Anzeige
Anzeige
Digitale Gesellschaft
Artikel merken

Reformvorschläge fürs öffentlich-rechtliche Fernsehen im Internet-Zeitalter

Die neue Haushaltsabgabe befeuert eine brisante Debatte: Wie kann man die Abgabe an die öffentlich-rechtlichen Sender rechtfertigen? Oder anders gefragt: Was müssen diese on- und offline bieten, um einen zeitgemäßen, öffentlich-rechtlichen Journalismus zu gewährleisten?

6 Min. Lesezeit
Anzeige
Anzeige

Ein durch die Gebühren aller Haushalte finanzierter Journalismus ist eine zivilisatorische Errungenschaft, für die demokratisch gesinnte Bürger jeden Tag dankbar sein sollten. 17,89 Euro pro Monat, sieben Milliarden Euro im Jahr – das ist viel Geld, mit dem sich eine unabhängige, umfassende und ausgewogene Grundversorgung an Informationen wunderbar organisieren lassen sollte. Theoretisch. Denn so gut die Idee auch ist, so schlecht ist ihre derzeitige Umsetzung. Vor allem das öffentlich-rechtliche Fernsehen wird seiner Aufgabe immer weniger gerecht. Die Zuschauer des ZDF sind im Schnitt 63 Jahre alt. 2012 erreichte die ARD bei der Fernsehgeneration unter 50 einen Marktanteil von 7 Prozent, das ZDF kam auf nur 6,8 Prozent. Das ist mehr als im Jahr zuvor und in ihren Spartensendern experimentieren die gebührenfinanzierten Sender mit neuen Leuten und Formaten. Doch das reicht nicht aus – weder programmatisch noch technisch. Warum quält die ARD Menschen unter 60 mit der x-ten Rosamunde-Pilcher-Schmonzette, statt die Massen mit dem Besten zu versorgen, was es an TV-Unterhaltung derzeit gibt: US-Serien wie Sopranos, The Wire, Game of Thrones, Breaking Bad und Boardwalk Empire stellen alles in den Schatten, was die Tatorts dieser Republik je gezeigt haben – sind aber allenfalls bei den Privaten zu sehen. Wieso muss das ZDF 54 Millionen Euro für die Rechte an der Fußball Champions League verpulvern, wenn die Spiele ohnehin bei SAT.1 im frei empfangbaren Fernsehen gelaufen wären?

Der neue Rundfunkbeitrag: Idee gut, Umsetzung mangelhaft

Anzeige
Anzeige

Den neuen Rundfunkbeitrag muss jeder Haushalt zahlen. Das ist im Prinzip okay, nur müssen dann auch die Angebote im Internet diese Abgabe rechtfertigen. Und das tun sie derzeit nicht. Denn Menschen unter 40 sind mittlerweile daran gewöhnt, sich ihr Programm autonom zusammenzustellen. Sie wollen fernsehen, wann sie es wollen – und nicht dann, wenn Programmplaner denken, dass sie es wollen. Das geht mit den Angeboten privater Sender mitunter einfacher als bei den öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF: RTL kann man wenigstens bezahlen, um eine alte Folge Dschungel-Camp zu sehen. Die öffentlich-rechtlichen ARD und ZDF hat man zwar bereits bezahlt, doch Sendungen, die älter als sieben Tage sind, suche ich – als legales Angebot – meist vergebens im Netz. Jugendfernsehen ist ohnehin fast komplett zu YouTube abgewandert.

Sechs Reform-Vorschläge

Mit der jetzt eingeführten Haushaltsabgabe verstärkt sich die Legitimationskrise von ARD und ZDF noch, weil die Sender mehr Geld bekommen, aber ihre Leistung nicht mehr stimmt. Um die Idee eines öffentlich finanzierten Journalismus zu erhalten und mit neuem Leben zu erfüllen, braucht es grundlegender Reformen. Der Rundfunkstaatsvertrag, der regelt, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk funktioniert, ist ein zusammengeflicktes Werk. Auch durch die mächtige Lobby der privaten Medienkonzerne sind den gebührenfinanzierten Programmen absurde Vorschriften auferlegt worden. Der Rundfunkstaatsvertrag bedarf der Reform. Leider ist die Lobby für diese Transformation bisher kaum vorhanden. Sechs Forderungen könnte sich eine solche Bewegung auf die Fahnen schreiben:

Anzeige
Anzeige

1. Die Politik muss raus aus den Anstalten

Staatssekretäre und Ministerpräsidenten dürfen nicht de facto Intendanten, Programmdirektoren und Chefredakteure bestimmen. Das hat die Kultur in den Führungsetagen der Anstalten ruiniert. Der programmatische Kompass wird zu oft davon bestimmt, wie die verantwortlichen Politiker das Programm wohl finden. Rechtfertigung gegenüber dem Gebührenzahler? Inhaltliche Überzeugungen? Das ist zu selten der Maßstab. Deswegen sollten die Gebührenzahler die Rundfunkräte und den ZDF-Fernsehrat, vielleicht sogar die Intendanten wählen.

