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Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky: „Wird es die Ehefrau verzeihen, wenn du trotz App ein Couchpotato bleibst?”

Vieles, was der Einsatz von künstlicher Intelligenz verspricht, erscheint uns noch weit entfernt. Doch erste Ansätze zeigen, wohin die Reise geht. Kritisch wird es, wenn die Datengrundlage nicht stimmt.

Von Yvonne Göpfert
4 Min.
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Die Unvollständigkeit von Algorithmen: Können Datenauswertungen valide Aussagen über ein generelles Nutzerverhalten führen? (Bild: Shutterstock)

In allen Bereichen des Lebens, des Arbeitens und der Gesellschaft werden wir erleben, dass auf Basis von automatisierter Echtzeit-Datenanalyse „Zukunftszustände“ prognostiziert werden, sagt Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky, Chef des Thinktanks 2b Ahead bei einer Diskussion, zu der Business-Intelligence-Anbieter Teradata geladen hatte.

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Die Welt verwandelt sich in eine Prognose-Gesellschaft. In Städten werden die Staus der nächsten zwei Stunden prognostiziert. In Supermärkten werden die Verkaufszahlen der nächsten Woche vorhergesagt. Und jeder sammelt fleißig medizinische Daten von sich selbst, um Krankheit vorherzusagen beziehungsweise abzuwehren – angefangen von Pulsfrequenz und Herzschlag über Schlafqualität bis hin zum Entspannungszustand. Diese Daten werden Versicherungen heranziehen, um das Krankheitsrisiko von Versicherten zu berechnen – und davon abhängig ihre Beiträge.

Zukunftsforscher Sven Gábor Jánszky. (Foto: dpa)

Und die Vermessung des eigenen Körpers hat weitere Auswirkungen: Wer zu wenig trinkt, wird per App angehalten, sich alle Stunde ein Glas Wasser zu holen. Wer noch keine 10.000 Schritte gegangen ist, wird ermahnt, dass es Zeit sei für eine Runde um den Block. Gute Tipps, um uns fit zu halten. Doch was passiert, wenn wir das nicht tun? Wie verändert sich unsere Sicht auf Zufälle, Schicksale oder Krankheiten, wenn sie mehr und mehr daraus resultieren, dass wir Menschen die Empfehlungen der künstlichen Intelligenz nicht befolgt haben, fragt Sven Gábor Jánszky. Wird die Ehefrau es verzeihen, wenn du trotz App und Warnungen ein Couchpotato bleibst?

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Neubewertung von Krankheiten

Und er erklärt: Das sichtbarste Beispiel sind Krankheiten. Wenn ich heute krank werde, dann bedauern mich alle Menschen in meinem Umfeld und helfen so gut sie können: Meine Chefs, meine Kollegen, meine Frau und meine Kinder. Aber die Grundlage für dieses Bedauern ist die Vorstellung, dass ich nichts dafür kann. Ich bin nicht schuld daran, dass ich krank geworden bin, sondern dies ist ein unvorhersehbarer, zufälliger Schicksalsschlag. In Zukunft wird mich aber mit hoher Wahrscheinlichkeit ein technologisches Gerät schon Tage bevor ich krank werde davor warnen. Es wird mir empfehlen, dass ich dies und jenes essen soll und mich so oder so verhalten soll, damit ich nicht krank werde. Wie wird meine Frau reagieren, wenn ich dennoch krank werde? Wenn sie genau weiß, dass die Krankheit meine Schuld ist, weil ich mich nicht an die Empfehlung der Technologie gehalten habe? Ganz ähnlich gilt das natürlich auch für alle anderen Schicksalsschläge wie Autounfälle, weil ich dem selbstfahrenden Auto nicht das Lenkrad überlassen habe oder Kündigungen, weil ich die Warnung des digitalen Assistenten vor einem Kompetenzmangel nicht ernstgenommen habe.

