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Wirecard-Pleite kann teuer für den Staat werden

Kriminelle Firmen beschäftigen nicht nur Staatsanwälte – sondern auch den Fiskus. Der Fall Wirecard hat das Potenzial für jahrelange steuerliche Verwicklungen.

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(Foto: Shutterstock)

Der mutmaßliche Betrugsskandal beim Dax-Konzern Wirecard kann die Staatskasse teuer zu stehen kommen. Grund sind mögliche Steuerrückforderungen in Millionenhöhe. Denn da der Wirecard-Vorstand die Bilanzen mit sehr wahrscheinlich erdichteten Umsätzen und Gewinnen aufblähte, hat das Unternehmen auch zu hohe Steuern gezahlt. Die nachträgliche Korrektur von Steuerbescheiden aber ist in solchen Fällen gängige Praxis, wie es bei Steueranwälten und Insolvenzverwaltern heißt.

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Der vom Münchner Amtsgericht bei Wirecard eingesetzte vorläufige Insolvenzverwalter Michael Jaffé ist noch mit dem Insolvenzgutachten beschäftigt und nimmt zu seinen Plänen nicht Stellung. Doch haben Insolvenzverwalter die Pflicht, die Masse zu wahren und nach Möglichkeit zu mehren, damit die Gläubiger eines insolventen Unternehmens so viel wie möglich von ihrem Geld wiedersehen.

Steuerrechtsexperten verweisen auf Paragraf 41 Absatz 2 der Abgabenordnung: „Scheingeschäfte und Scheinhandlungen sind für die Besteuerung unerheblich“, heißt es dort. Salopp formuliert: Nicht existente Gewinne und Umsätze werden auch nicht besteuert.

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„Bei Scheingewinnen stellt sich die Frage, ob nicht die Jahresabschlüsse wegen offenkundig falscher Zahlen und nachfolgend die Steuererklärungen und Steuerbescheide auch ohne Vorbehalt der Nachprüfung zu korrigieren sind“, sagt Marc d’Avoine, Leiter des Ausschusses Steuern und Bilanzierung beim Verband der Insolvenzverwalter Deutschlands. „Die Antwort ist eindeutig ja. (…) Unsere Aufgabe ist es, Scheingewinne zu korrigieren.“

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Hohe Summen im Spiel

Bei Wirecard geht es in dieser Hinsicht um große Summen: Der Konzern hat ausweislich seiner Bilanzen von 2015 bis 2018 knapp 160 Millionen Euro Ertragsteuern gezahlt. Die Umsatzsteuer macht ebenfalls erhebliche Beträge aus, wird aber in den Gewinn- und Verlustrechnungen von Aktiengesellschaften nicht ausgewiesen.

Auch ganz unabhängig vom Fall Wirecard sind bei Insolvenzen Diskussionen mit den Finanzämtern an der Tagesordnung, wie d’Avoine berichtet. In fast allen Insolvenzfällen weicht das Bilanzbild demnach von der tatsächlichen Ertrags- und Geschäftslage des Unternehmens ab, wie sie sich vor dem Insolvenzantrag darstellte. „Sehr oft stellt sich heraus, dass ein Unternehmen gar keine Gewinne machte, sondern rote Zahlen schrieb“, sagt der Wuppertaler Rechtsanwalt. „Manchmal gibt es Klagen vor den Finanzgerichten, aber sehr oft verständigen sich Insolvenzverwalter und Finanzamt einvernehmlich.“

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Das bedeutet keineswegs, dass die Finanzämter in derartigen Fällen Steuern zurückzahlen und ansonsten das Management ungeschoren davonkommen lassen. „Wenn ein Unternehmen oder die Bilanzprüfer merken, es ist zu viel angegeben worden, bekommen Sie immer eine Verschuldensdiskussion“, sagt die Frankfurter Steueranwältin Patricia Lederer. „Die Frage ist dann, ob Vorstand oder Mitarbeiter das hätten erkennen können oder müssen.“ Bei falschen Steuererklärungen habe die Unternehmensleitung eigentlich „nur Aussicht auf eine Haftungsfreistellung, wenn sie nachweisen kann, dass Mitarbeiter ohne ihr Wissen agiert haben und dass sie die Mitarbeiter sorgfältig ausgesucht und laufend kontrolliert hat.“

Bei falschen Steuererklärungen „verschicken die Finanzämter häufig Haftungsbescheide an die Verantwortlichen, die das verbrochen haben“, wie die Steuerrechtlerin sagt. Es hilft den Betreffenden unter Umständen auch nichts, wenn sie ihr Vermögen Ehefrau oder Kindern überschreiben: „Das kann sogar Familienmitglieder treffen, wenn die Manager ihnen Immobilien oder andere Vermögenswerte übertragen haben. Sowohl Finanzämter als auch einzelne Gläubiger können Übertragungen anfechten“, sagt Lederer.

Auch Unternehmenssteuern unterliegen dem Steuergeheimnis, weswegen sich das bayerische Finanzministerium zum konkreten Einzelfall Wirecard nicht äußert. Ganz allgemein gesprochen bestätigt das Ministerium jedoch, dass Korrekturen der Steuerbescheide möglich sind: „Im Falle zu hoch erklärter Einkünfte kommt eine Änderung erlassener Steuerbescheide grundsätzlich in Frage, solange die Festsetzungsverjährung noch nicht eingetreten und im betreffenden Fall ein Änderungstatbestand erfüllt ist.“ dpa

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