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Youtube löscht 100.000 Videos: Wieso der Staat sich raushalten muss

Youtube löscht mehr Hatespeech-Videos als je zuvor. Eine Kontrolle zu fordern, ist gefährlich, der Staat muss sich heraushalten, meint unser Redakteur Jochen G. Fuchs.

Von Jochen G. Fuchs
2 Min. Lesezeit
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Youtube löscht 100.000 Hatespeech-Videos. (Bild: A. Aleksandravicius / Shutterstock)

Youtube hat im vergangenen Quartal 100.000 Videos gelöscht, die mit Hatespeech gegen die Richtlinien von Google – und gegen Gesetze – verstoßen haben. Ebenfalls verschwanden 17.000 Kanäle und 500 Millionen Kommentare. Immer wieder wird angesichts solcher Zahlen die Forderung nach eine staatlichen Kontrolle der Plattformen laut, entweder weil die Befürchtung vorherrscht, dass diese enorme Menge nur die Spitze eines Eisbergs sein könnte – oder weil sich jemand zensiert fühlt. Derartige Forderungen öffnen die Büchse der Pandora: Denn Zensur wird es in dem Moment, in dem staatliche Mechanismen in die Veröffentlichung und Verbreitung von Inhalten eingreifen.

Staatliche Mechanismen zur Kontrolle von Veröffentlichungen: Das ist Zensur

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Die Meinungsfreiheit findet ihre Grenzen, wenn sie beispielsweise die Ehre von Menschen verletzt, oder zur Verletzung ihrer körperlichen Integrität oder ihrer Freiheit aufruft. Das ist gesetzlich geregelt durch Gesetze, die ebendiese Verletzungen verbietet. Darüberhinaus können private Betreiber von Plattformen wie Google bei Youtube im Rahmen ihrer Nutzungsbedingungen eigene Grenzen setzen.

Es gibt schon Beispiele, wie das Netzwerkdurchsetzungsgesetz oder die Uploadfilter im Rahmen der EU-Urheberrechtsreform. Solche Mechanismen sind brandgefährlich, denn sie privatisieren die Rechtsdurchsetzung und fördern überzogenes Blockieren von Inhalten bei Betreibern aus Angst vor Sanktionen. Wenn Betreiber zu viel löschen, sanktioniert das niemand.

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Staatliche Mechanismen um zu kontrollieren, was veröffentlicht wird, das ist ein Euphemismus für Zensur. Es ist mehr noch die Definition von Zensur.

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Rechtsdurchsetzung gehört in die Hand von Gerichten

Wer Mechanismen fordert, um eine demokratische Kontrolle von Inhalten durchzuführen, für den habe ich eine Überraschung: Gibt es schon und nennt sich „Gerichte“. Bürger, die verunglimpft werden oder die Unwahrheiten korrigieren lassen möchten, können sich Recht bei der Judikative verschaffen.

Die Durchsetzung unserer Rechte gehört nicht in die Hand von Google, Facebook oder Twitter. Die Plattformen dürfen dafür lediglich Erfüllungsgehilfe nach gerichtlicher Anweisung sein.

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Mehr Maßnahmen gegen Hatespeech, aber keine staatlichen Mechanismen

Ist es gut, dass Youtube 100.000 Hassvideos gelöscht hat? Das wird niemand bestreiten wollen. Aber woher weiß ich, dass es nur Hassvideos waren? Wenn ich betrachte, mit welcher schlafwandlerischen Sicherheit die Mechanismen von mir als Volksverhetzung gemeldeten Inhalte nicht als Volksverhetzung anerkennen, stellt sich die Frage, was diese funktionsuntüchtigen Mechanismen alles falsch deklarieren.

Plattformen in die Verantwortung zu nehmen, ist schön und gut, aber es ist als ein gefährlicher Trend zu betrachten, Plattformen hoheitliche Aufgaben zu übertragen. Dem muss ein Riegel vorgeschoben werden. Denken wir lieber darüber nach, wie wir unsere Judikative zeitgemäßer ausstatten und technologische Werkzeuge für die Rechtsdurchsetzung schaffen können.

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Dass das Löschen von Youtube erst durch massiven staatlichen Druck geschehen ist, habt Ihr wohl schon vergessen, oder?

Das war die eigentliche Zensur mit deren Folge nun gelöscht wird.

Schon vergessen, dass erst unlängst die Algorithmen bei Youtube verändert wurden, so dass bei politischen oder historischen Themen jetzt häufiger Konzern- und Staatsmedien als Empfehlung eingeblendet werden?

