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Web3 – der Anfang vom Ende der Plattformökonomie ist dezentral

Die Rufe nach dem Web3 werden immer lauter: Tim Berners-Lee, der Vater des Internets, die Mozilla Foundation und andere fordern ein dezentrales Internet. Die Blockchain könnte dabei eine wichtige Rolle spielen.

Von Sébastien Bonset
7 Min. Lesezeit
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In den frühen 1990er Jahren änderte das World Wide Web die Art und Weise, wie Menschen miteinander kommunizieren und sich informieren, nachhaltig. Mit dem Aufkommen von sozialen Medien und E-Commerce-Plattformen entwickelte sich das Web weiter zum Web 2.0. Diese Phase war und ist geprägt von direkten sozialen Interaktionen, die nicht – oder kaum – von Ländergrenzen eingeschränkt werden.

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Auch wenn Kommunikation und Business direkt und nach dem Peer-to-Peer-Modell stattfinden, läuft das stets über einen Mittelsmann. Wer zum Beispiel auf Ebay etwas von einem anderen Nutzer kauft, ist dabei auf die Abwickelung der Geschäfte durch den Mittelsmann – nämlich Ebay als Plattform – angewiesen.

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(Grafik: t3n)

Das liegt schlicht daran, dass sich in dieser Phase des Internets Plattformen als „vertrauenswürdiger“ Dienstleister etabliert haben, die die Interaktion zwischen Nutzern und Unternehmen regeln, die sich unter Umständen gar nicht persönlich kennen und sich daher nicht gegenseitig vertrauen können.

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Einige Startups arbeiten daran, das Internet mit Hilfe von Mesh- und Blockchain-Technologie in entlegene Regionen zu bringen. (Foto: Shutterstock / GaudiLab)

Als „vertrauenswürdige“ Vermittler machen diese Plattformen gepaart mit einem immer weiter optimierten Content-Discovery-Layer das Leben der Nutzer leicht und bequem. Das Ganze hat aber einen Haken, denn die Plattformen haben die volle Kontrolle über die Daten des Nutzers und können zudem ihre eigenen Regeln aufstellen und bestimmen, wer wann welche Dienstleistung in Anspruch nehmen darf und wer was genau zu sehen bekommt. Das könnte schon bald vorbei sein.

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Darum ist das Internet kaputt

Im Prinzip ist das Internet ursprünglich dezentral organisiert, denn es gehört niemandem. Allerdings werden wichtige Teile des Internets mittlerweile von zentralisierten Diensten zur Verfügung gestellt. Egal, ob Internet-Service-Provider, Domain-Name-System, Suchmaschinen, E-Mail, Web-Hosting, soziale Medien oder die Cloud – sie alle laufen auf einer begrenzten Zahl von Servern, die von wenigen, dafür aber sehr großen Unternehmen kontrolliert werden.

Das heutige Internet ist geprägt von Plattformen wie Facebook und Youtube. Dezentrale Lösungen für unterschiedliche Bereiche sollen dem Web3 zum Durchbruch verhelfen. (Bild: Ong.Social)

Dieser Umstand ist der Grund dafür, das eine wachsende Zahl von Menschen das Internet in seiner aktuellen Form als „kaputt“ bezeichnet. Eine zentralisierte Architektur, wie sie in der Plattform-Ökonomie vorherrscht, bringt nämlich gleich eine ganze Reihe an Nachteilen mit sich, die die Urväter des Internet so sicher nicht gewollt haben.

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So können Server beispielsweise ausfallen, sodass die Nutzer keinen Zugriff mehr auf wichtige Funktionen haben. Die Besitzer der Server können theoretisch unbemerkt und ohne Zustimmung die Daten von Nutzern verkaufen oder an Regierungen herausgeben. Zensur und die priorisierte Ausspielung von Inhalten (Stichwort: Netzneutralität) sind dank der mittlerweile zentralisierten Struktur des Internet ebenfalls wesentlich einfacher.

WWW und Web 2.0 vs. Web3

Viele Experten gehen davon aus, dass die Blockchain als Technologie sehr wertvoll auf dem Weg zu einem wirklich dezentralen Internet ist. Warum das der Fall sein könnte, erklärt Steven Johnson im Rahmen eines empfehlenswerten Artikels im New York Times Magazine.

