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Unter der Gürtellinie: Warum im Wahlkampf die Fairness auf der Strecke blieb

Der zu Ende gehende Wahlkampf hat mehr denn je in den sozialen Medien stattgefunden – nicht nur durch die Parteien, sondern auch durch ihre Anhänger. Wir müssen wohl mit dieser oft unfairen Form politischer Kommunikation klarkommen.

3 Min. Lesezeit
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Bei der diesjährigen Bundestagswahl gibt es ein paar Gewinner und viele Verlierer. Schon im Vorfeld verloren hat der politische Diskurs im Internet. (Foto: Jan von nebenan / shutterstock)

Bei der diesjährigen Bundestagswahl gibt es ein paar Gewinner und viele Verlierer. Schon im Vorfeld verloren hat der politische Diskurs im Internet. Bei keiner Wahl in Deutschland in den letzten gut 20 Jahren traten die Mechanismen und Nebenwirkungen der sozialen Medien so negativ zu Tage wie in dieser Wahl – und das übrigens parteiübergreifend. Kaum ein Tag, an dem nicht aus irgendeiner Rede, einem Wahlkampfauftritt oder einer Inszenierung der Kandidaten ein dem politischen Gegner passend erscheinendes Detail herausgegriffen wurde. Genüsslich ausgeschlachtet, in Memes verpackt und inszeniert spielten die Anhänger der politischen Lager Punkt um Punkt gegeneinander aus, ohne in den meisten Fällen inhaltlich und sachpolitisch zu argumentieren.

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Natürlich boten die Kandidatinnen und Kandidaten auch reichlich Angriffsfläche in einem Wahlkampf, in dem jeder sein mobiles Endgerät quasi immer abschussbereit dabei hat. Denn ein im falschen Moment abgelenkter Politiker, ein nicht Maske tragender (oder gerade Maske tragender) Kandidat, ein Versprecher oder Blackout, eine überkippende Stimme, die als Unsicherheit ausgelegt wird – all das hätte sich früher „versendet“ und wäre selbst in den letzten Jahren ohne die inzwischen verfügbare Rückspulfunktion der TV-Streams nur schwer wieder auffindbar gewesen.

Hunderttausende Wahlkämpfer und viel Aufregung

Gelernt haben das nicht nur die Parteien und ihre PR-Teams selbst, sondern auch die Hunderttausenden Wahlkampfhelfer bei Twitter und Co, die teilweise innerhalb von Minuten die Aufregungsmaschinerie anzuheizen verstanden – immer auf der Suche nach der nächsten Empörungsquelle. Es ist die Macht der (bewegten) Bilder und des auf 280 Zeichen reduzierten Wortes, die das Ganze so gefährlich macht und verfälscht. Ein Like hier, ein Share dort – das schafft Reichweite und macht Meinung.

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Allzu oft zeigte sich, dass eine Empörungswelle über Laschet und Baerbock, seltener über Scholz, der wenig Angriffsfläche bot, bei genauerem Hinsehen dann doch weniger eindeutig gegen den oder die Betreffende sprach, als angenommen. Ein geschickt gewählter Bildausschnitt, auf dem ein Regenschirm nicht zu sehen war, ein Interviewkontext, der die Kandidatin dann doch etwas anders erscheinen ließ als das einzelne, aus dem Zusammenhang gerissene Zitat, eine Statistik, die der näheren Analyse dann doch nicht standhielt – all das war schnell gefunden, wurde, wenn’s ins eigene Weltbild passte, mit wenigen Klicks weiter verteilt, und hielt in so vielen Fällen dem Faktencheck nur mit viel bösem Willen stand.

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Politiker müssen sich an diesen aggressiven Wahlkampf gewöhnen

Immerhin: Nur in wenigen Fällen schwappte all das über die Communitys hinaus in die klassischen Medien. Vertuschung witterten da die einen, Parteilichkeit der öffentlich-rechtlichen Medien kritisierten die anderen – interessanterweise bei beiden Lagern gleichermaßen. Mitgespielt haben hier übrigens auch einzelne Medien, vorneweg Bild TV, die es immer wieder schafften, Symbolpolitik im Interesse der eigenen Reichweite zu inszenieren, aus einem Detail wie einer ohne Trinkgeld gezahlten Rechnung eine große Geschichte zu machen und bestenfalls das Trinkgeldthema mit der Mindestlohndebatte zu verknüpfen.

Ob wir uns in Zukunft daran gewöhnen müssen, Hunderttausende Wahlkämpfer in und außerhalb der Parteien zu haben, wird sich zeigen müssen. Der zu Ende gehende Wahlkampf hat jedenfalls viele Widerwärtigkeiten auf allen Seiten offenbart, die dem politischen Diskurs nicht guttun, sondern eher Gräben tiefer werden lassen. Und Berufspolitiker, aber auch Kommunalpolitiker müssen sich wohl in Zukunft daran gewöhnen, dass sie diversen Ehrverletzungen und Anfeindungen von mehr oder weniger anonymen Social-Media-Helden ausgesetzt sind. Dass sich Robert Habeck schon vor mehreren Jahren von Twitter verabschiedet hat, weil er hier nicht die Möglichkeit sah, Sachverhalte in geeigneter Weise zu diskutieren, ist da wohl ein Zeichen für seinen Weitblick.

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