Antworten
Ettore Atalan

„Wer Mechanismen fordert, um eine demokratische Kontrolle von Inhalten durchzuführen, für den habe ich eine Überraschung: Gibt es schon und nennt sich „Gerichte“. Bürger, die verunglimpft werden oder die Unwahrheiten korrigieren lassen möchten, können sich Recht bei der Judikative verschaffen.“

Und Betroffene können eine Anzeige mit wenigen Mausklicks online stellen, müssen dazu nie bei einer Behörde persönlich antanzen und das Strafverfahren mangels „öffentlichem Interesse“ nach kurzer Zeit wieder eingestellt werden kommt auch nicht vor, weil Gerichte und Staatsanwälte so wenig ausgelastet sind. Und nun die Realität …

Antworten
Ribert Lirert

>Ist es gut, dass Youtube 100.000 Hassvideos gelöscht hat? Das wird niemand bestreiten wollen.
Doch, ich. Sonst droht unsere Freiheit noch weiter eingeschränkt zu werden.

Wer legt die Grenze fest? Was sind überhaupt „Hassvideos“?

Die Gesellschaft hat extreme Reden zu dulden und zu tolerieren. Denn wenn man diese Äußerungen zu zensieren versucht, brodeln diese im Untergrund und führen zu einer Abspaltung.

Diese Abspaltung führt zu noch mehr extremen Neigungen und dann irgendwann auch zu einer vollständigen Abkoppelung.

Wollen wir das? Wäre es nicht besser, wir reden mit Menschen gerade dann, wenn wir nicht ihrer Meinung sind? Das ist doch der einzige Grund, warum wir in einer Demokratie leben, oder etwa nicht?

Und ist es überhaupt noch eine Demokratie, wenn man Zeitgeist-willkürlich Meinungen nicht mehr an Diskurs teilhaben lässt?

Wer die Demokratie nicht will, schafft die Freiheit ab, um ein totalitäres, gleichgeschaltetes System zu errichten. Das nennt sich im Endstadium: Faschismus. Ist das ein würdiges Ziel?

Antworten
Torsten Kalwass

Nur so: Jede Freiheit endet da, wo die anderer beschnitten wird. Das ist die maximale Auslegung, die auch bei den betreffenden Amikonzernen gilt. Wenn da also 100k Videos rasiert werden, dann kann man schon denken was es war…

Abgesehen davon siehe das Toleranzparadoxon: Nein, ich muss nicht mit jedem Schwachkopf seinen Müll diskutieren und mit ihm reden. Ich kann ihn auch einfach ausgrenzen und muss ihm keine Plattform bieten, vor allem da die meisten von denen unter „Reden“ nur verstehen, dass sie sich mitteilen können – und nicht zuhören wollen (was ja die Basis eines Austauschs ist).

Kurz: Die Gesellschaft hat keine extremen Reden zu erdulden, sondern das Recht diese ab einer gewissen Grenze aktiv auszugrenzen. Nämlich immer, sieh davor, dann wenn die Grundrechte und -freiheiten anderer dadurch gefährdet werden. Sonst landen wir nämlich im Faschismus, wenn das Wertegerüst einer Gesellschaft soweit überdehnt wird, dass es nur noch extreme Äußerungen gibt die irgendwann in eine Richtung kippen.
Dieser Prozess lässt sich sogar prima mathematisch beschreiben, ab wann zu viele Extreme ein stabiles System instabil werden lassen. Und dazu braucht es nicht wirklich viel…

Antworten
Torsten Kalwass

„Denken wir lieber darüber nach, wie wir unsere Judikative zeitgemäßer ausstatten und technologische Werkzeuge für die Rechtsdurchsetzung schaffen können.“

Richtig, siehe auch die Story um Andreas Müller (Richter), der einfach nur das was wir an Gesetzen und Möglichkeiten bereits haben konsequent und zeitnah anwendete – und damit massiv Delikte reduzieren konnte. Wir brauchen nicht mehr Gesetze, sondern nur eine bessere Umsetzung der bestehenden. Würde ein Video/Kommentar, z. B. Volksverhetzung, innerhalb von drei, vier, fünf Tagen nach Meldung durch Gerichte abgekanzelt, dann wäre das Thema auch schneller gegessen als gedacht – der Richter, der Plattform XY dann die Anweisung gibt, ist dann im Grunde auch nichts anderes als ein Sichter mit mehr Handlungsvollmacht.

Aber de facto zieht sich dieser Prozess, eigentlich eine Sache von Minuten, über Monate dank der miserablen Infrastruktur (Anzeige, Aufnahme, Ermittlung, Weiterleitung …) – automatisiert wäre das Ding in weniger als 12h gegessen (Automatische Anzeige bei Dienststelle XY, Ja/Nein ob berechtigt, weiter an den SA, nochmal Ja/Nein, weiter an den Richter – Ja/Nein, Musterbeschluss, fertig).

Achso: Hier in China läuft das btw. auch so und deutlich schneller ab, nur mit fragwürdiger rechtlicher Grundlage.

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