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Ratgeber

Warum wir erlebbares Storytelling brauchen

Redaktionen und Kommunikatoren entdecken multimediales Storytelling als Möglichkeit, um aus der Masse herauszustechen. Unsere Gastautorin meint, dass für den Erfolg klare Regeln notwendig sind – und mehr Alltagsbezug.

Von Ute Hildebrandt
5 Min.
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Multimediales Storytelling wird immer wichtiger. (Foto: Shutterstock)

Die Medienbranche durchläuft derzeit einen tiefgreifenden Wandel. Nachrichten werden zunehmend in digitaler Form konsumiert. Dadurch hat sich auch das Selbstverständnis vieler Redaktionen geändert. Online-Ausgaben von Zeitungen und Magazinen sind längst nicht mehr nur das digitale Gegenstück zur Printausgabe. Sie ermöglichen völlig andere Herangehensweisen an Themen – auch für alle anderen Kommunikationsdisziplinen.

Zugleich sind die Werbeeinnahmen vieler Verlage deutlich zurückgegangen. Darüber hinaus wird Journalismus schnelllebiger und verliert seine Breaking-News-Hoheit zunehmend an soziale Medien wie Twitter. In diesem Spannungsfeld wird es für seriöse Medien wichtiger, nicht mehr nur Einordnung und Tiefe zu bieten, um sich von der Masse abzuheben. In etablierten Redaktionen setzt sich die Erkenntnis durch, Leser:innen auch in der Rezeption von Inhalten mehr Teilhabe zu ermöglichen.

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Multimediales Storytelling – also die Kombination von Text, Fotos, Videos und Datenvisualisierungen – hat sich dafür als zentrales Mittel erwiesen. In Interaktiv-Teams arbeiten schreibende Journalist:innen von Anfang an mit Programmierer:innen und Datenwissenschaftler:innen zusammen, um Themen so aufzubereiten, wie es auf Papier unmöglich wäre. Damit bieten sich auch für die Unternehmenskommunikation und die PR bisher ungeahnte Möglichkeiten im Storytelling.

In den sozialen Medien angekommen

Vor allem in den sozialen Medien ist multimediales Storytelling bereits angekommen. Marken und Unternehmen nutzen die interaktiven Elemente, die Kanäle wie Instagram bieten, bereits aus, um mit ihren Follower:innen zu interagieren und Geschichten zu erzählen. Auch Medienhäuser haben diese Chance erkannt. Das aktuellste Beispiel kommt vom SWR, der das Mammutprojekt #ichbinsophiescholl ins Leben gerufen hat. Der Kanal begleitet die letzten Monate im Leben von Sophie Scholl „in Echtzeit“ auf Instagram. Auch wenn die inhaltliche Kritik am Projekt zum Teil berechtigt ist, ist doch das multimediale Storytelling hervorzuheben: Mithilfe von Fotos, Videos, Dokumenten und Zeichnungen vermittelt eine Schauspielerin die Gedanken und Gefühle der Münchner Studentin, die im Widerstand gegen den Nationalsozialismus ihr Leben ließ.

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Ein ähnliches Beispiel kommt vom Bayerischen Rundfunk mit dem preisgekrönten Chatbot-Messenger-Projekt „Ich, Eisner!“. Über Whatsapp oder Instagram wurden im Namen von Kurt Eisner fiktive Nachrichten verschickt, in denen er seine Geschichte von den Tagen der Revolution im November 1918 bis zu seiner Ermordung im Februar 1919 nacherzählt.

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Die Bildsprache muss zur Erzählung passen

Diese Social-Media-Beispiele zeigen deutlich, welche interaktiven Möglichkeiten die Metamorphose aus multimedialen Elementen und Daten für das Storytelling bietet und welche Tiefe der Teilhabe des Publikums möglich wird. Sie können in Teilen auch als Blaupause für die Unternehmenskommunikation und redaktionelle Arbeit dienen. Dabei gilt es, einige Aspekte bei der Recherche und Planung einer multimedial erzählten Geschichte zu beachten.

Zum einen muss die gewählte Bildsprache zur Erzählung passen. Nur so werden Inhalte authentisch übermittelt. Zum anderen ist es wichtig, der Versuchung zu widerstehen, mit unnötigen Spielereien vom Kern einer Message abzulenken. Erklärende Videos, Ton-Aufnahmen, 3D-Animationen und Datenaufbereitungen sind nur dann dienlich für eine Story, wenn sie einen Mehrwert bieten.

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Darüber hinaus gilt es, fließende Übergänge von Text und Video zu integrieren. Die sind wichtig, um Leser:innen nicht das Gefühl zu geben, eine der Formen würde dominieren und die andere sei verzichtbar. Inhaltliche Doppelungen sind dabei absolut tabu. Zudem sollte jede multimedial erzählte Geschichte selbsterklärend sein – niemand mag erst eine Bedienungsanleitung studieren, um sich auf ein neues Thema einzulassen.

