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Christliche Chatbots? Wie das Silicon Valley den Glauben für sich entdeckt

Technologie auf spirituellen Pfaden: Menschen wie Ex-Intel-Chef Pat Gelsinger und Peter Thiel wollen KI nutzen, um sich auf die Wiederkehr von Jesus Christus vorzubereiten – und den Antichristen zu stoppen.

Von Eike Kühl
4 Min.
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Religion war lange verpönt im Silicon Valley, doch das ändert sich jetzt - und bringt auch neue Zielgruppen für KI-Produkte mit sich. (KI-generiertes Bild: MIdjourney / MIT Technology Review)

Es ist gut möglich, dass Patrick ‚Pat‘ Gelsinger in den letzten Monaten seiner Zeit bei Intel etwas öfter gebetet hat als gewöhnlich. Der Chiphersteller befindet sich schon länger in der Krise und auch Gelsinger, der 2021 als CEO zurückkam, konnte daran nichts ändern. Er wurde vor knapp einem Jahr in den Ruhestand versetzt, was natürlich freundlicher klingt, als gefeuert zu werden.

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Ex-Intel-CEO will mit Technologie Menschen missionieren

Statt seine Rente zu genießen, hat Gelsinger seit März eine neue Aufgabe. Er ist Vorstandsvorsitzender und Technologiechef beim Startup Gloo aus Colorado, das vergangene Woche seinen Börsengang angekündigt hat, bei einem Marktwert von 873 Millionen US-Dollar. Gloo hat einen besonderen Fokus: Es will christlichen Kirchen und anderen Glaubensgemeinschaften technologische Hilfsmittel anbieten. Es entwickelt unter anderem Messenger, KI-Chatbots und Verwaltungssoftware für das „weltweite Glaubensökosystem“.

Pat Gelsinger soll dabei helfen, die zumeist eher analog arbeitenden Kirchen zu vernetzen und ins 21. Jahrhundert zu bringen. Für den Ex-Intel-Chef ist das weniger ungewöhnlich, als man denkt. Er ist seit jeher in der Branche als gläubiger Christ bekannt und hat in der Vergangenheit immer wieder darüber gesprochen, wie Technologie dabei helfen kann, Menschen zu missionieren und vom Christentum zu überzeugen. Gloo selbst sei ökumenisch und stehe prinzipiell den Vertretern aller Religionen offen, heißt es.

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Religion ist nicht mehr „grenzwertig illegal“

Das Startup steht in einer Reihe von Unternehmen im Bereich der „christlichen künstlichen Intelligenz“, die in den vergangenen Jahren im Silicon Valley aufgetaucht sind. Sie zeigen einen Wandel innerhalb der Technologiebranche. Religion galt im Silicon Valley als „grenzwertig illegal“, wie man scherzte. Um sich zu vernetzen, sollen Excel-Tabellen unter der Hand im Umlauf gewesen sein, in denen stand, wer gläubig ist und wer nicht. Inzwischen ändert sich das. Wer mit christlichen Werten wirbt, muss sich nicht mehr verstecken, sondern wird, um im Bild zu bleiben, mit offenen Armen empfangen.

Neben Gelsinger und Gloo, das unter anderem eigene Hackathons veranstaltet und eine Initiative namens Flourishing AI ins Leben gerufen hat, um Sprachmodelle zur „aktiven Förderung des menschlichen Wohlergehens“ zu optimieren, sind noch andere bekannte Namen aktiv. Trae Stephens etwa, Co-Gründer des Rüstungsunternehmens Anduril, ist eng mit der NGO seiner Frau verbunden: Acts 17, benannt nach einem, Kapitel in der Apostelgeschichte, will christliche Werte jenseits von Macht, Geld und Erfolg in der Techbranche propagieren und veranstaltet dafür regelmäßig Events.

Katherine Boyle, Investorin und Partnerin beim Risikokapitalgeber Andreessen Horowitz, spricht offen von einer „spirituellen Krise“ in den USA und kritisiert Scheidungen und die Tatsache, dass mehr Frauen immer später Kinder bekommen. Garry Tan, CEO des einflussreichen Startup-Inkubators Y Combinator, lebt seine Nähe zum Christentum inzwischen ebenfalls stärker aus, was sich womöglich auch auf sein Unternehmen auswirkt: So sollen in der internen Y-Combinator-Community inzwischen vermehrt pro-christliche Nachrichten auftauchen, sagt ein Unternehmer.  Und auch Elon Musk, einst bekennender Atheist, sagte zwischenzeitlich, dass er eigentlich ein „kultureller Christ“ sei.

