Zu warm oder zu kalt? Mit der perfekten Heizkurve sparst du Energie und Geld
Ein Teil unserer teuer bezahlten Heizwärme fließt regelmäßig ungenutzt durch die Heizungsrohre. „Häufig sind Heizungen total überhöht eingestellt, aber die Kunden merken es nicht, weil es ausreichend warm wird“, sagt Florian Lörincz, Energieberater für die Verbraucherzentrale Niedersachsen. Die gute Nachricht: Oft können auch Laien den Energieverbrauch der Heizung deutlich senken. Die schlechte: Sie brauchen dafür reichlich Geduld.
Das Ziel dabei ist, die Vorlauftemperatur – also die Temperatur des Heizwassers, das vom Kessel zu den Heizkörpern strömt – gerade so hoch zu regeln, dass ein Raum auch bei offenen Heizkörperventilen nicht zu warm wird. Andernfalls deckeln die Heizkörperthermostate die Raumtemperatur auf den bei ihnen eingestellten Wert (Stufe III entspricht meist 20 Grad), während der Kessel unverdrossen weiterheizt. Das heiße Wasser strömt dann an den Heizkörpern vorbei zurück zum Kessel. Steht dieser im unbeheizten Keller, geht auf dem Weg dorthin entsprechend viel Energie verloren. Außerdem erhöht dies den Verschleiß des Kessels, weil er unnötig oft anspringt.
Dieser Text ist zuerst in der Ausgabe 1/2023 von MIT Technology Review erschienen. Hier könnt ihr die TR 1/2023 bestellen.
Hier kommen die Heizkurven ins Spiel
Doch wie genau wird die richtige Vorlauftemperatur gefunden? Hier kommen die Heizkurven oder Kennlinien ins Spiel. Sie geben vor, dass bei einer Außentemperatur von x Grad eine Vorlauftemperatur von y Grad herrschen soll. Mit dem Drehregler der Heizung, der meist irgendwo an der Wand montiert ist, lässt sich eine Kurve pauschal Richtung „kälter“ oder „wärmer“ verschieben. Für eine optimale Heizungssteuerung reicht das allerdings noch nicht. Schließlich verliert ein Haus umso schneller an Wärme, je größer die Differenz zwischen Innen- und Außentemperatur ist. Energieberater Lörincz erklärt das gerne am Beispiel einer Tasse Kaffee: Heißer Kaffee kühlt sehr schnell ab, aber lauwarmer Kaffee nähert sich nur langsam der Umgebungstemperatur an.
Deshalb gibt es Heizkurven mit unterschiedlichen Steigungen. Eine steilere Kurve bedeutet: Bei kälteren Temperaturen steigt die Vorlauftemperatur schneller an als bei milden. Je niedriger und flacher die Kurve, desto geringer ist somit der Energieverbrauch. Meist ist bei Heizungsanlagen eine mittlere Kurve voreingestellt, doch die passt in der Regel nur halbwegs. Denn je schlechter die Dämmung des Hauses, desto höher und steiler die benötigte Kurve.
Um die richtige Einstellung zu finden, dreht man an einem kalten Tag ohne Sonneneinstrahlung die Heizkörper eines Referenzraums (etwa des Wohnzimmers) voll auf. Dann verschiebt man die Heizkurve in kleinen Schritten so lange, bis die Wohlfühltemperatur erreicht ist. Dabei ist es sinnvoll, alle Änderungen zu notieren oder zu fotografieren. Das Ganze wiederholt man an einem milden Frühlingstag. „Der dritte Schritt ist dann, sich die Betriebspunkte aus Winter und Frühling zu merken und eine Heizkurve zu wählen, die beide miteinander verbindet“, sagt Lörincz.
Wahl der Heizkurven: „Das wäre auch Laien zuzumuten“
Als Faustformel empfiehlt der Heizungsbauer Viessmann: „Ist die Raumtemperatur in der Übergangszeit zu niedrig, an kalten Tagen aber ausreichend: Niveau erhöhen und Neigung senken. Ist sie in der Übergangszeit zu hoch, an kalten Tagen aber ausreichend: Niveau senken und Neigung erhöhen.“ Die Heizkörperthermostate brauchen dann idealerweise nur noch abzuregeln, wenn etwa die Sonne zusätzliche Wärme ins Haus bringt.
