Zu viel Datenschutz: Friedrich Merz kritisiert Corona-Warn-App
Friedrich Merz sagt zu viel Datenschutz den Kampf an. Wie der Kandidat um den CDU-Vorsitz in einer Gesprächsrunde mit dem Verein C-Netz, der der Union nahesteht, erklärte, seien Politik und Recht „viel zu viel auf den individuellen Datenschutz“ ausgerichtet, auch wenn dies auf Kosten der Allgemeinheit gehe. Die Corona-Warn-App, so konstatierte Merz, sei wirkungslos, da sie eine Nachverfolgung der Infizierten nicht ermögliche.
Eine Tracking-App, wie sie etwa in Südkorea oder Japan erfolgreich zum Einsatz gekommen sei, sei „viel effizienter“. Es sei seltsam, wenn die Verbraucher den Betriebssystemherstellern und digitalen Großkonzernen in den USA mehr vertrauten als dem eigenen Staat. Die Gesellschaft, so urteilt der Kandidat aus dem Sauerland, müsse abwägen, was ihr wichtiger sei – der Gesundheitsschutz oder der Datenschutz.
Merz rät in diesem Zusammenhang dazu, eine klarere Unterscheidung zwischen Datensicherheit und Datenschutz gesetzlich zu verankern. Gleichzeitig ist seine Kritik allerdings dahingehend wenig hilfreich, dass die Corona-Warn-App in der deutschen Variante ja bewusst so gewählt wurde. Und technisch ist eine solche Ortung auch nachträglich kaum umsetzbar und implementierbar, geschweige denn, dass sie auf freiwilliger Basis rechtlich in Deutschland durchzusetzen wäre.
Merz fordert Digitalministerium für Deutschland
Insgesamt präsentiert sich Merz in dem C-Talk genannten Format als digitaler Vorreiter und Macher, spricht sich (wie seine Mitbewerber Norbert Röttgen und Armin Laschet) für ein explizites Digitalministerium aus und fordert nachhaltige Investitionen in digitale Verwaltung. Zudem will er sich dafür einsetzen, dass Gründer von Startups ihre Gewinne steuerlich begünstigt vereinnahmen können, sofern sie diese in Deutschland erzielen und dort verbleiben wollen. Gleichzeitig bleiben solche Pläne aber auch in dieser Hinsicht reichlich unkonkret.
Friedrich Merz übersieht bei seinen selbstbewussten Aussagen einen wichtigen Punkt: Eine Corona-Warn-App, die den Datenschutz zu Gunsten einer besseren Funktionalität hintanstellt, wäre in Deutschland auf freiwilliger Basis noch weniger durchzusetzen gewesen als die jetzt bestehende. Und das Verordnen einer solchen App hätte mit Sicherheit keine politischen Mehrheiten gefunden, sondern die Nutzer nur noch mehr dagegen aufgebracht. Dass das in einigen asiatischen Ländern anders ist, hat – soweit es sich dort um Demokratien handelt – mit dem dortigen weniger ich-bezogenen Denken der Gesellschaften zu tun.
Tobias Weidemann
Welche digitalen Defizite Deutschland hat, liest oder hört sich im wirklich spannenden Buch:
Zukunft verpasst?: Warum Deutschland die Digitalisierung verschlafen hat und wie uns die Krise hilft, den Anschluss doch noch zu schaffen. Von Cornelius Boersch , Thomas Middelhoff.
Das die derzeitige Corona App durch die (halbstaatliche) Telekom programmiert wurde, wundert mich (nach dem hören des Buches) nicht. Eine wirksame, nachverfolgende App soll bereits verfügbar sein. Nein, nicht von der Telekom.
Wir werden die Schlafmützigkeit und den Lobbyismus bei der Digitalisierung der derzeitig regierenden, noch zu spüren bekommen..
Korrigieren sich mich gerne – aber wurde die App nicht von der SAP programmiert und der Telekom betrieben? Bzw. bringt die Telekom in erster Linie zusätzlich noch Know-How mit zur Anbindung der Labore.
Entwickelt wurde die App von SAP. Die Telekom ist wirklich nur der Betreiber (stellt die Server zur Verfügung). Und das größte Problem an der Digitalisierung in Deutschland is bestimmt kein Lobbyismus, sonder die Privatisierung. Der Staat hat keinen direkten Einfluss auf z.B. den Netzausbau, da die Firmen das entscheiden. Der Staat kann nur mit Prämien und Gesetzten versuchen das zu lenken. Das funktioniert mehr schlecht als recht. Wir haben keine einheitliche Linie was Digitalisierung angeht und haben das schlichtweg verschlafen.
Ich glaube die Telekom hat die Downloadkapazitäten bereitgestellt. Wie das jetzt ist und wer da alles dran beteiligt ist, weiss ich natürlich nicht. Aber damals war es wohl so.