitalisierung-Gegnern erzähle, das ist eine digitale Lösung, die rettet dir das Leben, wenn es brenzlig wird, dann sagen alle: ‚Wenn das Digitalisierung ist, dann mache ich auch mit.‘“ Das Problem aktuell sei, dass wir in Deutschland ebenfalls genug Lösungen haben, die unser Leben verbessern würden. „Die sterben aber, weil wir die nicht groß bekommen.“

„Martin Luther King hatte für die Menschen einen Traum“

Die Changerider-Fahrt endet im Berliner Stadtteil Neukölln, mitten in einem Wohnviertel: „Hier muss Digitalisierung starten! Wir müssen in den Alltag der Menschen kommen und das Wichtigste: Wegkommen von den Technologiestrategien hinzu Gesellschaftsstrategien. Welche Herausforderungen können wir auf diesem Weg lösen? Martin Luther King hat Millionen Menschen mitgerissen, nicht mit einem Eckpunktepapier, sondern er hatte einen Traum. Das war eine Vision von einer Welt, bei der Leute sich vorstellen konnten: Okay, so will ich leben und da will ich hin. Wenn wir es schaffen mit Digitalisierung unsere großen Herausforderungen für den Alltag zu lösen: Dann entsteht Optimismus! Mensch first, Technologie second!“

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Für eine weitere Fahrt im Changerider nominiert Mocker zwei Menschen, die sie in den letzten Monaten nachhaltig beeindruckt haben: Die Gründerin von Tandemploy, Anna Kaiser, einer Plattform für Jobsharing und flexibles Arbeiten. Und Hannes Wendler, der bei den Johannitern für Digitalisierung und Innovation zuständig ist.

Ihr kennt ebenfalls Querdenker, Gamechanger und unermüdliche Optimisten, die für den digitalen Wandel einstehen? Nominiert sie als Changerider-Mitfahrer! Diese und alle weiteren Folgen, sind als Video oder ausführliche Gespräche im Podcast bei iTunes, Soundcloud und Spotify verfügbar.

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Sebastian Tüger

Ist eben eine einfache Wahrheit, wenn Menschen die Vorteile von Neuerungen sehen, werden sie sie auch annehmen und neue Skills erlernen, egal wie komplex es erst einmal wirken kann. Der Punkt ist, um die Vorzüge zu eruieren, braucht es erst einmal eine sowohl verständlich als auch praktische Vorführung und das ist bei einigen Punkten, ohne eine Reduktion der realen Komplexität, kaum möglich. Auf jeden Fall aber ein durch und durch nützliches Projekt, was eher täglich noch ein wenig aktueller wirkt, Deutschland ist in dieser Frage bedauerlicherweise ohnehin im Hintertreffen.

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