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Analyse

Der Irrsinn um Von Floerke hatte Methode

Kein Irrsinn, sondern eiskaltes Kalkül trieb Von-Floerke-Gründer David Schirrmacher zu seiner Hetzjagd gegen Investor Frank Thelen. Die Analyse des Dramas um das DHDL-Startup.

Von Jochen G. Fuchs
5 Min.
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So geschniegelt sieht man Von-Floerke-Gründer Schirrmacher im Moment selten. In einer seiner Live-Sauf-Verkaufsshows präsentierte er sich kürzlich mit Gewehr in der Hand. (Screenshot: Facebook/Von Floerke)


Ein junger Mann, leicht derangiert wirkend, sitzt saufend und schimpfend vor der Kamera. Schließlich steht er auf, holt sein Jagdgewehr aus dem Safe und fuchtelt damit herum. Was sich wie eine Szene einer RTL-2-Nachmittagssendung liest, ist einer der Höhepunkte, oder eher Tiefpunkte, in der Schlammschlacht des Von-Floerke-Gründers David Schirrmacher gegen seinen mittlerweile Ex-Investor Frank Thelen. Und gleichzeitig die wohl abstruseste Form von TV-Shopping, die je ausgestrahlt wurde, denn jeder Ausfall wurde von Rabattcodes begleitet und generierte Umsatz.

Der Onlineshop des Mode-Startups war in Schieflage geraten und von der Insolvenz bedroht, gegen Schirrmacher ermittelt die Staatsanwaltschaft. Womit Schirrmacher geradezu selbstmörderisch kokettierte. So hat sich der Gründer etwa am Flughafen von seinen Gläubigern und Kunden verabschiedet und angedeutet sich ins Ausland abzusetzen – versehen mit Rabattcode. Schirrmacher ist dabei keineswegs verrückt geworden, auch wenn seine Guerilla-Marketing-Strategie sich in jüngster Zeit mit frauenfeindlichen Posts eher in eine Kamikaze-Aktion verwandelt: Er handelt mit eiskalter Berechnung, um sich und sein Unternehmen zu retten.

Hier war die Welt noch in Ordnung, Von Floerke in der dritten DHDL-Staffel. (Screenshot: YouTube)

Frank Thelen loswerden

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Das Auftreten von David Schirrmacher wirkte auf viele wie der reinste Wahnsinn: Kunden beleidigen und schnodderige Antworten waren zu Beginn des Dramas dabei noch die am wenigsten skurrile Entwicklung. Schirrmacher setzte wieder und wieder einen oben drauf.

Die Kommunikation entgleiste derart, dass sich nicht nur Thelen fragte, ob Schirrmacher noch in Kontakt mit der Realität stand. Denn der DHDL-Investor wurde mit einer beispiellosen Hasskampagne von Schirrmacher überzogen. Dabei ging es aber nicht nur um Hass und Wut.

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Das ganze Theater sollte ein PR-Coup sein. Das ist aber nur ein Teil der Wahrheit. Schirrmacher erklärt im Gespräch mit t3n ganz offen, dass der Zweck der Thelen-Kampagne ganz genau der war, was seine „Frank-Thelen-muss-raus-Box“ andeutete: Ein rücksichtsloser Plan, der darauf abzielte, den Investor um jeden Preis loszuwerden. Aus Schirrmachers Sicht hatte der Investor ihn verraten. „Früher stand auf Hochverrat die Todesstrafe, heute stirbt man eben den medialen Tod“, erklärt er sein Vorgehen. Der Von-Floerke-Gründer hat Thelen in den sozialen Medien solange bedrängt, bis der entnervt das Handtuch warf und seine Anteile an den Von-Floerke-Gesellschafter Nic Mewes überschrieb.

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Was hat zu dieser Strategie geführt und wie kam Schirrmacher auf die Idee, sein Unternehmen mit einer Art Kamikaze-Marketing zu retten?

50 Prozent mehr Umsatz mit Hasspostings

Ende 2018 waren von dem Unternehmen nur noch Trümmer übrig. Das Büro in Bonn aufgelöst, die Läden, die bis dahin defizitär gearbeitet und mit großen Personalfluktuationen zu kämpfen hatten, waren geschlossen. Von Floerkes Zahlungsdienstleister hatten die Guthaben eingefroren oder zurück an Kunden ausgezahlt und alle bezahlten Marketingkanäle waren gesperrt.

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Schirrmacher stand vor der Aufgabe, ohne Performance-Marketing Umsatz zu generieren. Seine Hoffnung schien zu sein, das Unternehmen so lange am Leben zu erhalten, bis er sich mit seinen Gläubigern über einen Schuldenschnitt einigen konnte.

Schirrmacher war von dem mittlerweile ziemlich harten Ton seiner Kunden genervt, die teilweise schon seit Wochen auf ihre Lieferung warteten und mit Beschimpfungen nicht sparten. Als er anfing schnodderig Kommentare auf Facebook zu beantworten, stellte er überrascht fest, dass die Reichweite dieser Posts jeden bezahlten Post überstieg. Und so wurde aus einer genervten Attitüde eine anscheinend gut funktionierende Marketingmasche. Beschwerden um noch ausbleibende Bestellungen versuchte Schirrmacher, mit einem Beschwerdeformular abzufangen. Das wurde unter der mittlerweile rasch anwachsenden Schnodder-Kommentar-Fanbase zum Running Gag, weil die Aufforderung das Beschwerdeformular auszufüllen, im Zweifel auch mehrmals an dieselben Kunden versandt wurde. Aber das System schien zu greifen, denn die wütenden Kundenkommentare wurden weniger. Verschwunden sind sie noch nicht, von ehemals Dutzenden Kommentaren pro Tag sind jetzt täglich noch vereinzelte Kommentare auf der Facebook-Seite zu finden.

