Wer fragt, der führt: Aber wie fragt man eigentlich richtig? - t3n

Wer gar nicht fragt, steht sich damit selbst im Weg. Aber wer die richtigen Fragen stellt, kann damit noch einmal mehr erreichen. Drei Impulse zum Durch- und Nachfragen. „Wer, wie, was, wieso, weshalb, warum – wer nicht fragt, bleibt dumm“: Das lernen schon die Jüngsten aus dem Jingle der Sesamstraße. Und wer das Plädoyer für das Fragen im Erwachsenenalter etwas intellektueller formulieren will, kann dafür mit Sokrates gehen: „Wer fragt, der führt.“ Dass Fragen unabdingbar sind, um Zusammenhänge, Sachverhalte und Menschen besser zu verstehen, dürfte für die meisten nichts Neues sein. Gleichzeitig haben Fragen Gewicht. Wer sie falsch formuliert oder platziert, kann damit überfordern, verletzen, das Gegenüber vergraulen oder führt schlicht ein ziemlich belangloses Gespräch. Damit wir Fragen also bestmöglich nutzen, lohnt es sich, einmal genauer hinzuschauen. Hier kommen drei spannende Impulse. [crosslinks ids= "1631586,1631254,1510803"] Interview mit Gorbatschow: Fragen, die das Herz ansprechen Als Kolumnist für das Männermagazin Esquire hat Journalist Cal Fussman jahrelang Promis interviewt. 2008 stand ein Gespräch mit dem ehemaligen Sowjet-Politiker Michail Gorbatschow an, das nur zehn Minuten dauern sollte. Ein straffer Zeitplan, Fussman stand unter Druck. Trotzdem versuchte er nicht, die kurze Zeit mit den brisantesten Fragen zu füllen, die man einem Michail Gorbatschow damals zur weltpolitischen Lage hätte stellen können. Stattdessen schaffte er es mit einer geschickt gestellten Frage, dass Gorbatschow das Interview verlängerte. Der Kolumnist wollte wissen: „Was ist die beste Lektion, die Ihr Vater Sie je gelehrt hat?“ Damit überraschte er Gorbatschow positiv, brachte ihn zum Nachdenken und machte das Gespräch für den Politiker interessant. In einem Vortrag, den Fussman Jahre später über dieses Interview hält, erklärt er den Erfolg seiner Frage so: Gorbatschow habe die Antwort nicht in seinem Kopf, sondern in seinem Herzen suchen müssen. Wer mit echtem Interesse Fragen stellt, die genau das schaffen, baue eine Verbindung zu seinem Gegenüber auf, so Fussman. Harte Fragen sollten aus Sicht des Journalisten erst am Ende des Gesprächs vorkommen – so bleibt genug Zeit, Vertrauen aufzubauen. [youtube uDpfLCXhXaA] „Das habe ich nicht verstanden“: Simple, absurde und vermeintlich banale Fragen Für sein Buch Tools of Titans hat der US-Autor Tim Ferriss mit zahlreichen Highperformern aus der Wirtschafts- und Managementwelt gesprochen. Die seien sich nicht zu schade, auch einfach mal vermeintlich dumme Fragen zu stellen, so Ferriss in einem Interview – und das in ganz unterschiedlicher Manier. Der Investor Malcolm Gladwell habe das „dumme Fragen“ zum Beispiel von seinem Vater, einem Mathematiker, der „überhaupt keine Angst davor hatte, dumm dazustehen“, gelernt. Gladwells erste Frage sei häufig: „Das habe ich nicht verstanden, könntet ihr es bitte erklären?“ Wenn die erste Antwort darauf noch keine Erleuchtung bringt, frage Gladwell immer und immer wieder nach. Unternehmer und Podcaster Alex Blumberg habe in seiner Zeit als Co-Moderator der Show Planet Money eine Frage zur Wirtschaftskrise gestellt, die banal schien, aber offensichtlich vielen Menschen durch den Kopf gegangen war: „Warum leihen Banken Leuten Geld, die so gut wie keine Chance haben, es zurückzuzahlen?“ Wer wie Blumberg keine Scheu davor hat, vermeintlich banale Frage auszusprechen, treffe damit schlicht einen Nerv bei all jenen, die sich ebenfalls für die Antwort interessieren, aber nicht fragen wollten. Ferriss selbst arbeitet gern mit absurden Fragen. Ein Beispiel dafür: „Wenn du all deine Arbeit in zwei Stunden schaffen müsstest – wie würdest du das angehen?“ So extrem gestellte Fragen, so Ferriss, würden einem nicht erlauben, auf gewohnte Antworten zurückzugreifen. „Sie bringen dich dazu, abseits zu denken und bestimmte Grenzen deiner selbst geschaffenen Komfortzone aufzubrechen.“ Er selbst setze solche Fragen gern beim Journaling ein, um sich länger mit ihnen auseinanderzusetzen und beim Beantworten Ideen zu finden. [youtube tYnGiWlwcj4] Nach der Frage ist vor dem Zuhören Ob die Frage nun überraschend und ans Herz gerichtet oder banal und damit vermeintlich peinlich ist: Am Ende dürfte immer eine Antwort stehen. Und damit der Effekt von guten Fragen nicht verpufft, heißt es im Antwortteil: Aktiv zuhören, eventuell nachhaken. Wer dem Gegenüber Raum zur Entfaltung bieten will, muss dafür selbst Zurückhaltung üben. Im Buch Systemische Fragen für Führungskräfte beschreibt der Autor und Berater Maik Schiffer unter anderem, wie wichtig Neutralität für Führungskräfte sein kann. Dabei nennt er vier Arten der Neutralität. Die Beziehungsneutralität sieht vor, gegenüber allen Beteiligten objektiv zu bleiben. Die Problemneutralität hält dazu an, Probleme anderer nicht direkt anhand der eigenen Erfahrungen zu bewerten und so offen bei der Lösungsfindung zu bleiben. Bei der Lösungsneutralität geht es darum, die Wahl der Lösung zu moderieren, statt sie zu diktieren, und die Veränderungsneutralität soll dabei helfen, Veränderungen nicht als Bedrohung wahrzunehmen. Wirklich neutral in ein Gespräch zu gehen und gut zuzuhören ist natürlich Übungssache. Aber auch hier hilft es, immer wieder nachzufragen um den Status quo zu erfassen – beim Gegenüber, in Reflexionen mit sich selbst oder im Austausch mit erfahrenen Mentor:innen. [articlegallery id="39"]