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Richard Gutjahr: Von einem, der auszog, das Bloggen zu lernen

Manchmal wird ihm alles zu viel. Dann klappt Richard Gutjahr den Laptop zu, zieht sich die Laufschuhe an und joggt durch den Englischen Garten. Der bekannte Journalist, Moderator und Blogger nutzt geschickt die neuen Möglichkeiten des Webs und bleibt gleichzeitig den „alten“ Medien verbunden. Im folgenden Beitrag berichtet er davon, wie er den Medienwandel aus Sicht eines Journalisten erlebt.

4 Min. Lesezeit
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Auf dem Rückweg von meiner Joggingtour durch den Englischen Garten hole ich mir meist einen Becher Kaffee und sortiere meine Gedanken. Es ist anstrengend, ständig mit der ganzen Welt verbunden zu sein, und doch möchte ich mein neues, vernetztes Leben nicht mehr missen. Ich komme gerade mit der letzten Maschine aus London zurück, wo ich ein Interview mit einem Kollegen von The Economist gemacht habe. Das Video dazu habe ich noch auf dem Flug geschnitten, denn morgen früh gebe ich bereits einen Workshop an der Deutschen Journalistenschule in München, bevor ich wieder zum Flughafen fahre und nach Hamburg fliege. Alles Jobs, die ich meinem Blog zu verdanken habe.

Mein Leben war nicht immer so aufregend. Um genau zu sein: noch nie. Seit zehn Jahren arbeite ich als Reporter und Nachrichten-Moderator beim Bayerischen Fernsehen. Zuvor jobbte ich als freier Autor bei der Süddeutschen Zeitung und beim Radio. Schlussendlich bin ich beim Fernsehen hängen geblieben, wohl auch deshalb, weil dort am besten gezahlt wurde. Ich habe für den ARD-Weltspiegel über die Tage nach dem 11. September aus New York berichtet, aus Israel habe ich Tagesschau und Tagesthemen mit Beiträgen über den Gaza-Krieg beliefert. Es mag zynisch klingen, aber für einen Reporter sind solche Momente eine echte Herausforderung, das Salz in der Suppe.

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Ich will aber auch nicht den anderen Teil meines öffentlich-rechtlichen Lebens verschweigen, etwa den Streit mit Redaktionsleitern über abgelehnte Themenvorschläge, Maßregelung über Formulierungen in meinen Moderationen, Beschwerde-Anrufe oder gar Briefe von Politikern aus der Staatskanzlei. Das wäre ja alles halb so schlimm, wenn ich nicht der festen Überzeugung gewesen wäre, dass das Publikum, für das wir ja eigentlich arbeiten, überwiegend auf meiner Seite gewesen wäre.

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Wann genau ich mit dem Bloggen begonnen habe, kann ich nicht mehr sagen. Ich weiß nur, dass es eine Zeit lang dauerte, bis mich die Leute im Web wahrgenommen haben. Etwa durch den iPad-Stunt in New York, wo ich als weltweit erster Käufer eines iPads Schlagzeilen gemacht hatte. Eigentlich wollte ich ja ganz klassisch für die ARD eine Reportage über die so genannten „Line-Sitters“ machen, also jene Menschen, die schon Tage vor dem Verkaufsstart eines neuen Apple-Produktes Schlange stehen. „iPad? – Das interessiert doch keinen!“, hieß es damals bei mir im Haus und das gleich aus mehreren Redaktionen.

Na gut, dachte ich trotzig, dann mache ich die Geschichte eben für mein Blog. Eine Woche später saß ich mit Campingstuhl und Schlafsack an der Fifth Avenue in Manhattan und bloggte. Ich hatte noch nie zuvor unter freiem Himmel getextet, Videos geschnitten und meine Filme ins Netz hochgeladen. Erfahrungen, die mir später auf dem Tahrir-Platz in Kairo zugute kommen sollten. Das beste jedoch: Plötzlich stand ich im direkten Kontakt mit meinem Publikum. Die Leser konnten mir via Twitter oder im Blog Fragen stellen, Tipps geben, meine Arbeit loben oder mich einfach nur scheiße finden. Die Schleusen waren geöffnet und eine völlig neue Welt tat sich vor mir auf.

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Mein erklärtes Ziel als Blogger war es, nach einem Jahr den „break even“ erreicht zu haben – sprich: die Serverkosten wieder reinzubekommen. Durch Partner wie scout24.de (‚G! friends’) verfüge ich heute sogar über eine kleine Portokasse für zeitintensivere Recherchen. Natürlich rechnet sich auch das noch nicht, da darf man sich keine Illusionen machen. Vom Bloggen selbst wird man nicht reich. Aber darum geht es gar nicht. Mit meinem Blog habe ich mir so etwas wie meinen eigenen „Vertriebskanal“ aufgebaut. Ich kann eigene Themen setzen und dabei die üblichen Gatekeeper umgehen. Journalistische Freiheit, wie ich sie noch nie kannte.

Natürlich hat das einen Preis. Ich arbeite deutlich mehr als damals, als ich ausschließlich meiner klassischen Arbeit nachgegangen bin. Zum Ausgleich gönne ich mir heute den Luxus und reise sehr viel – denn zum Bloggen muss man nicht im Büro sitzen. Meine Blogposts des Jahres 2011 stammen aus Kairo, London, Paris, Madrid, San Francisco, Los Angeles, Tel Aviv, Wien, Berlin, München und Hamburg. Die Reisen finanziere ich überwiegend über meine Arbeit als Nachrichten-Moderator für das Bayerische Fernsehen. Früher bin ich in meiner moderationsfreien Woche einem Bürojob beim BR nachgegangen. Geld, auf das ich heute verzichte. Stattdessen versuche ich, mich breiter aufzustellen. Dazu gehören übrigens auch wieder die Print-Medien. Seit Mitte 2010 schreibe ich zum Beispiel eine wöchentliche Kolumne in der Münchner Abendzeitung.

Ich gestehe: Der Spagat zwischen Online- und Offline-Medien schlaucht manchmal ganz schön. Bei den klassischen Medien endete meine Arbeit, wenn der Artikel gedruckt oder das rote Licht an der Kamera erloschen war. In der Online-Welt geht die Party mit der Veröffentlichung eines Blogposts erst so richtig los. Kommentare, die freigeschaltet werden wollen, Fragen die via Twitter oder Facebook reinkommen, mehrere hundert E-Mails pro Tag sind die Regel. Ich bemühe mich, beiden Medienrealitäten so gut es geht gerecht zu werden. Und manchmal, wenn mir alles zu viel wird, ziehe ich den Stecker und gehe laufen. In Zeiten des Wandels gilt mehr denn je: Der Weg ist das Ziel.

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Dein t3n-Team

Felix

Sein Blog ist echt nicht schön…
aber ansonsten, Respekt für die Arbeit ;)

Antworten
almita

i-pad interessiert wirklich keinen.

Antworten
Schreibtischtäter

Zumindest nicht, wenn man es falsch schreibt.
Ich finde G’s Blog klasse!

Antworten

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