Bezug zum Alltag des Publikums

Um in der Wahrnehmung des Publikums einen Unterschied zu machen, muss multimedial erzählte Kommunikation relevante Themen erlebbar machen. Sie muss einen Bezug zu ihren Nutzer:innen und deren Alltag herstellen können. Und obwohl der Durchbruch des „Genres“ fast zehn Jahre zurückliegt, bleiben multimediale, journalistische Erzählungen vielerorts weiterhin Leuchtturm-Projekte: besonders umfangreiche Recherchen, die auch visuell aufwendig umgesetzt werden. Aber das wird sich ändern. Einige Beispiele zeigen heute schon, wie die Zukunft sowohl des Journalismus als auch der PR und Unternehmenskommunikation aussehen kann.

So hat beispielsweise die Zeit das Stück „So schnell verbreitet sich das Coronavirus in Innenräumen“ 2020 veröffentlicht. Nach den ersten beiden Absätzen erscheint ein kontinuierlich weiterlaufender Timer, in dem es heißt: „Sie lesen diesen Artikel seit 59 Sekunden. In diesem Zeitraum haben Sie etwa 594 Aerosolpartikel ausgeatmet. Wären Sie mit Sars-CoV-2 infiziert, wären davon schätzungsweise 19 Aerosolpartikel infektiös.“ Der folgende Text erläutert nicht nur, wie hoch das Ansteckungsrisiko im Restaurant, im Büro, zu Hause mit der Familie ist. Er fordert seine Nutzer:innen auch dazu auf, sich selbst ein Bild zu machen.

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Dafür hat die Redaktion ein vom Max-Planck-Institut für Chemie entwickeltes Berechnungsmodell visualisiert: Mittels Schiebereglern lässt sich die Größe des abgebildeten Raums, die Aufenthaltsdauer und die Zahl der anwesenden Personen verändern, um das individuelle Ansteckungsrisiko als Prozentzahl angezeigt zu bekommen. Auf diese Weise macht die Redaktion einen komplexen Sachverhalt konkret vorstellbar und bietet gleichzeitig maximalen Alltagsbezug für das Publikum.

Komplexe Sachverhalte greifbar machen

Ein weiteres Beispiel kommt von der New York Times, die ihre Leser:innen vor zwei Jahren ins neu errichtete Stadtviertel Hudson Yards mitgenommen hat – noch vor dessen offizieller Eröffnung. Der Text „Is This the Neighborhood New York deserves?“ ist Architekturkritik und städtebauliche Einordnung zugleich und er lässt einen förmlich zwischen Wolkenkratzern hindurchfliegen. Der Textbeginn liegt über einem 3D-Modell der Stadt, das beim Weiterscrollen die Perspektive verändert. Später werden so auch die einzelnen Bauten des umstrittenen Immobilienprojekts vorgestellt. Und während eines bildschirmfüllenden Spaziergangs über die nahe gelegene High Line, eine begrünte ehemalige Bahntrasse, entfaltet sich ein Gespräch mit den Konstrukteuren.

Am Ende zieht der Autor seine Leser:innen sprichwörtlich über den Rand der Aussichtsplattform im 100. Stock eines der Gebäude hinaus – um genau dort, viele Hundert Meter über Manhattan, seinen Schlusssatz zu setzen. So emotionalisiert dieser ungewöhnliche Beitrag ein Thema, das sonst für viele abstrakt geblieben wäre.

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Der Wandel der Branche

Emotionen, Kontext, Erlebbarkeit: All das sind Grundpfeiler eines funktionierenden multimedialen Storytellings, das nicht nur den Journalismus zunehmend prägen wird, sondern Einfluss auf alle Kommunikationsdisziplinen nimmt – vor allem auch die PR. Gelungene Kommunikation hat Unternehmen schon immer dabei unterstützt, relevante Geschichten für ihre Marken, Produkte und Dienstleistungen zu finden. Um der aktuellen Entwicklung zu folgen, muss sie Firmen nun dabei helfen, sich in der wandelnden Umgebung zurechtzufinden. Dazu wird eine Verschmelzung mit anderen Disziplinen und Kompetenzen in den Bereichen der Programmierung, der Datenwissenschaft, des Online-Marketings, der Gestaltung und des Designs in der Zukunft der Unternehmenskommunikation erforderlich. Denn die PR muss noch stärker auf ihre Rolle als Übersetzerin für Konsument:innen fokussiert sein, um Dialoge mit Menschen herzustellen, die eine Haltung, eine Meinung, eine Botschaft haben. Weil am Ende in der immer größer werdenden Flut an Geschichten nur eines zählen wird, um wahrgenommen zu werden: Relevanz.

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