Weniger CO2-Speicher als gedacht: Studie zu CCS begrenzt geeignete Lager deutlich
Auch CCS machen Vorgaben zur Emissionsverringung unumgänglich. (Bild: Olivier Le Moal / shutterstock)
Die Bundesregierung sieht die Speicherung von CO₂ im Boden als wichtigen Baustein, um die Klimaziele zu erreichen. Erst im August hatte das Kabinett eine Änderung im Gesetz zur Kohlendioxid-Speicherung dazu beschlossen. Demnach soll es künftig möglich sein, Kohlenstoffdioxid (CO₂) abzuscheiden und unterirdisch zu verpressen, um damit das CO₂ aus der Atmosphäre dauerhaft zu binden. Der Prozess dahinter nennt sich Carbon Capture and Storage oder kurz: CCS.
Was praktisch klingt, hat aber seine Tücken, denn für die Speicherorte müssen einige Kriterien erfüllen, um das CO₂ sicher einzulagern. Eine neu erschienene Nature-Studie kommt jetzt zu einem ernüchternden Ergebnis: Die weltweit nutzbaren Speicherkapazitäten sind deutlich geringer als bisherige Schätzungen. So kommen die Forscher:innen auf Kapazitäten von 1.460 Gigatonnen CO₂. Ein Blick in die bisherige Forschungsliteratur zeigt jedoch Schätzungen zwischen 10.000 und 40.000 Gigatonnen CO₂, Schätzungen der Industrie gehen von etwa 14.000 Gigatonnen CO₂ aus.
An welchen Orten CCS möglich wäre
In der neuen Arbeit legte das Team entscheidende Risikofaktoren zugrunde, die für einen Ort ausgeschlossen werden müssten. Sie schlossen etwa seismisch aktive Regionen, Naturschutzgebiete und Meeresgebiete aus, in denen die Speicherung aufgrund der Tiefe laut den Autorinnen und Autoren zu kostspielig wäre. Auch berücksichtigten sie Pufferzonen zu Siedlungen. Die Arktis sowie die Antarktis bezogen sie ebenfalls nicht mit ein.
In ihrer Studie erstellte das Team auch eine Karte mit der Übersicht potenzieller Speicherorte: 70 Prozent davon liegen an Land, 30 Prozent vor der Küste. „Nach unserer Risikoanalyse [verfügen] noch über ein relativ hohes Speicherpotenzial, insbesondere Russland, die USA, China, Brasilien und Australien“, schreiben die Forscher:innen. Blickt man indes nach Deutschland, wo die Weichen zur CO₂-Abscheidung und -Speicherung gestellt sind, zeigen sich die Bundesländer aktuell noch verhalten. Laut einer Anfrage des ZDF-Magazins Frontal erklärte sich bisher keines der Bundesländer derzeit bereit, CCS auf eigenem Gebiet zuzulassen.
Wie funktioniert CCS?
Es gibt verschiedene CCS-Verfahren, aber die meisten verfolgen ähnliche Schritte: das Ansaugen der Luft, etwa an einem Kohlekraftwerk, das Binden des CO₂ an einem Sorptionsmittel, die Reinigung des Sorptionsmittels und die Abspaltung der gereinigten Luft und des gewonnenen CO₂, das komprimiert und zu einem Speicherort transportiert wird. Bei der Bindung des CO₂ wird im Wesentlichen mit zwei Methoden gearbeitet: Bei Niedrigtemperaturverfahren wird es an Feststoffe gebunden. Hochtemperaturverfahren arbeiten mit Flüssigkeiten, die das Treibhausgas aufnehmen.
Ob sich der Aufwand dafür überhaupt lohnt, muss im Einzelfall berechnet werden. Entscheidend ist, wie viel Energie dafür gebraucht wird und ob diese aus fossilen oder regenerativen Quellen stammt.
CCS allenfalls als „Rettungsring“
CCS stellt für die Bundesregierung eine Möglichkeit dar, die schwer vermeidbaren Treibhausgase zumindest aus der Atmosphäre zu entfernen. Das gilt für Bereiche wie die Zement- und Kalkindustrie, die Grundstoffchemie und die Abfallverbrennung. Dabei darf CCS aber keinesfalls als „Allheilmittel“ gesehen werden, allenfalls als „Rettungsring“. CCS war immer schon eng verknüpft mit der fossilen Energiewirtschaft. Bereits seit Jahrzehnten presst sie Kohlendioxid in den Untergrund – allerdings nicht, um es aus dem Verkehr zu ziehen, sondern um die letzten Reste Öl oder Gas aus erschöpften Feldern zu fördern. Rund 73 Prozent des aufgefangenen CO₂ in Carbon-Capture-Projekten würden dafür benutzt, mehr fossile Kohlenwasserstoffe zu fördern, hat das US-amerikanische Institute for Energy Economics and Financial Analysis (IEEFA) ermittelt. Das sei „nicht klimafreundlich“.
Emissionen einer Autofahrt:
Mal ein kleines Gedankenspiel: Wie viel Speicher bräuchte man, um das bei 100 Kilometern Autofahrt entstehende CO2 aufzufangen – um es etwa einer geordneten Entsorgung zuzuführen?
2022 betrug der durchschnittliche CO2-Ausstoß von Neuwagen in Deutschland etwa 108 Gramm pro Kilometer. Auf 100 Kilometern sind das 10,8 Kilogramm. Die Dichte von CO2 beträgt bei Raumtemperatur und atmosphärischem Druck rund 1,84 kg/m3. Die während der Fahrt ausgestoßene Menge benötigt also knapp sechs Kubikmeter Raum. Wollte man sie in einem Ballon sammeln, müsste dieser etwa halb so groß sein wie ein VW Golf, ohne Berücksichtigung anderer Abgase wie Wasserdampf.
Doch CO2 lässt sich unter hohem Druck schließlich auch platzsparend verflüssigen, wie bei Bierzapfanlagen. Eine handelsübliche Kartusche für die Theke enthält zwei Kilogramm Kohlendioxid. Mit einer Autofahrt über 100 Kilometer könnte man also fast fünfeinhalb solcher Flaschen füllen. Das würde für etwa 2500 Liter Fassbier reichen. Prost!
Wie sicher ist CCS?
Aus der Industrie gibt es also bereits Erfahrungen mit dem Vorgehen. Es zeigt sich, dass vor allem die Geologie Überraschungen in der Praxis birgt. So war etwa das ehemalige Gasfeld Sleipner, zwischen Norwegen und Schottland in der Nordsee vor mehr als 25 Jahren eines der weltweit ersten CCS-Projekte im industriellen Maßstab. Rund eine Million Tonnen wurden dort seitdem jährlich in zwei Kilometern Tiefe verpresst. Mit mehr als 150 akademischen Papern zählt Sleipner zu den am besten untersuchten geologischen Formationen überhaupt. „Trotzdem hat sich erwiesen, dass seine Sicherheit und Stabilität schwer vorherzusagen ist“, heißt es in einer Studie des IEEFA. Schon nach drei Jahren sei das Kohlendioxid unerwartet weit nach oben gestiegen, wo es nur durch eine bis dato unbekannte Gesteinslage gestoppt wurde. Erkenntnisse wie diese zeigen, dass CCS-Projekte weiterhin streng überwacht werden müssen und ihre Sicherheit keineswegs einfach so gegeben ist. Damit steht auch der Beitrag, den CCS zur Energiewende liefern soll, in Frage.