Von Bilderkennung bis Beratungsagent: So will Ebay mit KI-Tools punkten

Mehr KI soll das Erstellen von Listings einfacher machen. (Foto: Shutterstock/Wichayada Suwanachun)
Spätestens seit dem Verkauf von Kleinanzeigen.de hat Ebay seine Liebe zu den privaten Endkund:innen wieder entdeckt – und das mehr denn je. Der Pre-Loved-Markt, wie Ebay den Handel mit Gebrauchtem nennt, ist offenbar sogar größer als vermutet. Eine aktuelle, repräsentative Civey-Umfrage hat ermittelt, wie viel Kapital in jedem Haushalt schlummert: 24,9 Prozent der Erwachsenen in Deutschland besitzen nach eigenen Schätzungen Gegenstände im Wert von 200 bis 599 Euro, die sie verkaufen könnten, es aber nicht tun.
15,9 Prozent der Befragten beziffern den Wert ihrer ungenutzten Artikel auf bis zu 199 Euro und laut der Umfrage haben weitere 16,5 Prozent der Erwachsenen sogar ungebrauchte Artikel im Wert von mehr als 1.000 Euro in ihrem Besitz. Ein Zeichen der Überflussgesellschaft und nicht zuletzt oftmals sicher auch der Rücksendefaulheit vieler Konsument:innen geschuldet.
Demnach besitzt mehr als jede:r Vierte Gegenstände, die – neu oder gebraucht – ungenutzt herumliegen und zu Geld gemacht werden könnten. Vor allem Kleidung und Schuhe könnten offenbar viele von uns loswerden: 51,2 Prozent geben an, in diesem Bereich theoretisch Artikel verkaufen zu können. Am zweithäufigsten werden Bücher und Comics (30,3 Prozent) ungenutzt aufbewahrt, gefolgt von Schallplatten, CDs und DVDs (29,8 Prozent). Und vor allem bei den Digital Natives liegt viel ungenutzte Elektronik herum: 35,5 Prozent der 18- bis 29-Jährigen erklärten, ungenutzte Handys und Smartphones zu haben. Und rund ein Drittel (33,4 Prozent) hat noch ungenutzte Computer, Tablets und Netzwerk-Artikel.
Komplizierter Einstellvorgang soll einfacher werden
Dass das nicht geschieht, daran haben in den letzten Jahren vor allem auch die Plattformen selbst ihren Anteil, denn das Einstellen ist in vielen Fällen weniger intuitiv als es sein könnte und daher oftmals zeitraubend. Allerdings ist der Vergleich mit anderen Plattformen, bei denen Käufer:in und Verkäufer:in vor Ort miteinander verhandeln, auch schwierig. Zudem gehe es auch um die Auffindbarkeit, wo Ebay deutlich detaillierter und feature-basierter arbeitet als etwa der Kleinanzeigen-Markt.
Ebay hat daher jetzt ein KI-gestütztes Tool für Privatverkäufer:innen eingeführt, mit dessen Hilfe sie einen Artikel deutlich schneller und einfacher einstellen können. Anhand eines Bildes und einiger Dinge, die man nachjustiert, soll das Angebot so deutlich unkomplizierter zu erstellen sein. Deutschland ist hier der erste Markt, in dem das Tool ausgerollt wird, doch die nächsten Märkte werden in den nächsten Wochen folgen, unter anderem Großbritannien, wie Saskia Meier-Andrae, Geschäftsführerin von Ebay Deutschland, erklärt: „Wir waren der erste Markt, der 2023 das kostenlose Verkaufen für Privatkund:innen eingeführt hat und insofern hat man uns auch jetzt bei diesem Tool priorisiert.“
In der Tat machen die Privatverkäufe – ähnlich wie in anderen Ländern – rund ein Fünftel des Umsatzes aus. Das sei allerdings ein Provisionsanteil, auf den man gerne verzichte, um umgekehrt die Privatverkäufer:innen enger an sich zu binden. Denn diejenigen, die dort verkaufen, kaufen nachgewiesenermaßen auch mehr auf der Plattform ein. Das Unternehmen komme da ein Stück weit zu seinen Anfängen zurück, erklärt Meier-Andrae, und man sieht die Privatverkäufer:innen als besonders wertvoll an.
Das erklärte weitere Ziel sei es, die Hürden beim Einstellen von Produkten abzubauen und die Zeit, die ein Listing dauert, zu verkürzen. „Die größte Hürde beim Privatverkauf ist die zeitliche – man muss es den Kund:innen so leicht wie möglich machen, schnell mal etwas einzustellen“, sagt die Ebay-Deutschland-Chefin. Zunächst klappt das mithilfe von KI auf der App, weil das Privatverkaufsgeschäft primär hier stattfindet. Allerdings ist es bei Nutzer:innen, die das Verkäufercockpit Pro nutzen, nicht per Default vorgegeben, sondern kann aktiviert werden.
