Funding-Flaute: So ging es deutschen Fintechs im Jahr 2023

Im vergangenen Jahr ist die Finanzierung von Finanz-Startups stark zurückgegangen. Doch neben Pleiten gab es auch Lichtblicke. Für die Stars der Szene geht es jetzt darum, endlich profitabel zu werden. Die Beratungsfirma EY hat ausgerechnet, dass die deutschen Fintechs im Jahr 2023 rund 499 Millionen Euro in Finanzierungsrunden aufgenommen haben. Das ist ein Minus von 62 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und bestätigt den erneuten starken Einbruch beim Fintech-Funding. In einem immer noch angespannten Umfeld mussten viele Fintechs auch 2023 mit Investoren um Anschlussfinanzierungen ringen, manche sogar Mitarbeiter entlassen und mitansehen, wie ihre Firmenbewertung schrumpft. Schon im Jahr zuvor hatte sich das Umfeld für Finanzierungen deutlich eingetrübt – nach Jahren mit enormen Finanzierungsrunden und hohen Bewertungen. Das Fintech-Jahr 2023 kann man also getrost als ein Jahr der Konsolidierung verbuchen. Gerade weil Finanz-Startups bis 2021 mit Geld überschüttet wurde, legten Investoren danach strengere Maßstäbe bei der Beurteilung von Geschäftsmodellen an. Startups müssen nun vor allem eins zeigen: dass sie schnell profitabel werden können. Pleiten und Exits Einige hat es 2023 ganz aus dem Markt geworfen: So konnte etwa die Finanz-Coaching-App Fabit keine Finanzierungsrunde abschließen – jetzt wird das Startup abgewickelt. Ähnlich erging es der Berliner Wealth-Plattform Elinvar und dem Krypto-Startup Coindex. Auch Ruuky, eine Banking-App für Jugendliche, musste zunächst die Insolvenz beantragen, fand dann aber doch noch einen Käufer. Kurios war der Fall des Open-Banking-Fintechs Cure, das zwar eine Finanzierungsrunde abgeschlossen hatte, dann aber das Geld des Investors ausblieb. Am Ende kaufte Gründer Martin Buhl das Startup selbst aus der Insolvenz zurück. [crosslinks ids="1561352,1574980,1595947"] Geldspritzen für das richtige Geschäftsmodell Aber es gibt auch die Fintechs, denen 2023 große Finanzierungsrunden gelungen sind. So konnte sich etwa der Paypal-Konkurrent Sumup 285 Millionen Euro von Investoren sichern – allerdings ist das auch die einzige dreistellige Summe, die ein deutsches Fintech 2023 bekommen hat. Zur aktuellen Bewertung äußerte sich der Zahlungsdienstleister nicht. Bei der vorausgegangenen Finanzierungsrunde im Jahr 2022 hatte sie bei acht Milliarden Euro gelegen. Einzelhändler können über Sumup mit einem mobilen Lesegerät Zahlungen per Bank- und Kreditkarte und Smartphone entgegennehmen. Auch dem Fintech Raisin, das unter anderem hinter den Zinsplattformen Weltsparen und Zinspilot steht, und dem Neobroker Scalable Capital gelang es, Investoren zu überzeugen. Bereits im März des vergangenen Jahres wurde Raisin mit einer Milliarde Euro bewertet und bekam in einer Finanzierungsrunde über 60 Millionen Euro. Geld, das in die US-Expansion fließen soll. Neben den Zinsangeboten von Banken vermittelt Raisin auch Anlagemöglichkeiten in börsengehandelte Fonds, also ETF (Exchange Traded Funds), und Kryptowährungen. Das Fintech legt zwar keine Zahlen offen, arbeitet aber nach eigenen Angaben bereits profitabel – ein Ziel, das andere Größen der Branche erst noch erreichen müssen. Scalable Capital hat seine Finanzierungsrunde erst im Dezember 2023 abgeschlossen. Der Neobroker bekam 60 Millionen Euro, wobei die Bewertung stabil geblieben sein soll und auf 1,4 Milliarden geschätzt wird. Das frische Geld fließt unter anderem ins Marketing. Bei dem Neobroker