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Porträt

Computer raus, Klassenarbeit: Wie Calliope den Bildungssektor digitalisiert

Die ­Initiative ­Calliope bringt ­kleine Computer an Grundschulen und will Kinder so an ­digitale Grundlagen heran­führen. Trotz föderalistischer Strukturen kommen die Macher voran – mit großen Plänen und großzügigen Unterstützern. Wir stellen sie euch im Rahmen unserer Themenwoche Digitales Deutschland vor.

Von Manuel Heckel
4 Min.
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(Foto: dpa)

LED für LED wandert ein Hirsch über eine kleine Platine, zusammengesetzt aus elf Lichtpunkten. Programmiert wurde dieser Trick in 25 Minuten an einem angeschlossenen Computer. Ein digitales Daumenkino, ein kinderleichter Trick – aber eine große Aufgabe: Der Calliope Mini, der hier das LED-Feld leuchten lässt, soll ein wichtiges Element für den Sachkunde­unterricht 2.0 werden. Die gleichnamige Initiative hinter dem Minicomputer will „Kindern spielerisch die Parametrisierung von Alltagsvorgängen beibringen“, wie Geschäftsführer Klaus Buß sagt.

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Ein praktischer Ansatz für ein bundesweites Problem: Immer wieder betonen Politiker und Wirtschaftsvertreter, dass die digitale Grundbildung von Kindern verbessert werden muss. Richtig viel passiert ist jedoch noch nicht. Mit reichlich Schwung aus der Unternehmenswelt will Calliope das ändern: Seit zwei Jahren arbeitet sich der Minicomputer in deutsche Schulen vor. 40.000 der Geräte seien mittlerweile unterwegs, sagt Geschäftsführer Buß, noch mal so viele sollen nach dem Willen der Macher in diesem Jahr dazukommen. Das sind beeindruckende Zahlen – bei 700.000 Drittklässlern in Deutschland pro Jahr bleibt jedoch Luft nach oben.

Einfache Technik, viele Inhalte

Die Initiatoren, darunter Gesche Joost, Professorin an der Universität der Künste Berlin, und Digitalunternehmer Stephan Noller sind dennoch frohen ­Mutes. Sie ­setzen auf simple Technik und große ­Ideen: Basis ist der Minicomputer ­Micro:bit, der in Großbritannien von der BBC mit einem ähnlichen Zweck kostenlos an Fünft­klässler ausgegeben wurde.

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Für die deutsche Variante nahmen die Initiatoren den lizenzfrei verfügbaren Bauplan und schraubten noch etwas herum: Die sternförmige Struktur mit weit auseinanderliegenden Kontakten soll Kurzschlüsse verhindern, das LED-Feld und ein verbautes Mikrofon sollen die Einsatzmöglichkeiten erweitern. Die Programmieroberfläche, die über einen USB-Anschluss auf einem separaten Rechner dargestellt werden muss, ist grafisch aufgebaut. Die jungen Nutzer können per Drag-and-Drop Befehle wie „Zeige LEDs“ in das Menü ziehen und sich dann direkt ihr Ergebnis angucken.  Die Oberfläche basiert auf Scratch, mit einem Klick lässt sich jedoch erkennen, wie der gerade zusammengeschobene Vorgang in Javascript oder C++ aussehen würde. Die Technologie ist eigentlich nur Mittel zum Zweck: „Es geht darum, Logikketten aufzubauen und die Gedanken sauber zu ordnen“, sagt Geschäftsführer Buß. „Und das muss auch unabhängig vom Gerät funktionieren.“

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Starthilfe für den Staat

In der Bundesregierung kam die Initiative gut an. Das Wirtschaftsministerium förderte die Entwicklung von Hard- und Software mit 200.000 Euro. Eine erste große Bühne fand der Minicomputer beim Nationalen IT-Gipfel 2016. Doch für den entscheidenden Schub sorgten Gelder aus der Wirtschaft: Google spendierte der Initiative eine Million Euro, von Unternehmen wie SAP, Bosch oder Würth und anderen kamen ebenfalls bedeutende Summen. Aktuell verdoppelt die Bank Ing-Diba jede Spende an das Projekt.