Viele Hersteller erlauben ihren Kundinnen und Kunden allerdings die Wahl der Heizkurven gar nicht, sondern nur Fachleuten. „Dabei wäre das auch Laien zuzumuten“, meint Lörincz. „Viele Menschen haben schließlich einen technischen Hintergrund, wenn auch nicht unbedingt im Heizungsfach. Sonst würden die Baumärkte nicht so boomen.“
Doch warum werden die Heizkurven nicht schon bei der Installation richtig eingestellt? „Dann müssten die Handwerker mehrere Stunden da sein, das ist gar nicht zu leisten“, meint Lörincz.
„Heizungsregelung in Deutschland noch in der Steinzeit“
Wofür auf jeden Fall ein Fachmensch nötig ist, ist der „hydraulische Abgleich“. Diese Maßnahme sorgt dafür, dass jeder Heizkörper die richtige Menge Warmwasser bekommt, egal ob er ganz vorne oder ganz hinten im Heizkreislauf sitzt. Dazu muss unter anderem für jeden einzelnen Raum der Wärmebedarf berechnet und der Durchfluss jedes einzelnen Heizkörpers entsprechend eingestellt werden. Eigentlich ist das schon bei der Neuinstallation einer Heizung vorgeschrieben. Ob ein hydraulischer Abgleich tatsächlich durchgeführt wurde, lässt sich einfach feststellen: Dann sollte es bei voll aufgedrehten Heizkörperventilen in allen Räumen gleich warm sein. Wenn es hingegen rauscht, pfeift oder gluckert, besteht Handlungsbedarf. Der Bund fördert die Kosten für den hydraulischen Abgleich und die Einstellung der richtigen Heizkurve mit bis zu 15 Prozent.
Ansätze, die Heizungseinstellung mithilfe intelligenter Technik bequemer und effizienter zu machen, gibt es bereits. „Unser App-basierter Regler justiert die Heizkurve selbstständig nach“, wirbt etwa der Heizungsbauer Vaillant. Doch die meisten Bewohnerinnen und Bewohner von Etagenwohnungen können von so etwas nur träumen. „Bei der Heizungsregelung sind wir in Deutschland noch in der Steinzeit“, sagt Lörincz.
Bis zu 15 Prozent der Energiekosten sparen
Die meisten einfachen Gasthermen hätten oft nicht mal einen Temperaturfühler, sondern nur ein Stellrad, um die Vorlauftemperatur händisch einzustellen. „Würde man etwa Etagenheizungen mit Außentemperatursensoren nachrüsten, würden sie schlagartig deutlich effizienter“, sagt Lörincz. Die meisten Thermen seien bereits für solche Sensoren ausgelegt.
Wer seine Heizung optimal einstellt und sie zudem nachts oder bei Abwesenheit automatisch herunterfahren lässt, kann laut Bundeswirtschaftsministerium bis zu 15 Prozent der Energiekosten sparen. Anbieter von smarten Heizkörperthermostaten, die etwa auf die Anwesenheit der Menschen reagieren, versprechen gar Einsparungen von bis zu 30 Prozent. Das sei aber „definitiv zu hoch gegriffen“, sagte Thomas Weber, Energieberater bei der Verbraucherzentrale NRW, gegenüber der Hannoverschen Allgemeinen Zeitung.
Felix Bünning und Benjamin Huber vom schweizerischen Forschungsinstitut EMPA kamen im Labor immerhin schon auf Einsparungen von rund 25 Prozent. Sie haben einen selbstlernenden Algorithmus geschrieben, der in der Cloud läuft und aus Wetter- und Gebäudedaten mehrere Stunden im Voraus den Energiebedarf eines Gebäudes berechnet. Ihr Anfang 2022 gegründetes Startup Viboo soll die Lösung nun auf den Markt bringen. Dazu müsse der Algorithmus „allerdings noch einigen weiteren Praxistests standhalten“, wie die EMPA schreibt.