Was GPS-Funklöcher über der Ostsee mit den Kriegen in Israel und der Ukraine zu tun haben

GPS ist nicht alternativlos, wird allerdings vielfach verwendet.
Das Global Positioning System, kurz GPS, ist praktisch immer da, wenn man es braucht. Es leitet Fußgänger durch Innenstädte zum nächsten Café, bringt Autofahrer an ihr Ziel und Wanderer auf den richtigen Weg. Und das alles mit einem kleinen Empfänger, der inzwischen in jedem Smartphone steckt. Doch was wäre, wenn GPS nicht zur Verfügung stünde? Mit dieser Situation sehen sich inzwischen immer mehr Piloten konfrontiert – und das auch über EU-Staaten.
Störsignal aus Russland
Ende April warfen Estland und Litauen Russland vor, durch die Störung des GPS-Signals gegen internationale Bestimmungen zu verstoßen. Zuvor musste die finnische Airline Finnair Flüge in die estnische Stadt Tartu aussetzen, da dort eine Landung ohne GPS-Unterstützung zu riskant sei. Schon im März gab es Berichte von mehr 1.500 Flügen, die in GPS-Funklöcher über der Ostsee gerieten. Aber nicht nur entlang der baltischen Staaten, sondern auch am Schwarzen Meer, im Nordosten Polens und in Israel bis nach Zypern ist das Signal dauerhaft oder zumindest zeitweilig gestört, wie die Websites gpsjam.org und flightradar24.com zeigen. Flugzeuge, die durch diese Gebiete fliegen, können sich nicht mehr auf die satellitengestützte Navigation verlassen.
GPS-Jamming heißt dieser Vorgang. Dabei geht es darum, das Signal der GPS-Satelliten so zu stören, dass es die Empfänger nicht mehr erreicht. Das geschieht mit leistungsfähigen Störsendern. Sie funken vereinfacht gesagt auf der gleichen Frequenz wie GPS und überlagern dessen Signal. Da die Satelliten in einer Höhe von rund 20.000 Kilometern über der Erde kreisen, ist es gar nicht so schwer, ihr ohnehin schon recht schwaches Signal zu stören, schon gar nicht mit leistungsfähigem militärischen Gerät. Zudem ist es möglich, das Signal so zu manipulieren, dass den Empfängern suggeriert wird, sich an einem anderen Standort zu befinden, als es der Fall ist. GPS-Spoofing nennt sich das.
Nicht nur Piloten müssen ohne GPS auskommen
Derzeit sind es vor allem Russland und Israel, die weitreichendes GPS-Jamming einsetzen. Israel hatte Anfang April offiziell die Störungen ausgeweitet, die seitdem praktisch das ganze Land sowie den angrenzenden Luftraum betreffen. Israel begründet das Vorgehen mit Drohnenangriffen der Hamas und der Hisbollah, die GPS verwenden, um ihre Ziele zu finden. Es geht also um Selbstschutz. Für Russland, das mutmaßlich in der Nähe von Sankt Petersburg einen Störsender einsetzt, geht es dagegen wohl nicht so sehr um den Schutz vor ukrainischen Drohnen, sondern insbesondere um Abschreckung und Provokation im Sinne der hybriden Kriegsführung.
Für den zivilen Flugbetrieb bildet das GPS-Jamming – anders als das GPS-Spoofing – prinzipiell keine allzu große Gefahr, wie ein Pilot dem Portal Flightradar24 erklärt hat. Schließlich gab es Flugzeuge schon lange vor GPS, das erst in den Siebzigerjahren vom US-Militär entwickelt wurde. Fallen die satellitengestützten Navigationssysteme aus, gibt es etwa noch das Trägheitsnavigationssystem (INS), das die Position des Flugzeugs aufgrund von Beschleunigungen und Drehraten ermittelt. Allerdings verlassen sich manche Privatjets ausschließlich auf GPS, was bei einem Ausfall gefährlich werden kann. Auch einige Flughäfen, darunter Tartu in Estland, verlangen zwingend GPS für den Landevorgang.
Probleme mit der Uhrensynchronisation
Dazu kommt, dass GPS nicht nur zur Standortbestimmung, sondern auch zur Synchronisation der Uhrzeit eingesetzt wird. Kommunikationsnetze, aber auch Systeme der kritischen Infrastruktur wie Strom- und Wassernetze verlassen sich teilweise auf akkurate Zeitangaben der Satelliten. Sind diese gestört oder werden sie bewusst sabotiert, könnte das gefährliche Folgen haben. Jedenfalls dann, wenn nicht ein entsprechendes Backup-System vorhanden ist.
Nicht zuletzt bekommen auch Menschen am Boden die Effekte des GPS-Jammings zu spüren. Denn wird das Signal gestört, dann für alle Empfänger, ganz gleich ob militärisch oder zivil, ob in der Luft oder am Boden. Das wirkt sich auf Dating-Apps wie Tinder, die Matches anhand der Standortdaten ermitteln, ebenso aus wie auf die Logistik. Die Chips in Smartphones unterstützen zwar noch andere Satellitennavigationssysteme, etwa das russische Glonass oder neuere Modelle zum Teil auch das von der EU entwickelte Galileo, doch man kann nicht einfach im System auswählen, welches man nutzen möchte: Das System aggregiert automatisch Satellitendaten der unterstützen Systeme. Und selbst wenn es möglich wäre, würde es vermutlich nicht viel helfen: Berichten zufolge sind auch die anderen Systeme von den Störsendern betroffen.
Standortbestimmung ohne GPS
Unabhängig von den jüngsten Entwicklungen gibt es in der Wissenschaft einige Ideen, wie man Standorte auch ohne GPS ermitteln könnte. Eine Überlegung ist, Daten von Tausenden Satelliten im sogenannten Low Earth Orbit (Leo) in 200 bis 2.000 Kilometern Höhe zu nutzen. Durch die kürzere Distanz ist das Signal schwieriger zu stören als bei GPS. In Experimenten ist Forschenden der Universität von Kansas gelungen, das Signal verschiedener Leo-Satelliten, darunter auch einige von Starlink, zu nutzen, um den Standort mit einer Genauigkeit von 6,5 Metern zu bestimmen.
Andere Ansätze verzichten komplett auf Satelliten und machen sich stattdessen das Mobilfunknetz und die dahinter liegende Glasfaserinfrastruktur zunutze. Eine Studie der Technischen Universität Delft hatte 2022 gezeigt, wie sich 4G- und 5G-Mobilfunkdaten verwenden lassen, um die Position eines Empfängers zu bestimmen. Dabei werden Funksender über ein Glasfaser-Ethernet-Netzwerk auf Subnanosekundenebene verbunden und synchronisiert. Anhand des Signals mehrerer Sender können die Empfangsgeräte ihre Position auf bis zu zwei Zentimeter genau bestimmen – jedenfalls im Freien.