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Wird Schicksal in Zukunft etwas sein, das wir in der Hand haben? Heute ist der allgemeine Konsens: Wenn der Mensch krank wird, ist es Zufall. In Zukunft wird es seine eigene Schuld sein. Das Solidarprinzip der Krankenversicherungen (er kann nichts dafür) wird in Frage gestellt. Und es wird spannend, wie die Versicherungswirtschaft ihre Modelle ändern wird. Schon heute sehen wir die Anfänge: Versicherungen bemühen sich intensiv, an Gesundheitsdaten zu kommen. So versprechen sie beispielsweise zehn Prozent Rabatt, wenn der Nutzer sein iPhone freischalten lässt für eine Versicherungs-App, die die relevanten Daten  übermittelt. Dank der Datensammlung werden sich die statistischen Berechnungen der Versicherungen ändern, glaubt Sven Gábor Jánszky: „Die Versicherungssolidarität wird sich in kleine Cluster verteilen.”

Und auch Autos liefern Daten. Die Versicherungen rechnen heute schon durch, wie sie KfZ-Beiträge neu berechnen, wenn sie wissen, ob es sich beim Fahrer um einen chronischen Raser oder einen typischen 30km/h-Schleicher in der Stadt und 80km/h auf dem Land handelt. Und sollte sich das autonome Fahren einmal durchgesetzt haben, wird es in der Übergangsphase, wo Selberfahren und autonomes Fahren parallel stattfinden, sicherlich auch neue Policen geben. Menschen, die auf autonomes Fahren umsteigen, werden Rabatte bei der KfZ-Versicherung gewährt, weil davon auszugehen ist, dass sich weniger Unfälle ereignen, wenn eine Maschine fährt.

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Wie verändern sich also die Entscheidungen der Menschen, wenn die Folgen der Entscheidungen jederzeit intelligent prognostiziert werden? Wie verändert sich menschliche Expertise und Erfahrung, wenn sie immer gegen die intelligente Computerprognose konkurriert? Spannend wird sein, ob sich dadurch unser Einkaufsverhalten ändert. Heute operiert der Handel noch mit Vorhersage-Modellen, die die Frage beantworten, wie viele Produkte werde ich am Samstag verkaufen und wie viele Produkte muss ich bestellen? Unter dem Einfluss von künstlicher Intelligenz ist ein automatisierter Preis der zweite Schritt. Der dritte Schritt, so Jánszkys Prognose, werden personalisierte Preise sein. Und auch wenn Supermärkte heute noch nicht auf personalisierte Produkte gehen: In Zukunft wird nicht der Abverkauf von Produkten verfolgt, sondern der Verkauf von individualisierten Produkten. Entsprechend werden wir uns fragen, wer ist Händler und wer ist Hersteller? Und natürlich: Wem gehören die Daten?

Der Algorithmus ist nur so gut wie seine Datenbasis

Und wie sieht es mit der Güte der Vorhersagen aus, die die KI-Systeme treffen? „100 Prozent richtige Vorhersagen gibt es nicht. Aber die Menschen akzeptieren 80 Prozent Verlässlichkeit, weil der Nutzen so hoch ist“, ist sich Sven Gábor Jánszky sicher. Durchsetzen wird sich künstliche Intelligenz dennoch, weil die Entwicklung schleichend ist. Spannend wird es, wenn die kognitive Intelligenz der KI-Systeme die normale Intelligenz von uns Menschen übersteigt. Das soll etwa 2050 der Fall sein. Die Frage ist dann, ob die kognitive Intelligenz auch emotionale Intelligenz beeinflussen kann. Werden die KI-Systeme dann zu menscheln anfangen?

Wie auch immer die Zukunft aussehen wird: Für beste Ergebnisse braucht es eine gute Datenbasis. Es ist wie mit dem Truthahn-Prinzip: Der Bauer kommt einen Monat lang regelmäßig in den Stall und füttert die Truthähne. Anfangs, wenn der Bauer kommt, rennen die Vögel weg. Doch bald lernen sie, dass der Bauer ihnen Futter bringt und werden zutraulich. Zwei Tage vor Thanksgiving wird jedoch geschlachtet. Dass an Thanksgiving großes Truthahnessen angesagt ist, wissen die Puter natürlich nicht. Und was können wir daraus lernen: Wenn auch nur eine Information fehlt (Thanksgiving = Truthahnessen), kommt es zu Fehlentscheidungen. Flucht statt Zutraulichkeit wäre die richtige Entscheidung gewesen. Das Problem für Unternehmen wird in Zukunft also sein, wie sie die Vollständigkeit von Informationen gewährleisten können, sagt Sascha Pulijc, Country-Manager-Germany bei Teradata.

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