Anzeige
Anzeige

2. Freie Bahn im Internet

Zu den größten Absurditäten des deutschen Mediensystems gehört, dass aufwändig und im Geiste der Grundversorgung mit Gebühren-Euros finanzierte Beiträge nur sieben Tage im Netz stehen dürfen und dann „depubliziert”, also aus dem Netz genommen werden. Diese extrem aufwändige Informationsvernichtung wird auch nicht besser, weil die BBC etwas ähnliches macht.

Was mit Gebühren bezahlt wird, gehört ins Internet. Komplett und für immer. Denn so sehr die Verantwortlichen auch auf ihr lineares Programm starren – es wird in Zukunft eine Nebenrolle spielen. Die Menschen werden sich ihr Programm selbst zusammenstellen. Wenn das aber nicht geht, weil die Inhalte offline sind, verliert das System weiter an Legitimation.

Anzeige
Anzeige

3. Inhalte als OpenData

Gebührenfinanzierte Filme, Radiobeiträge und Manuskripte müssen automatisiert, komplett und maschinenlesbar nach dem OpenData-Prinzip im Netz stehen. Ganz wichtig: Diese Inhalte dürfen dann auch für kommerzielle Zwecke weiter verwendet werden.

Die öffentlich-rechtlichen müssten die Inhalte dann zwar höher honorieren, aber so entstünde ein sehr lebendiges Öko-System aus Apps und Medienangeboten, von denen auch private Unternehmen profitieren. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten wären weniger Sender als gebührenfinanzierte Inhalte-Plattform, die mit zeitgemäßer Technik eine Grundversorgung sichert. Der Verbreitungskanal ist sekundär. Es geht nicht mehr um öffentlich-rechtlichen Rundfunk, sondern öffentlichen Journalismus.

4. Externe Produzenten

Träger der öffentlich-rechtlichen Idee – also einer unabhängigen, ausführlichen Grundversorgung jenseits des kommerzialisierbaren Mainstreams – sind längst nicht mehr nur die Anstalten. Im Netz engagieren sich viele Audio-, Video- und Text-Macher, die öffentlich-rechtlicher sind, als es die öffentlich-rechtlichen je waren: Ausführlich, kompetent und mit großer Leidenschaft beleuchten diese neuen Programm-Macher viele Nischen der Gesellschaft. Oft gelingt dies nur als Hobby oder finanziert durch PR.

Anzeige
Anzeige

Daher muss der journalistische Bewegungsspielraum dieser neuen Produzenten ausgebaut und ihre Unabhängigkeit gestärkt werden. Die öffentlich-rechtlichen Anstalten sollten deshalb verpflichtet sein, einen bestimmten Anteil der Gebührengelder für externe Produzenten auszugeben, deren Inhalte dann allein online als Podcasts und Blogs erscheinen – entweder in den Portalen der öffentlich-rechtlichen oder woanders. Die redaktionelle Auswahl dieser externen Produzenten kann den Anstalten obliegen. Das Prinzip der Auftragsvergabe ist nicht neu und wird für das lineare Programm seit Jahren praktiziert. Es sollte daher auf das Netz ausgedehnt werden.

5. Quote und Qualität

Legitimieren sich die öffentlich-rechtlichen Anbieter nun am besten, indem sie die Massen bedienen, weil dann ein maximaler Anteil der Gebührenzahler sein Programm bekommt? Oder rechtfertigen sie die 17,98 Euro damit, dass Nischen beleuchtet werden, die sich kommerziell nicht verwerten lassen? Dank des Internets geht beides: ARD und ZDF müssen sich nicht auf einen kleinsten gemeinsamen Nenner reduzieren, weil im linearen Programm nicht für alles Platz ist. Sie können vielmehr für jeden etwas bieten, weil es im Netz weder Platz- noch Längenbeschränkungen gibt.

