Zielklarheit statt Motivationswahn: Warum du nicht immer Feuer und Flamme sein musst

Motiviert sollen wir sein. Und zwar alle. Immer. Zum Wohle anderer, also der Firma, die natürlich das größere Gut anstrebt, aber bitte von Innen heraus. Motivation ist es, die eine immer schnellere, unsicherere, beweglichere und komplexere Arbeitswelt am Laufen halten soll. Und natürlich funktioniert das so nicht – nicht einmal für die Menschen, die gern motiviert wären. Und die, die es sind, müssen trotzdem arbeiten.
Was ist also diese Motivation? Und wenn es gerade nicht läuft: Wo ist sie hin? „Motivation ist ein Sammelbegriff für alle Prozesse, die zielgerichtetes Verhalten auslösen und aufrechterhalten“, so beschreiben es die Motivationsforschenden Heinz Heckhausen und Jutta Heckhausen.
Auf diese Sichtweise konnten sich in der Motivationsforschung viele Menschen einigen. Das bedeutet: Wenn ich meinen Arm bewusst von der Tastatur nehme, zur Tasse greife und einen Schluck Kaffee trinke, dann war ich dazu motiviert. Stelle ich sie wieder ab, dann ist entweder die Motivation zum Kaffeetrinken weg, weil der Mund voll ist, oder meine Motivation, weiterzuschreiben, größer als die Motivation zum Trinken ist.
Das lässt sich auf die Arbeit übertragen und macht direkt das Problem sichtbar: Wer prokrastiniert, während der Arbeit neue Sportsachen bestellt oder den Text wieder mal erst kurz vor der Frist schreibt, der ist nicht unmotiviert. Nur ist die Motivation nicht da, wo sie arbeitsbedingt sitzen sollte. Sondern woanders.
Motivation: Es gibt kein Richtig und kein Falsch
In der Motivation geht es aber nicht darum, von null auf eins zu kommen, von unmotiviert auf motiviert und los geht’s. Motivation funktioniert so nicht. Wir erinnern uns: In der Definition der Motivation war von zielgerichtetem Verhalten die Rede. Wer motivieren will oder motiviert sein möchte, der muss das Ziel erst einmal klären. Dabei gibt es kein Richtig und kein Falsch. Es gibt nur Antworten, die funktionieren, und Antworten, die das nicht tun. Das Ziel kann sein, ein tolles Projekt abzuliefern. Das Ziel kann aber auch sein, mental-load-frei in den Feierabend zu kommen.
Fragen, die du dir stellen kannst:
- Warum arbeite ich, was ich arbeite?
- Warum will ich jetzt gerade etwas anderes machen?
- Warum könnte es sinnvoll sein, die Arbeit jetzt anzugehen und nicht später?
Und wenn die Antworten lauten: Ich arbeite hier, weil ich mir von dieser Firma einen Vorteil im Lebenslauf erhoffe / ich suche gerade lieber Sportschuhe, weil ich mir dann wenigstens einreden kann, sportlich zu sein / aber ja, okay, wenn ich es jetzt mache, dann habe ich früher Feierabend – dann ist das in Ordnung. Wenn es dein Ziel ist, diese Arbeit zu machen, statt sie liegenzulassen, dann nimm die Motivation, die für dich funktioniert.
Zugegeben: Langfristig wirst du besser fahren, wenn du eine Arbeit findest, die du wirklich gern machst und die dir sinnvoll erscheint. Wenn das kurzfristig nicht der Fall ist, bringen dich all die Theorien der Idealzustände aber auch nicht weiter. Dann nimmst du, was du hast.
Immer nur intrinsische Motivation ist eine unsinnige Forderung
Feierabend, Geld und Prestige sind in der Arbeitswelt natürlich verpönte Motive. Sie sind extrinsisch. Das bedeutet: Wer sich von ihnen leiten lässt, der arbeitet nicht aus Freude am Tun, sondern um etwas anderes damit zu erreichen. Und das sei keine vermeintlich echte Motivation.
Doch genau diese externe Motivation kann es sein, die Menschen in schwierigen Zeiten durchhalten lässt. Seien wir doch ehrlich zu uns selbst: Wir sehen nicht zu jeder Zeit den höheren Sinn unserer Arbeit. Nicht jedes Projekt dient dem Wohl der Menschheit. Manche sind einfach nur dazu da, dass die Firma Geld verdient. Und man macht diese Arbeit, weil man sich etwas davon verspricht. Und dann ist man eben nicht intrinsisch motiviert.
Von innen kommende Motivation kann man nicht anordnen oder lehren. Wir alle können immer versuchen, intrinsische Motivation in uns zu finden. Und wir alle werden immer mal wieder Phasen erleben, in denen wir daran scheitern. Arbeiten müssen wir trotzdem.
Motivieren bedeutet: Loslassen und machen (lassen)
Wer will, dass Menschen echte Motivation am Arbeitsplatz erleben, kann sich das Modell von Edward Deci und Richard Ryan nehmen. In ihrer Selbstbestimmungstheorie der Motivation nennen sie Autonomie, Kompetenzerleben und soziale Eingebundenheit als bedeutsame Faktoren der Motivation. Sie war ursprünglich für das Lernen gedacht: Lernmotivation entstehe, wenn diese drei Faktoren erfüllt werden.
Heute wird diese Theorie oft für die Arbeitswelt herangezogen, aber auch für Gesundheitsverhalten. Die Person kann selbstbestimmt entscheiden, erlebt, dass ihre Fähigkeiten reichen und wachsen und dass ihr Handeln wirksam ist. Dabei haben sie regelmäßig Kontakt zu anderen Menschen, die ähnliche oder gleiche Ziele anstreben.
Motivieren kann deshalb bedeuten, loszulassen und machen zu lassen. Es kann auch bedeuten, selbst zu machen und sich dabei auf die eigenen Freiheiten zu besinnen. Wenn du die Wahl hast, ob und wann du deine Arbeit machst: schön für dich. Die Entscheidung für oder gegen das Tun ist immer auch eine Entscheidung gegen oder für die Konsequenzen des Nichttuns.
Wer sich das bewusst macht, der kann seine Motivation schon am Horizont sehen. Machen muss man dann aber trotzdem selbst.