Das ist auch sinnvoll, weil die dortigen Nutzer:innen sich ja bewusst für die komplexeren Einstellungsmöglichkeiten entschieden haben und meist mit einem anderen Anspruch herangehen als der Gelegenheitsverkäufer. Wer sich aber neu für die App entscheidet oder keine besonderen Einstellungen in seinem Konto vorgenommen hat, soll die KI-Funktionen ohne Justieren zu sehen bekommen.
(Teil-) Automatisierung des Einstellprozesses
Das Tool automatisiert in der Tat einen Teil des Einstellprozesses – und das über sämtliche Kategorien hinweg. In vielen Fällen soll ein Foto ausreichen, damit die KI über die Bilderkennung ermittelt, worum es sich konkret handelt. Über die Datenbank kommen dann Zuordnungen und relevante Produktdetails hinzu, wobei die datenbasierte Analyse noch nicht in allen Fällen weiterhilft, beziehungsweise Nacharbeit nicht ausbleiben wird. Auch lassen sich passende Kategorien finden und wichtige Angaben ergänzen, etwa zu den Details von Autoreifen, zur Variante oder Speicherausstattung eines Smartphones.
„Je standardisierter das Produkt ist und je eher es via Bild zu erkennen ist, umso wahrscheinlicher ist es, dass ich schon vieles vorausgefüllt bekomme. Eine ganz bestimmte Pokémon-Karte ist hier etwas anderes als etwa ein schwarzer Blazer. Doch selbst bei Letzterem erhalte ich Vorschläge, anhand derer ich das Produkt schnell und treffsicher klassifizieren kann.“ In vielen Fällen wird die KI Vorschläge machen, doch gerade bei einem iPhone oder einem Notebook sei nicht klar, welche Speicherausstattung es hat.
Doch selbst wenn es anhand des Bildes nicht 100-prozentig passt, kann die KI hilfreiche Zwischenschritte gehen, Preisvorschläge machen und vor allem bei der Produktbeschreibung vieles übernehmen. Hinzu komme, dass die KI ja in den nächsten Monaten anhand der vielen Fälle lernen wird und zunehmend Verbesserungen bekommt.
KI soll auch für gewerbliche Händler:innen zum Einsatz kommen
Auch wenn Ebay hier zunächst für die Privatkund:innen eine passende Lösung schafft, ist das natürlich nicht das erste System dieser Art. Seit einigen Wochen gibt es etwa für gewerbliche Händler:innen eine Funktion auf KI-Basis, die den Verkaufsprozess effizienter gestalten soll und auch hier die Zeiten bis zum Listing verkürze. Hierbei können größere Mengen an Fotos auf einmal hochgeladen werden, woraus Ebay entsprechende Entwürfe mit passenden Kategorien und Artikelmerkmalen generiert. Nach einem Check und einer möglichen Ergänzung der KI-Ergebnisse können die Angebote veröffentlicht werden. Man wolle auch hier den Verkaufsprozess optimieren, erklärt Saskia Meier-Andrae, räumt aber ein, dass es stets darum gehe, mit Bedacht die Angaben, die die KI macht, zu überprüfen und zu optimieren.
Die neuen Funktionalitäten seien als Teil einer globalen KI-Strategie zu sehen – und mehr als zehn Millionen Verkäufer:innen hätten die generativen KI-Funktionen von Ebay bereits genutzt. Wie viele das dauerhaft tun, wird sich wohl erst noch zeigen müssen, aber klar ist, dass hier vieles im Fluss ist. Insgesamt, so erklärt die Ebay-Deutschland-Chefin, sei KI inzwischen Teil der Kernstrategie und es gehe grob um drei Bereiche, in denen Ebay weltweit mit KI-Funktionalitäten effizienter werden will. Neben dem hier geschilderten Listing- und Verkaufsprozess, der nach und nach besser werden soll, testet das Unternehmen, das eine Kooperation mit OpenAI eingegangen ist, vieles rund um Agenten-basiertes Einkaufen.
Diese Agenten sollen den Kunden oder die Kundin anhand der Vorgeschichte und auch „um die Ecke gedacht“ beraten, etwa ein passendes Geschenk zu einem bestimmten Anlass für eine bestimmte Person zu finden. Es könnte also sein, dass das Suchfeld bald deutlich mehr als eine klassische Suche ist, ähnlich wie viele andere Plattformen das anstreben. „Wenn man in die Zukunft schaut, wandelt sich das Shoppingerlebnis – ich persönlich nutze beispielsweise immer weniger die klassischen Suchmaschinen, sondern setze auf ChatGPT und andere KI-Lösungen und stelle offene Fragen. Und ich glaube, das Verhalten wird sich in Zukunft auch auf Onlineshopping übertragen“, erklärt Meier-Andrae.
Der dritte Bereich schließlich betrifft das Wissensmanagement im Unternehmen selbst, den Wissensschatz und die internen Daten, wie es die Ebay-Deutschland-Chefin beschreibt. Klar ist, dass sich der Onlinehandel wandelt – und dass wir erst am Anfang der Entwicklung stehen. Gerade die großen Plattformen dürften ihren Anteil am Markt dadurch weiter ausbauen können, weil sie es sind, die (anders als der/die kleine Händler:in selbst) von den einschlägigen LLM-Modellen und Agentenlösungen profitieren können.