Und noch etwas: „Inhalte im Netz veröffentlichen” klingt immer nach „schaue ich mir auf dem PC am Schreibtisch an”. Das Gegenteil ist richtig: IP-basierte TV-Angebote lassen sich heute oft einfacher und bequemer konsumieren als die über Kabel oder Satellit. Auf Tablets und Smartphones ist die „Heute Show” weltweit in HD zu empfangen – mit einer guten App macht das sogar Spaß. Und wer möchte, kann die Show mit einem Klick vom Smartphone zum Fernseher springen lassen und dort weiter schauen. Diese Technik steht erst am Anfang. Fernseher werden sich das „smart” schnell wieder abgewöhnen und zu dummen, aber guten Bildschirmen degenerieren, die der Nutzer mittels Smartphone und Tablet mit Inhalten füttert.

Anzeige
Anzeige

6. Keine Werbung

Das öffentlich-rechtliche Fernsehen muss werbefrei sein, ansonsten ist eine Haushaltsabgabe nicht zu rechtfertigen. 17,89 Euro im Monat zahlen wir auch und vor allem, damit wir ein maximal unabhängiges Medium bekommen – unabhängig von Politik, aber auch unabhängig von der Wirtschaft. Von den rund acht Milliarden Euro, die das öffentlich-rechtliche System verbraucht, stammt nur rund eine Milliarde aus Werbung. Diese Milliarde können private Sender gut gebrauchen. Sie ist der Preis, den die Öffentlichen für ihre Legitimation im Digitalzeitalter zahlen müssen.

Wir brauchen einen öffentlichen Journalismus

Wir brauchen einen durch Gebühren finanzierten öffentlichen Journalismus, der nicht mehr nur allein von den öffentlich-rechtlichen Anstalten praktiziert wird. Um diese Gebühren zu rechtfertigen, muss dieser Journalismus von Politik und Wirtschaft unabhängig sein und das Internet mit all seinen Möglichkeiten nutzen.

Mehr zu diesem Thema
Fast fertig!

Bitte klicke auf den Link in der Bestätigungsmail, um deine Anmeldung abzuschließen.

Du willst noch weitere Infos zum Newsletter? Jetzt mehr erfahren

Anzeige
Anzeige
4 Kommentare
Bitte beachte unsere Community-Richtlinien

Wir freuen uns über kontroverse Diskussionen, die gerne auch mal hitzig geführt werden dürfen. Beleidigende, grob anstößige, rassistische und strafrechtlich relevante Äußerungen und Beiträge tolerieren wir nicht. Bitte achte darauf, dass du keine Texte veröffentlichst, für die du keine ausdrückliche Erlaubnis des Urhebers hast. Ebenfalls nicht erlaubt ist der Missbrauch der Webangebote unter t3n.de als Werbeplattform. Die Nennung von Produktnamen, Herstellern, Dienstleistern und Websites ist nur dann zulässig, wenn damit nicht vorrangig der Zweck der Werbung verfolgt wird. Wir behalten uns vor, Beiträge, die diese Regeln verletzen, zu löschen und Accounts zeitweilig oder auf Dauer zu sperren.

Trotz all dieser notwendigen Regeln: Diskutiere kontrovers, sage anderen deine Meinung, trage mit weiterführenden Informationen zum Wissensaustausch bei, aber bleibe dabei fair und respektiere die Meinung anderer. Wir wünschen Dir viel Spaß mit den Webangeboten von t3n und freuen uns auf spannende Beiträge.

Dein t3n-Team

Xfear

Schöner Kommentar mit richtigen Ansätzen, fraglich aber, ob das die „Fernseh-Lobby“ mit sich machen lässt.

Antworten
protoSTERN

Als Autor der scheinbar für öffentliche Rundfunkanstalten arbeitet sollte Herr Banse eigentlich mehr Hintergrundwissen mitbringen.

Die 7-Tage-Regelung, Ärger um zuviel Text-Anteile in den Apps usw. liegt ja nicht am öffentlichen Rundfunk, sondern am Lobbyismus der privaten Konkurrenz. Die Öffentlichen würden ja gerne viel mehr, aber sie dürfen nicht.

Inhaltlich stimme ich dem Artikel jedoch voll und ganz zu.

Antworten
Christian

Ich bin gegen die monatliche Gebühr von 17,89 Euro. Mir wäre es lieber das ich auch nur für das bezahle was ich auch tatsächlich gucke. Ähnlich den Angeboten von Google, Microsoft usw. bei denen man einzelne Filme und Serien kaufen bzw. ausleihen kann. Monatliche Abogebühren für z.B. Nachrichten wären auch eine Idee.

