Wankelmütige Werte: Was bleibt, wenn US-Konzerne ihre DEI-Initiativen abstoßen?

Der Onlinehändler Amazon hat ausgemistet. Nicht im eigenen Sortiment, sondern bei den Initiativen, die das Unternehmen unterstützt. Man habe sich von „veralteten Programmen und Materialien“ getrennt, hieß es in einem internen Memo, das unter anderem der Nachrichtensender CNBC zitiert. Das Opfer der Aufräumwut: Initiativen, die sich für Diversität, Gleichstellung und Inklusion einsetzen, sowie Textpassagen im eigenen Onlineauftritt, die sich zu solchen Initiativen bekennen.
Ganz ähnliche Schritte wurden in den letzten Tagen bei Meta und McDonald’s eingeleitet. Und schon im Sommer 2024 hatten sich US-Unternehmen wie der Traktorhersteller John Deere, Bourbon-Produzent Jack Daniel’s und der Motorradhersteller Harley-Davidson – teils nach rechts-konservativer Stimmungsmache aus dem Netz – öffentlichkeitswirksam gegen ihre bisherigen Diversitätsprogramme und entsprechende Sponsorings gestellt.
„Alle sind willkommen“: Ein Credo mit Grenzen
Die entsprechenden Statements der Unternehmen enthalten meist zwei Komponenten. Absagen ans bisherige Engagement werden gerahmt von Passagen, in denen das Unternehmen – mal mehr, mal weniger überzeugend – versucht, sich weiterhin offen zu präsentieren.
Bei Harley-Davidson klang das im Sommer so: Man habe schon immer Motorradfans „unabhängig davon, wer sie sind, woher sie kommen und woran sie glauben“ angesprochen. „Sozial motivierte Inhalte“ wolle man jetzt aber beispielsweise doch lieber aus den Belegschaftstrainings streichen. Auch unter den „goldenen Bögen“ von McDonald’s sollen „alle“ willkommen sein. Was allerdings nicht mehr willkommen scheint: der Begriff „Diversität“. Er wird in der Stellungnahme konsequent durch „Inklusion“ ersetzt.
Dass „alle“ als Kundschaft oder Arbeitskräfte willkommen sind, klingt ja erst mal nicht verkehrt. Nur sind damit auch Menschen inbegriffen, die anderen ganz explizit die Daseinsberechtigung absprechen. Wo positioniert sich ein Unternehmen in so einem Fall?
Die Statements lassen Unterschiedliches vermuten. Manche Unternehmen dürften wie McDonald’s irgendwo im Nirgendwo landen, beim Versuch, die eigenen Werte nicht komplett zu verraten, und trotzdem Sympathien aus rechtskonservativen Ecken abzufischen. Andere positionieren sich wie Amazon da, wo die Stimmen besonders laut und die Netzwerke ausgeprägt sind, wo die höchste Kaufkraft oder die besten politischen Konditionen vermutet werden. Hauptsache, die eigenen Freiheiten werden nicht beschnitten. Und dann gibt es da noch die Fraktion des Mark Zuckerberg, der es nicht mehr so genau nimmt mit Fakten, dafür aber Aggressivität feiern will und zu seinen frauenverachtenden Anfängen zurückkehrt.
Tschüss Haltung, hallo Bluewashing
Wer seine bisher postulierten Werte jetzt wechselt wie eine ungeliebte Unterhose, zeigt damit: Die Kampagnen der Vergangenheit waren Bluewashing. So lautet der Fachbegriff für soziales Engagement, das lediglich der unternehmerischen Imagepflege dient. Haltung? Gerne, aber nur, solange sie Aussicht auf den höchsten Profit bringt.
Wirklich überraschend dürfte dieser unternehmerische Opportunismus für die wenigsten sein. Das macht ihn für die betroffenen Communitys und deren Verbündete allerdings nicht weniger enttäuschend und gefährlich.
Rückhalt können an dieser Stelle vielleicht zwei Aspekte geben. Zum einen die Hoffnung: Wer sich jetzt weiterhin strukturell für ein vielfältiges und offenes Miteinander einsetzt, meint es womöglich wirklich ernst damit. Und zum anderen das Wissen: Vielfalt ist so viel mehr als ein Programm, das irgendwann ausläuft, oder eine Abteilung, die man schließen kann.