können Kund:innen mit Aktien, ETF, Fonds, Kryptowährungen und Derivaten handeln. Scalable machte zuletzt aber auch mit beim Rennen um die höchsten Tagesgeldzinsen und bietet mittlerweile vier Prozent Zinsen auf Einlagen. Und wie geht es den beiden Fintechs, die laut dem britische Branchendienst Sifted noch zu den wertvollsten deutschen Einhörnern zählen: N26 und Trade Republic? Die beiden sind direkt mit Produkt-Neuerungen ins neue Jahr gestartet, die dem jeweils anderen ein bisschen Konkurrenz machen. Trade Republic: In der Gewinnzone Trade Republic wurde zuletzt mit 5,5 Milliarden Dollar bewertet. Im Jahr 2023 meldete der Berliner Neobroker erstmals seit seiner Gründung einen Nettogewinn. 2022 hatte er noch einen Nettoverlust von 145 Millionen Euro eingefahren. Die schwarzen Zahlen verdankt Trade Republic einem schnellen Strategieschwenk im Jahr 2022 – unter anderem wurde das Marketing umstrukturiert und Investitionsprojekte aufgeschoben, wie Chef Christian Hecker im Handelsblatt-Interview berichtet. Wenn man auf Jahressicht wieder Verluste schreibe, sei das einkalkuliert. „Das Ganze folgt jedoch immer dem Diktat des gesunden Wachstums“, sagt Hecker. Ein Börsengang sei derzeit aber „am Horizont nicht erkennbar“. Vom Broker zur Bank Seit Dezember 2023 hat Trade Republic eine vollständige EU-Banklizenz in der Tasche – und damit neue Möglichkeiten, um zu wachsen. In der vergangenen Woche wurde dann klar, in welche Richtung sich der Neobroker erweitern will: Trade Republic hat die Einführung einer Visa-Karte angekündigt, die Ausgaben und Sparen kombiniert. Kunden erhalten ein Prozent des ausgegebenen Betrags als Saveback auf einen Sparplan ihrer Wahl zurück, sodass mit jedem Einkauf automatisch Geld angelegt wird. Für den Neobroker ist das der Einstieg in den Zahlungsverkehr. Gleichzeitig verzinst er Einlagen derzeit mit vier Prozent und die Karte ist kostenlos, wenn sie nur „virtuell“ ausgestellt wird. N26: „Leicht negative“ Zahlen N26 wurde nach eigenen Angaben bei der letzten Finanzierungsrunde zuletzt mit 7,7 Milliarden Euro bewertet. Beobachter gehen aber davon aus, dass diese Bewertung inzwischen erheblich geschrumpft sein könnte. Die Neobanken musste in den letzten Jahren hohe Verluste verbuchen, weil sie in Compliance- und Anti-Geldwäsche-Kontrollen investieren mussten, nachdem die deutsche Finanzaufsicht Bafin im Jahr 2021 ihr Neukundenwachstum gedeckelt hatte. Mitgründer und Vorstandschef Valentin Stalf erklärte nun gegenüber Reuters, man werde im laufenden Jahr noch „leicht negative Zahlen“ ausweisen, im Laufe des zweiten Halbjahres auf Monatsbasis aber profitabel sein. Für 2023 hatte N26 einen Verlust von rund 100 Millionen Euro in Aussicht gestellt. IPO in weiter Ferne Damit rückt allerdings ein Börsengang erst einmal in weite Ferne. „Realistisch ist ein Börsengang erst in den nächsten drei bis fünf Jahren“, sagt Stalf Reuters. N26 sei aber „für die nächsten paar Jahre gut finanziert“. Auch N26 bietet seit 2023 Tagesgeldzinsen, allerdings „nur“ 2,6 Prozent. Ins Jahr 2024 startet die Bank mit einem neuen Angebot, das aber vorerst nur in Österreich ausgerollt wird. Ab sofort ist der Handel mit ETF über N26 möglich. Mit dem neuen Depot können Kunden:innen ab einem Mindestbetrag von einem Euro in ETF investieren, später dann auch in Aktien. Pro Transaktion fallen dabei Kosten in Höhe von 90 Cent an. Damit unterbietet N26 unter anderem Neobroker wie Trade Republic, wo Kund:innen für jeden Handel eine Fremdkostenpauschale von einem Euro zahlen.