Slack, Teams, Whatsapp? Wieso wir wieder E‑Mails lieben sollten

Bürochats sind in, Mails out. Das hat die Teamkommunikation von einer Hölle in die andere geführt: Man foltert uns mit Banalitäten, findet unsere Kolumnistin Isabell Prophet. Ich liebe E‑Mails. Und ich hasse Gruppenchats. Ich hatte mal einen Job, in dem der Gruppenchat jeden Morgen dafür genutzt wurde, Verspätungen anzukündigen, weil Busse oder Mietautos in einem sehr unerwarteten Berliner Innenstadtstau versackten. Mittags diskutierten die Kolleg:innen, wohin es zum Essen gehen sollte, und abends schickten sie Memes. Chats sind zügellos, da unterscheiden sich Bürochats nicht von Junggesellinnenabschieden. Einmal während einer Radtour im brandenburgischen Nirgendwo bekam ich mal per Whatsapp die Bitte, ein Detail zu einem Artikel nachzureichen. Ich hatte nur rudimentären Datenempfang und rief die junge Kollegin an, um ihr zu sagen, was sie für ihre Frage googeln musste: Name und Alter. Ich bin mir sicher: Die Anfrage hätte sie sich per E‑Mail nicht getraut. E‑Mails sind in Verruf geraten Dabei sind E‑Mails heutzutage in Verruf geraten. Da ist die Rede von einer angeblichen E‑Mail-Flut, von Posteingängen mit Tausenden ungelesenen Nachrichten und von dringenden Anfragen zu nachtschlafender Zeit. Stimmt auch: Ich hatte mal einen Projektleiter, der seine Tage um vier Uhr nachts mit empört-wütenden E‑Mails begann – und ich meine um sieben Uhr am Morgen dann ebenfalls. Unsere Zusammenarbeit währte nur kurz. Vor einigen Jahren bekam ich um die Mittagszeit eine Mail mit der Bitte um sofortige Bearbeitung, auf jeden Fall vor End of Business. Zu dieser Zeit war ich an der Küste des Sinai unterwegs und entdeckte die Nachricht spätabends. Ich arbeitete bis tief in die Nacht hinein und entschuldigte mich wortreich. Später kam heraus: So dringend war’s gar nicht – sonst hätte er ja keine Mail geschickt. Logisch. [crosslinks ids="1373784,1621903,1622142"] Das Medium trägt an diesen Phänomenen keine Schuld. Dass Menschen mit Mails im Unreinen sind, liegt vor allem daran, dass die meisten Teams nie verabredet haben, wie sie sie eigentlich nutzen wollen – und welcher Kommunikationskanal für welche Anliegen geeignet ist. Das Problem ist lösbar: Sprecht darüber. Banalitäten sind die Hölle der Chats, aber super für die Kaffeeküche. Dringendes verlangt dagegen den Chat oder einen Anruf – allein schon, um Rückfragen effizient zu behandeln. Und E‑Mails? Die sind prima für Informationen, Anfragen und Impulse. Vielleicht sind sie dafür sogar der beste Kanal: Niemand fällt dir ins Wort, deine Gedanken sind durchsuchbar und sie lassen sich lagern. Oder löschen. Den Kopf frei machen E‑Mails nach Feierabend oder vor normalmenschlichen Aufstehzeiten zu schreiben macht den Kopf frei: Hier ist mein Thema, lass uns morgen darüber reden. Das ist so lange eine gute Sache, wie bei dem:der Empfänger:in nicht der Eindruck entsteht, das Anliegen sei dringend. E‑Mails sollten niemals dringend sein, außer vielleicht in Teams, bei denen E‑Mails für die Arbeitszeit als zentraler Kommunikationsweg festgelegt wurden. Selbst dann ist der Kanal noch fragwürdig, denn niemand kann den Empfang kontrollieren und folglich auch nicht voraussetzen. Vielleicht starrt die Person gerade konzentriert auf eine Excel-Tabelle? Dann viel Glück mit der Mail. Wenn das Haus brennt, würde niemand der Feuerwehr eine E‑Mail schicken. Aber E‑Mails tun uns nichts. Wir können sie lesen oder löschen, wir können sie aufschieben oder Absender:innen auf die Spam-Liste setzen. Vor allem können wir verabreden, wie E‑Mails sein sollen. Es ging also nie wirklich um die Frage, wie wir mit Mails umgehen. Es geht bei jeder Kommunikation darum, wie wir miteinander umgehen. Die respektvolle Distanz einer E‑Mail kann den richtigen Rahmen geben. E‑Mails sind – wenn man sie richtig einsetzt – wundervoll effizient. Natürlich sind sie potenziell sehr lang. Das lässt sich mit einer simplen Rückfrage aber wunderbar beheben: „Vielen Dank für deine Ausführungen, ich werde sie in Ruhe lesen, sobald ich Zeit dafür habe. Damit ich dir optimal (und zeitnah) helfen kann: Verrate mir bitte in zwei bis drei Stichpunkten, was du von mir brauchst und bis wann.“