Ab jetzt hieß es Aufmerksamkeit um jeden Preis. Und dieses Spiel spielte Schirrmacher gut, so gut, dass selbst das Handelsblatt auf eine von ihm gefakte Hausdurchsuchung hereinfiel. Besonders gut schien der Community aber das Bashing des DHDL-Investors Thelen zu gefallen, denn Schirrmacher berichtete von bis zu 50 Prozent mehr Umsatz an Tagen mit Thelen-Posts. Von jetzt an folgten fast täglich hasserfüllte Posts, die sich gegen Thelen richteten. Das Anti-Thelen-Marketing gipfelte schließlich in einer „Frank-muß-raus-Box“. Thelen wollte seine Anteile zwar abgeben, aber am liebsten an die Von-Floerke-Anleger einer Crowdinvestment-Kampagne bei Kapilendo, was Schirrmacher nicht wollte.

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Also ergänzte der Von-Floerke-Gründer seine Vorgehensweise noch um nahezu allabendliche Livestreams, in denen er, mit Whiskey und Zigarre bewaffnet, mit Rabatten um sich warf und gegen Thelen wetterte. Das Ganze verkam immer mehr zu einer Unterhaltungsshow. In jüngster Zeit wurden die Posts immer schräger, die unrühmliche Krone setzte Schirrmacher dann seinem Marketing mit ausgesprochen frauenfeindlichen Posts auf.

Die Folgen des Kamikaze-Marketings

Die ursprüngliche Guerilla-Marketing-Strategie, mit der offensichtlichen Insolvenz zu kokettieren und auf Schnodder-Antworten umzustellen, sorgte für hohe Interaktionsraten und brachte Umsatzzuwachs.

Schirrmachers einzige Sorge galt offensichtlich dem Umsatz, mit jedem überdrehten Post konnte der Unternehmer dem Startup etwas mehr Luft und Zeit verschaffen, denn im Hintergrund versuchte er, seine Gläubiger zu einem Schuldenschnitt zu bewegen. Und dieser Schuldenschnitt musste bedient werden, deshalb wurde das Marketing immer abgedrehter und verließ irgendwann endgültig die letzten Grenzen des guten Geschmacks. Doch der Umsatz floß weiter.

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Im Moment scheint es, als hätte Schirrmacher genug Geld eingenommen, um den vereinbarten Schuldenschnitt zu bedienen. Allerdings muss der umstrittene Unternehmer noch hart am Alltagsgeschäft arbeiten: Die aktuell immer noch aufzufindenden Beschwerden über verspätete oder vorläufig ausbleibende Lieferungen sprechen eine deutliche Sprache.

Es bleibt noch die Frage, zu welchem Preis Schirrmacher das Unternehmen möglicherweise vor einer Insolvenz bewahrt hat. Der ursprüngliche Gentleman-Club ist jetzt weit von seiner Zielgruppe entfernt. Er erreicht heute Kunden, die sowohl Spaß an der öffentlichen Destruktion als auch an – vorsichtig ausgedrückt – politisch wenig korrekten Botschaften haben. Sobald der Unterhaltungsfaktor entfällt, könnten die Kunden wieder weg sein.

Die Schlammschlacht mit Thelen scheint zumindest endgültig beendet zu sein: Von Floerke postete kürzlich das anscheinend letzte Thelen-Meme mit den Worten „Ein Letzter noch, dann ist gut.“ Die Profil- und Titelbilder der Facebook-Seite mit Persiflagen und Schmähbildern sind gegen normale Werbematerialien ausgetauscht worden. Der Marketingkurs in Richtung „Anti-Political-Correctness“ geht im Moment jedoch munter weiter. Als nächstes Thema hat Schirrmacher den Dieselskandal ausgemacht und wettert gegen einen „links-ideologischen Komplex“. Und kündigt eloquent die nächste „Saufi-Sauf-Show“ im Livestream an. Aus dieser selbstgewählten Schiene wieder herauszukommen, dürfte schwierig werden. Vielleicht hat die deutsche E-Commerce-Szene mit Von Floerke jetzt mit Live-Sauf-Verkaufsshows zukünftig eine Art dauerhaftes Rtl 2 des Live-Shoppings.

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Schirrmacher gibt im Gespräch mit t3n an, sich fürs Erste darauf konzentrieren zu wollen, ein stabiles Kerngeschäft aufzubauen. Was immer das auch werden mag. Von Venture Capital scheint Schirrmacher die Nase voll zu haben – mit Sicherheit aber auch das Venture Capital von ihm.

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3 Kommentare
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Dein t3n-Team

Andreas Krüger

Ihr hättet zumindest schreiben können wann das nächste Saufi-Sauf ist. ❤

Antworten
Daniel

Ich finde es traurig, was Menschen mittlerweile tun, nur um Geld zu machen. Ethisch ist da nichts mehr vertretbares. Als selbst Unternehmerisch aktiver Mensch widern mich derartige Kampagnen an.

Solche Unternehmer schaden neugründern und sollten sich schnellstmöglich in der Arbeitslosigkeit finden. Marketing ist das nicht mehr. Und wer so Marketing betreibt, schadet der Unternehmenswelt nachhaltig.

Antworten
Frank Hofer

Da sieht man wieder, was für ein merkwürdiges Geschäft die Werbung ist. Große, von teuren Agenturen konstruierte Strategien floppen, und semi-menschlisches Gezeter generiert Umsatz. Daß man mit dem expliziten Hinweis auf mangelnden oder nicht vorhandenen Kundenservice tatsächlich Kunden anlockt klingt ziemlich krank, aber schon Iggy Pop fuhr ja in seinen frühen Jahren die gleiche Strategie…

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