Peter Thiel und die Sorge vor dem Antichristen

Was die erwähnten Personen eint, ist, dass sie alle eine gewisse Nähe zu Peter Thiel pflegen, der seinerseits zuletzt mit religiösen Äußerungen auffiel. Auf einer Veranstaltung der erwähnten NGO Acts 17 zitierte er erst kürzlich aus der Bibel und warnte vor dem Antichrist, der sich in Form staatlicher Regulierung – unter anderem gegen künstliche Intelligenz – manifestieren könne. Es brauche deshalb einen Katechon, einen Aufhalter des Bösen gemäß des Neuen Testaments.

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Lange Zeit wären solche Aussagen im Silicon Valley verpönt gewesen. Doch mit Peter Thiel und seinen engen Verbindungen sowohl in die US-Regierung –  Vizepräsident J. D. Vance war einst Geschäftsführer von Thiels Firma Mithril Capital – als auch in die Technologiebranche sind Bibelverse und apokalyptische Fantasien vom Antichristen salonfähig. Dass die Regierung unter Trump und Vance insgesamt einen christlich-fundamentalistischen Kurs fährt, hilft sicherlich.

Womöglich ist auch das eine Erklärung, weshalb Teile der Techbranche die Religion für sich entdeckt haben: Sie ist gut fürs Geschäft. Gegenüber dem Magazin Vanity Fair sagte ein christlicher Unternehmer, dass gerade viele Menschen das Christentums nur deshalb erwähnen, um näher an Peter Thiel zu kommen. Da das Silicon Valley insgesamt näher an die Trump-Regierung rückt, ist das Christentum womöglich ein probates Mittel, um Brücken zu schlagen.

KI kann auf Glaubensgrundsätze angepasst werden

Wie sich das am Ende auf die tatsächliche Technologie auswirkt, ist noch offen, aber man kann es sich vorstellen. Apps wie Hallow, die bei Gebeten helfen, sind eine Sache. Christliche KI-Chatbots eine andere. Denn so wie die Bibel im Sinne der Exegese unterschiedlich gedeutet werden kann, können auch große Sprachmodelle an ein bestimmtes Weltbild angepasst werden, sei es durch Training oder späteres Alignment. Das kann weiter dazu führen, dass viele KI-Chatbots nicht entwickelt werden, um möglichst neutrale, wissenschaftlich fundierte Antworten zu liefern, sondern eine Agenda verfolgen.

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Auch das Startup Gloo mit Pat Gelsinger hat in der Vergangenheit auf seiner Website mit „verifizierten Antworten“ aus „zuverlässigen Quellen“, die „auf Glaubensgrundsätzen basieren“ geworben. Die Sprachmodelle sollen sich so anpassen und individualisieren lassen, dass sie die bestehenden Überzeugungen einer Glaubensgemeinschaft widerspiegeln. Oder anders gesagt: Gloo entwickelt künstliche Intelligenz, in der Bias kein Bug, sondern ein Feature ist. Und das allein ist schon mehr als 870 Millionen US-Dollar wert.

Mit MOSAIK-Prompts zum perfekten KI-Bild

Mit MOSAIK-Prompts zum perfekten KI-Bild Quelle: (Bild: Midjourney / Sandra Franck)

 

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Kommentare (1)

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Dominic Planer

Ich kann die Motivation hinter der Idee einer „christlichen KI“ nachvollziehen – Menschen möchten Technologie nutzen, um Glaubensgemeinschaften zu unterstützen. Gleichzeitig halte ich es für entscheidend, dass KI grundsätzlich wertungsneutral und sachlich bleibt, besonders bei Themen wie Religion, Ethik oder Philosophie.

Ich selbst kann mich mit KI über Sokrates, Nietzsche, Sun Tzu oder das Prinzip von Wu Wei unterhalten, ohne dass deren Aussagen verfälscht oder dogmatisiert werden. Genau das sollte auch für religiöse Inhalte gelten: KI kann speziell auf eine Religion zugeschnitten sein, aber sie darf niemals Informationen falsch darstellen oder einseitig manipulieren.

Gerade im Bereich Glauben ist es besonders sensibel: Menschen sind oft anfällig für Beeinflussung, und KI kann durch ihre Autorität oder scheinbare Objektivität sehr schnell prägend wirken – vor allem bei unbedachten Nutzer:innen. Deshalb muss immer transparent sein, woher die KI ihre Informationen bezieht, welche Quellen genutzt werden und wie diese validiert sind.

In meinen Augen ist KI ein globales, gemeinschaftliches Projekt, das Wissen neutral abbilden sollte – egal, ob es um Philosophie, Kultur oder Religion geht. Spezialisierung ist möglich und sinnvoll, aber immer mit größter Sorgfalt, Neutralität und Verantwortung, damit die KI weder manipuliert noch verfälscht.

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