All diese Finanzierungswege sorgten durchaus für Widerspruch. Die Nicht­regierungsorganisation Lobbycontrol etwa kritisierte im vergangenen November den Einfluss kommerziell agierender Unternehmen: „Mit der Schenkung nehmen Firmen wie Google subtil Einfluss auf den Lehrplan“, hieß es da. Das weist Buß zurück: „Es gibt bei Hardware und bei den Inhalten keine industrielle Beeinflussung.“

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Ein paar Argumente der Kritiker kann er jedoch gut nachvollziehen. „Das Bildungssystem und alle seine Aufgaben sollen klar in staatlicher Hoheit sein“, so Buß. Und es sprächen alle Gründe dafür, dass man die informatische Kompetenz im Schulbetrieb stärke, so Buß. „Aber das passiert nicht. Also gibt es uns.“  Die meisten Bundesländer verschließen sich dieser Argumentation nicht. In elf Ländern – angefangen mit Berlin und dem Saarland – gebe es bereits Verträge mit den zuständigen Kultusministerien. In den meisten Fällen starten die Länder mit 30 bis 100 Projektklassen, denen die Geräte geschenkt werden.

Ausbildung für die Ausbilder

Bedingung ist, dass die zustän­digen Lehrerinnen und Lehrer an einem zwei­tägigen Seminar teilnehmen, bevor die Klassensätze verschickt werden. Unter Anleitung von Experten der ­Fraunhofer-Akademie lernen sie, wie sie ihren Unterricht mit technologischer ­Unterstützung ergänzen können. „Das ist unser Wunschmodell, damit die ­Dinger nicht einfach in die Schulen geschickt werden und da liegen bleiben“, sagt Buß.

Auch in den Bundesländern, in denen noch politische Vorbehalte gegen Calliope bestehen, sind die Minicomputer zu finden. Hier kaufen häufig private Initiativen die Geräte, zum Teil in großer Stückzahl: Volkswagen versorgte Grundschüler am Heimatstandort Wolfsburg, die bundesweit tätige Wissensfabrik integrierte die Geräte in das eigene Curriculum. 35 Euro kostet eine der sternförmigen Platinen im Einzelverkauf, dank Sponsoren sind die Klassensätze günstiger.

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Die Erlöse sollen die Entwicklung von Inhalten vorantreiben. Denn die sind aus Sicht der Macher zentral: Der Schulbuchverlag Cornelsen gab auch Geld, schaffte vor allem aber kostenfreie Grundlagen mit Arbeitsmaterialien für Lehr­kräfte und Lernheften für Schüler. Mithilfe von SAP entsteht gerade ein kostenloser Onlinekurs rund um die Möglichkeiten des Minicomputers. So soll es nach dem ­Willen der Macher weitergehen: „Wichtig ist es, eine Plattform für digitale Lern­inhalte in die Schulen zu bringen.“

Das Team für all diese großen Aufgaben ist klein: Neben Buß kümmert sich ein weiterer Kollege federführend um Projekt und Produkt, zwei Mitarbeiterinnen pflegen die Kontakte in die Länder und kümmern sich um das Zusammentragen von Inhalten – Gehalt gibt es seit Januar, vorher waren die Initiatoren nach eigener Aussage ehrenamtlich tätig. Die eigentliche Motivation bleibt jedoch, das Thema der digitalen Grundbildung voranzubringen – unabhängig vom Calliope Mini selbst. „Unsere Initiative ist Hilfe zur Selbsthilfe“, sagt Buß. Das Ziel: Schulen sollen eigene Budgets und Hoheiten haben, um den Kindern die entscheidenden Kompetenzen beizubringen – und sie sollen selbst entscheiden, welche Hardware dabei helfen kann.

Mitmachen

calliope.cc

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Weitermachen

Auch der Microbit ist ein ­Minicomputer, der Lernen und ­Lehren vereinfachen soll.
microbit.org/de

Die Plattform Code Your Life will Programmieren für ­Mädchen und Jungen ab acht Jahren ­spannend aufbereiten.
code-your-life.org

Who to follow

Stephan Noller ist ­Mit-Gesellschafter von Calliope.
@holadiho

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Gesche Joost ist seit 2011 ­Professorin für Designforschung an der Universität der Künste Berlin und Mitinitiatorin von Calliope.
@geschejoost

Stefan Schwarz ist Sonder­pädagoge und Blogger aus ­Brandenburg. Er twittert über ­Initiativen zur digitalen Bildung.
@swarzste

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