In „Beyond the Bitcoin Bubble“ identifiziert Johnson die Bereiche Sicherheit und Identität als Hauptprobleme des Internets in seiner aktuellen Form und zeigt auf, wie sich diese Probleme mithilfe der Blockchain lösen ließen. Er zeichnet ein Bild des Internets, das heute aus zwei aufeinanderliegenden Layern besteht. Das „InternetOne“ beinhaltet offene Protokolle wie TCP/IP und wurde als einfaches und flexibles Datennetzwerk konzipiert. Um das „InternetOne“ so einfach und flexibel zu halten, dass es sich für fast jeden Anwendungsfall eignet, wurden Sicherheitsaspekte und die Verwaltung von Identitäten und persönlichen Daten ausgelagert. Diese Aspekte werden von den Anwendungen des „InternetTwo“, wie Johnson das zweite Layer nennt, übernommen.

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Die Blockchain könnte die Bereiche Sicherheit und Identität im Internet standardisieren. (Bild: Shutterstock /phive)

Während das „InternetOne“-Layer auf offene Protokolle setzt, wurden die Protokolle des „InternetTwo“-Layers hauptsächlich von Unternehmen definiert. Aus diesem Grund existieren kaum Standards für die wichtigen Bereiche Sicherheit und Identität. Erst das Fehlen dieser Standards hat es Konzernen wie Facebook, Google oder Amazon ermöglicht, zu Giganten zu werden.

Die Grundidee hinter dem Internet ist in Form von Johnsons Bild des „InternetOne“ also weiterhin dezentral, während das „InternetTwo“ als Layer in erheblichem Maße zentral ist und von einigen wenigen Unternehmen kontrolliert wird. Die Blockchain als Technologie habe das Potenzial, diesen Missstand zu beseitigen, da sie den sicheren Austausch persönlicher Daten für das Validieren der Identität der Nutzer auf sichere und dezentrale Weise ermöglicht, ohne dafür eine zentrale Plattform oder einen Mittelsmann zu benötigen.

Dezentrales Internet in Häppchen

In einem wirklich dezentralen Internet würden das System selbst und Dienste nicht von einigen wenigen Unternehmen oder Organisationen betrieben. Stattdessen würden alle Nutzer und ein Netzwerk unabhängiger Rechner und Server das Netzwerk betreiben. Der Übergang vom plattformgetriebenen Internet zum dezentralen Internet wird nicht radikal sein, sondern sich Schritt für Schritt vollziehen. Es ist aber nicht davon auszugehen, dass das Internet irgendwann komplett dezentral sein wird, denn auch zentralisierte Systeme haben Vorteile, auf die Nutzer nicht verzichten wollen. Sie sind zwar anfälliger für Ausfälle und Angriffe als dezentrale Architekturen, aber gleichzeitig sind sie schlicht schneller und einfacher zu bedienen.

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Projekte wie das Interplanetary File System arbeiten an einem alternativen Netz. (Bild: IPFS)

Einzelne Aspekte lassen sich aber durchaus dezentralisieren und unterschiedliche Startups arbeiten bereits mit Hochdruck daran – viele davon setzen dafür auf die Blockchain.

Nutzerdaten dezentralisieren

Einer der wohl wichtigsten Bereiche, die dezentralisiert werden sollen, dreht sich um das Speichern von Daten. Wer heute das Internet nutzt, kommt kaum umhin, seine Daten anderen Unternehmen anzuvertrauen. Dabei kann einiges schiefgehen, wie diverse Vorfälle der vergangenen Jahre gezeigt haben, bei denen Hacker Datensätze von Millionen von Nutzern gestohlen haben.

Einer der großen Vorteile der Blockchain ergibt sich daraus, dass Nutzer Dienstleistungen in Anspruch nehmen und Apps verwenden können, ohne die Hoheit über ihre Daten aufgeben zu müssen. Dass das funktioniert, zeigt beispielsweise Storj. Dabei handelt es sich um ein dezentrales Pendant zu Dropbox, das Daten zerstückelt, die Stücke verschlüsselt und sie auf die unterschiedlichen Knoten des Netzwerks verteilt. Nutzer, die dafür Speicherplatz auf ihrem persönlichen Rechner zur Verfügung stellen, erhalten im Gegenzug Einheiten der zugehörigen Kryptowährung.

