Wohnungsbau: „Es ist eine einzige Katastrophe derzeit“

Hohe Baukosten, steigende Finanzierungszinsen und eingeschränkte Fördermöglichkeiten – die Baubranche hat es derzeit schwer. Das hat nicht nur Konsequenzen für Bauunternehmen, sondern auch für Mieter und Mieterinnen. Explodierende Baukosten, steigende Finanzierungszinsen und eingeschränkte Fördermöglichkeiten für den Wohnungsbau haben dazu geführt, dass sich die Rahmenbedingungen in den letzten Monaten massiv verschlechtert haben. Viele Bauprojekte sind unrentabel geworden, wodurch es vermehrt zu Auftragsstornierungen in der Baubranche kommt. Das zeigen die Ergebnisse einer neu erschienenen Umfrage des Ifo-Instituts. „Bis vor wenigen Monaten standen die Weichen im Wohnungsbau noch auf Wachstum. Die Unternehmen verfügen immer noch über prall gefüllte Auftragsbücher, aber mit Blick auf die künftige Entwicklung greift die Angst um sich“, kommentiert Ifo-Forscher Felix Leiss in einem Statement. Seit April könne man Leiss zufolge aber sehen, dass auffällig viele Projekte gestrichen werden. [caption id="attachment_1499640" align="aligncenter" width="620"] Anstieg der Stornierungen im Wohnungsbau. (Grafik: Ifo-Institut)[/caption] Im August waren 11,6 Prozent der befragten Unternehmen von Auftragsstornierungen betroffen, im Juli 11,5 Prozent. Angst vor Abschwung Aufgrund der aktuellen Lage befürchten viele Betriebe Geschäftsrückgänge. Der Erwartungsindikator fiel auf minus 48,3 Punkte und markiert damit den niedrigsten Stand seit Beginn der Erhebung 1991. Der bisherige Tiefststand war erst im April erreicht worden, mit minus 47,4 Punkten. [crosslinks ids="1440498,1486672,1443961"] Die Lieferengpässe bei Baustoffen haben sich etwas gebessert. „Dennoch ist das Material weiterhin vielerorts knapp und damit teuer“, stellt Leiss fest. Im August klagten 36,4 Prozent der Unternehmen über Lieferprobleme. Im Juli waren es noch 45,6 Prozent. „Wir haben eine echte Stahlkrise“ Die hohen Energiepreise verteuerten das – in der Herstellung oft energieintensive – Baumaterial zusätzlich. Sehr viele Bauunternehmen planen vor diesem Hintergrund weitere Preiserhöhungen. Dirk Salewski, geschäftsführender Gesellschafter von Beta Eigenheim und Präsident des Bundesverbands Freier Immobilien- und Wohnungsunternehmen, sagt in einem Interview vom 8. September gegenüber Capital: „Wir haben seit vier Monaten eine echte Stahlkrise.“ [caption id="attachment_1499639" align="aligncenter" width="620"] Anstieg der Materialengpässe im Wohnungsbau. (Grafik: ifo-Institut)[/caption] Im Herbst 2021 habe die Tonne Baustahl noch 700 Euro gekostet, vor vier Wochen seien es 1.400 Euro gewesen. Zurzeit läge sie bei 1.100 Euro. „Dabei ist Baustahl eine Massenware und nun wirklich keine Raketenwissenschaft“, so Salewski. Auch Bauholz ist knapp Beim Rohstoff Bauholz sehe es ähnlich aus. „Zwar sägen die Sägewerke im Sauerland wie verrückt, aber weil bei den Amerikanern und Kanadiern die Preise für Konstruktionsholz durch die Decke gegangen sind, haben die Sauerländer dorthin und nach China geliefert. Das hat hier zu Knappheit und stark steigenden Preisen geführt“, sagt Salewski. Durch die beginnende Rezession in den USA habe sich der Markt wieder etwas entspannt. Aber prinzipiell sehe man einen massiven Preisanstieg in allen Produkten – „nur eben zeitlich versetzt und unterschiedlich stark, je nachdem wie hoch der Energieeinsatz und die Rohstoffverfügbarkeit sind“, so Salewski. Die Politik muss gegensteuern „Es ist eine einzige Katastrophe derzeit“, sagt Salewski. „Einfach war Bauen ja noch nie, aber momentan ist es alles andere als vergnügungssteuerpflichtig – weil alles schwierig ist: Es gibt zu viele Bauvorschriften, extrem zähe Planungsprozesse und die Proteste von Anwohnern nehmen zu – nach dem Prinzip ‚not in my backyard‘ wollen alle den Neubau, aber nicht in der eigenen Nachbarschaft. Und jetzt haben wir über die Regulierungswut hinaus noch die Turbulenzen auf den Roh- und Baustoffmärkten und dauernd steigende Anforderungen durch neue Energiegesetze. Katastrophal.“ Expert:innen sagen durch die Entwicklungen in der Baubranche weiter steigende Mietpreise voraus. Dabei galten bereits 2021 viele als überbelastet. [caption id="attachment_1499638" align="aligncenter" width="620"] Wohnkosten: 10,7 Prozent der Bevölkerung galten 2021 als überbelastet. (Grafik: Destatis 08/2022)[/caption] Besonders Einpersonenhaushalte sind laut Statistischem Bundesamt betroffen. Sie gaben 2021 mehr als ein Drittel ihres verfügbaren Einkommens (35,4 Prozent) für Wohnkosten aus. Fast jede beziehungsweise jeder vierte der alleinlebenden Mieterinnen und Mieter (24,7 Prozent) musste für die Wohnkosten sogar mehr als 40 Prozent des verfügbaren Einkommens aufwenden und galt somit als überbelastet. „Die Politik hat 20 Jahre lang dafür gesorgt, dass Bauen immer teurer wird. Bald wird sie merken, dass Wohnen für immer mehr Leute noch unbezahlbarer wird“, so Salewski.