Antworten
Thomas Groh

Ich bin für gebührenfinanzierten Rundfunk und für eine Präsenz des ÖR im Netz. Heute ist eh alles Internetz und damit ist auch die künstliche Trennung von Mediensphären völlig hinfällig.

Dennoch halte ich den ÖR für enorm reformbedürftig. Viele sehr vernünftige Punkte wurden hier bereits angesprochen, die ich auch als Kritikpunkt und Forderung teile.

An ein paar Stellen möchte ich aber doch einhaken:

Nicht ganz teilen kann ich die Kritik, was die Verfügbarhaltung von Medieninhalten im Netz betrifft. Zum einen ist es keineswegs so, dass wirklich alles nach 7 Tagen vom Netz genommen wird. Zahreiche Sendereihen liegen auf Monate komplett in den Mediatheken vor oder zumindest lange genug, um sie nicht unbedingt zeitnah zum Ausstrahlungstermin sehen zu müssen. Länger wäre hier aber, selbstverständlich, immer besser. Zum anderen liegt das, in den Fällen, in denen dies geschieht, nicht daran, dass die Sender ihr lineares Programm für besonders schützenswert halten, sondern weil Verlage diese Regelung per Lobbyarbeit durchgesetzt haben. Der Adressat dieses Kritikpunkts wäre demnach also nicht der ÖR, sondern Politik und Privatunternehmer.

Auch die Forderung, dass die Onlineinhalte quasi im Sinne einer Anything-goes-Commons-Lizenz angeboten werden, ist rechtlich einfach auch insofern heikel (und meiner Ansicht nach auch ein klein wenig blauäugig), da audiovisuelle Inhalte ihrem Wesen nach immer aus anderen Inhalten zusammengesetzt sind. Somit müsste jeder einzelne Rechteinhaber verwendeter Materialien sein OK geben, dass sein Werk im Zuge einer Onlineverwertung durch den ÖR automatisch quasi-gemeinfrei wird. Zum einen könnten zB Komponisten von Filmmusik dies gar nicht, wenn sie gleichzeitig Mitglied bei der GEMA sind. Und es macht die Verwendung von bereits bestehenden Songs äußerst schwierig bis unmöglich.

Sprich: Ohne fundamentale, absolut wünschenswerte, sich derzeit aber ärgerlicherweise nirgends abzeichnende Veränderung des Urheberrechts wäre diese Forderung wohl nur zu dem Preis durchzusetzen, dass in Zukunft keine Musik mehr lizenziert wird, zahlreiche Komponisten mehr oder weniger ihren Job verlieren und stattdessen nur noch auf Creative-Commons-Musik gesetzt wird (letzteres fände ich nicht falsch, die ersteren beiden Aspekte halte ich allerdings für eine völlig unzulässige Einschränkung von Gestaltungsmöglichkeiten).

Dennoch halte ich diese Forderung nicht für völlig falsch. Sie müsste nur eingebettet sein in eine größere Kampagne.

Was wohl jetzt schon durchsetzbar wäre, meines Wissens aber nur von arte so umgesetzt wird: Inhalte sollten embeddable sein. Gerade auch, weil der ÖR eben nicht nur den Auftrag hat, zu informieren, sondern auch, zur Sicherung seines eigenen Legitimitätsanspruchs, populär zu sein, ist es doch sehr abwegig, dass gerade diese Schnittstelle in die Ökosphäre von Blogs und Social Media nicht angeboten wird.

Antworten

Melde dich mit deinem t3n Account an oder fülle die unteren Felder aus.

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus!
Hallo und herzlich willkommen bei t3n!

Bitte schalte deinen Adblocker für t3n.de aus, um diesen Artikel zu lesen.

Wir sind ein unabhängiger Publisher mit einem Team von mehr als 75 fantastischen Menschen, aber ohne riesigen Konzern im Rücken. Banner und ähnliche Werbemittel sind für unsere Finanzierung sehr wichtig.

Schon jetzt und im Namen der gesamten t3n-Crew: vielen Dank für deine Unterstützung! 🙌

Deine t3n-Crew

Anleitung zur Deaktivierung
Artikel merken

Bitte melde dich an, um diesen Artikel in deiner persönlichen Merkliste auf t3n zu speichern.

Jetzt registrieren und merken

Du hast schon einen t3n-Account? Hier anmelden

oder
Auf Mastodon teilen

Gib die URL deiner Mastodon-Instanz ein, um den Artikel zu teilen.

Anzeige
Anzeige