„Das haben wir schon immer so gemacht“ – So gehen Chefs mit Fortschrittsverweigerern richtig um
Flexibel, innovativ und jede neue Chance willkommen heißend – so sieht er aus, der ideale Mitarbeiter. Schließlich verlangen dynamische Märkte nach kurzen Reaktionszeiten. Genauso klar ist aber auch, dass die Belegschaft eben keine homogene Masse aus sogenannten „Early Adoptern“ ist. Vielmehr ist ein Großteil der Mitarbeiter fleißig, hilfsbereit und macht einen guten Job. Aber wenn es Veränderungen geben soll, blockieren die fleißigen Bienchen. Sie sind in der Lage, eine Organisation ordentlich auszubremsen. Warum tun Unternehmen sich das an? Sollten sie sich von diesen Fortschrittsverweigerern besser verabschieden? Mal abgesehen davon, dass es die Mitarbeiter mit stetem Vorwärtsgang nicht in Hülle und Fülle gibt, haben auch Gewohnheitstiere ihre Stärken.
Ärmel hoch und Schulterschluss
„Mitarbeiter, die klare Abläufe und Routinen mögen, haben oft auch klare Stärken“, weiß Peter Krumbach-Mollenhauer, Psychologe und Business Coach. „Sie wickeln gerne Aufgaben ab und schaffen Stapel weg.“ Sie hätten in der Regel einen konkreten Deal: „Ich erledige die Arbeit, dafür bekomme ich mein Gehalt.“ Checklisten und wiederkehrende Aufgaben fänden solche Menschen klasse. Mitarbeiter dieses Schlags halten die Organisation zusammen. Sie sind in der Regel teamorientiert, organisieren den Grillabend oder auch den Teamausflug – nach dem Motto: „Ich habe schon mal gegoogelt, da können wir alle mit Segways fahren.“ Sie haben oft eine 300-Gramm-Tafel Schokolade in der Schreibtischschublade, für Notfälle, wenn es kriselt und die Stimmung sinkt. Auf einen Hilferuf folgt selten ein „Nein“. Im Gegenteil. Kollegen können sich sicher sein, hier Unterstützung und Schulterschluss zu erfahren.
„Die fleißigen Bienchen sind super, solange alles wie immer läuft. Standards geben ihnen Sicherheit“, so Krumbach-Mollenhauer. Aber nun ist die ruhige See längst nicht mehr Normalzustand. Vielmehr gehört die „Störung“, das Wellenschlagen zum Alltag. Und jetzt werden sie zum Problem, die Mitarbeiter, die einfach in Ruhe und Frieden ihren Job machen wollen. Wie nimmt man sie mit, die Fortschrittsverweigerer, die meinen, dass doch alles gut ist wie es ist?
Homöopathische Dosen
Wenn eine Veränderung in der Organisation notwendig wird, geht das in der Regel wie folgt: Die Auserwählten schließen sich im Elfenbeinturm ein, brüten einen Geniestreich aus und proben dann den sogenannten Roll Out auf das gesamte Unternehmen. Mal abgesehen davon, dass dieses Vorgehen an sich fragwürdig ist, ist es für die Sicherheitsbedürftigen unter den Mitarbeitern eine immense Überforderung. „Solche Menschen können nicht abrupt alles anders machen, sie können Veränderungen nur in ‚homöopathischen Dosen‘ verkraften“, so Krumbach-Mollenhauer. Hier braucht es Aussagen und Handlungen, die auf das Sicherheitsbedürfnis des Mitarbeiters einzahlen. Es mag simpel klingen, aber ein „Du schaffst das schon“, bewirkt hier Wunder.
Auch wenn diese Mitarbeiter Lob in der konkreten Situation oft ablehnten – nach dem Motto: „Hätte ja jeder so gemacht. Ist ja mein Job“ – so müsse man als Chef dranbleiben: „Trotzdem – ich muss Dir sagen: super!“ Chefs würden Lob und Wertschätzung bei diesen Mitarbeitern oft vergessen, weil diese im Alltag so gut funktionierten.
Helfersyndrom ansprechen
„Auf Sicherheit bedachte Mitarbeiter sind harmoniebedürftig“, so Krumbach-Mollenhauer. „Sie mögen keinen Streit und tun sich damit schwer, ihre Meinung zu sagen.“ Das sei ein Problem für die Führungskraft. Schließlich könne sie sich nicht darauf verlassen, dass ihre Ideen tatsächlich durch- und umgesetzt würden. Es sei daher nicht ratsam, sie an Schnittstellen zu anderen Bereichen einzusetzen, an denen sie Stellung beziehen müssten. Das, was diese Mitarbeiter tatsächlich denken würden, ließe sich eher in der Kantine als im direkten Gespräch in Erfahrung bringen. „In der Kantine beim Schnitzel reden sie schon ganz gerne über kritische Themen“, so der Psychologe. Dann kämen Bedenken auf den Tisch, die im offenen Dialog nicht zur Sprache kommen würden. „Konfliktscheue Menschen muss ich durch Fragen führen“, so Krumbach-Mollenhauer: ‚Hör mal, was ist da los? Ich habe das in der Kantine gehört, als ich am Nachbartisch saß.‘“ Die Führungskraft dürfe dabei keine andere Person als Quelle vorschieben, sondern müsse stets von sich sprechen. „Wichtig ist auch, dass der Vorgesetzte das Problem so wenig bedrohlich wie möglich zeichnet“, empfiehlt Krumbach-Mollenhauer. Bei einer bedrohlichen Situation machten diese Personen sofort zu. Der Königsweg führe auch hier über die eigene Person: „Anscheinend habe ich da etwas falsch eingeschätzt. Wie kannst Du mir da helfen?“
„Es wird immer Mitarbeiter in der Belegschaft geben, die nicht nach vorn preschen, wenn es darum geht, Neuland zu erobern. Wenn es Führungskräften gelingt, sich auf die individuelle Veränderungsfähigkeit einzulassen, wenn sie kleine Schritte auf Augenhöhe gehen, statt den großen Wurf umsetzen zu wollen, dann können auch die Fortschrittsverweigerer wertvolle Leistungsträger im Unternehmen sein“, so Krumbach-Mollenhauer.
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