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Viele dezentrale Projekte setzen darauf, Nutzer für das Bereitstellen von Infrastruktur zu belohnen, um eine kritische Masse für den Erfolg zu erreichen. Wer zum Beispiel bei Storj anderen Nutzern Speicherplatz zur Verfügung stellt, wird mit einem vorher definierten Betrag einer Kryptowährung bezahlt. (Bild: Storj)

Dezentrales DNS

Ein weiterer Bereich des Internets, der ebenfalls von einer Dezentralisierung profitieren würde, ist das Domain-Name-System (DNS). Vereinfacht gesagt verwandeln spezielle Server die von Computern einfach zu verstehenden IP-Adressen von Websites in für Menschen einfach zu lesende Adressen wie zum Beispiel t3n.de.

In den Anfangstagen des Internets lag auf vernetzten Computern die Textdatei HOSTS.TXT, in der die Netzwerkadressen von bekannten Computern in für Menschen lesbarem Format gespeichert waren. Je umfangreicher das Internet wurde, desto umständlicher wurde diese Methode. So wurde Mitte der 1980er Jahre das Domain-Name-System ins Leben gerufen. Das System ist hierarchisch aufgebaut, und obwohl jeder Nutzer einen eigenen DNS-Server aufsetzen kann, hat sich über die Jahre eine Industrie rund um DNS etabliert, die mittlerweile stark zentralisiert ist.

Das Ganze ist so zentral, dass auch im Bereich DNS mittlerweile der Supergau nicht ausgeschlossen ist. So wurde 2016 beispielsweise der DNS-Provider Dyn mittels DDoS angegriffen, was zur Folge hatte, dass beliebte Seiten wie Netflix, Twitter, Reddit und GitHub für Nutzer bestimmter Regionen in den USA nicht mehr erreichbar waren.

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Gladius ist ein weiteres Beispiel dafür. Das Blockchain-Startup arbeitet an einem dezentralen Content-Delivery-Network und fokussiert sich auf die Verhinderung von DDoS-Attacken. Dafür setzt das Unternehmen auf die Blockchain, um Dateien auf viele unterschiedliche Computer im Netzwerk zu verteilen. Nutzer können nicht benötigte Rechenzeit, Bandbreite und Speicherplatz vermieten, um Websites zu hosten, und erhalten dafür eine entsprechende Kryptowährung als Belohnung. Hierfür setzt Gladius auf Smart Contracts, die auf der Ethereum-Blockchain laufen.

Eine dezentrale Alternative zum etablierten DNS-System würde prinzipiell auch die Gefahr von Zensur eindämmen. Das lässt sich sogar noch weiter treiben, wie beispielsweise das Orchid Protocol beweist, das klassische VPN neu denkt. Auch Orchid setzt darauf, dass Nutzer anderen Nutzern nicht benötigte Bandbreite zur Verfügung stellen.

Web3: Die Zukunft ist dezentral

Viele Blockchain-Startups wie Blockstack aktivieren geschickt die Entwicklergemeinde, damit diese nutzwertige Anwendungen programmiert. (Bild: Blockstack)

Die Beispiele für dezentrale Teillösungen legen die Vermutung nahe, dass das Internet in einzelnen Bereichen wieder dezentraler werden könnte und Plattformen zumindest umdenken müssen, wenn sie nicht an Relevanz verlieren wollen. Auch wenn die Wahrscheinlichkeit für einen holistischen Paradigmenwechsel gering ist, besteht Hoffnung für alle, die sich online mehr Privatsphäre und Sicherheit wünschen. Projekte wie Blockstack, Orchid, Storj oder IPFS zeigen, dass sich die Blockchain-Technologie mit der ihr zugrunde liegenden Philosophie genau dafür eignen könnte. Genau diese Möglichkeiten sind die wirklich spannenden Aspekte der Blockchain – weit spannender als die Disruption des Finanzsektors durch Kryptowährungen.

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