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E-Commerce: Was Frauen wollen

Fragt man in mancher männlich dominierten Werbeagentur nach, wie man ein Produkt für eine hauptsächlich weibliche Zielgruppe optimiert, lautet die Antwort gerne: Pink it and shrink it, also: pink anmalen und verkleinern. Das man(n) diese Antwort besser „grün anmalt und den Hasen gibt“, zeigt euch unser Artikel über Frauen im E-Commerce.

Von Jochen G. Fuchs
6 Min. Lesezeit
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Eine hübsche Reihe Vorurteile zum Thema „Frauen und Einkaufen“ fällt den meisten Männern schnell ein:  Frauen geben mehr Geld aus, Frauen kaufen länger ein, Frauen können sich nicht entscheiden was sie kaufen sollen. Eine üble und klischeehafte Sammlung, bereinigt man die Aussage wertneutral auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, dann bleibt stehen: „Frauen kaufen gerne ein.“ Nur anscheinend nicht sehr gerne im Internet. Auch wenn der Bundesverbandes des Deutschen Versandhandels betont, „der Online- und Versandhandel ist keine Männer- oder Frauen-Domäne“, sieht die Realität anders aus. Die Frauen-Anteile am E-Commerce-Markt sinken auf Tiefststände, der BVH beschönigt die Entwicklung durch Quotenschieberei wie die Einteilung in „Pureplayer“ und „Multichannel“. Doch was sorgt für die sinkende Menge an weiblichen Online-Shoppern? Die Antwort ist genauso banal wie brutal: die Ignoranz gegenüber den Bedürfnissen der weiblichen Kundschaft. Und Ignoranz ist einer Beziehung nicht förderlich, weder zwischenmenschlich noch in der Kundenbeziehung zwischen Online-Händler und Kundin.

E-Commerce: Die Frauen-Anteile sinken stetig. (Bildmaterial: Exciting Commerce)

E-Commerce für Frauen: Der kleine Unterschied

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Die beiden E-Commerce-Spezialistinnen Silke Berz und Astrid Wunsch von der Fullserviceagentur Triplesense haben mit dem Vortrag „E-Commerce für Frauen: Männer jagen, Frauen auch. Nur anders.“ einen schönen Einstieg in das Thema geliefert. Die wichtigsten Erkenntnisse haben wir nachfolgend für euch zusammengefasst und ergänzt.

Einleitend muss man bemerken, dass Frauen Ihre Umwelt peripherer wahrnehmen als Männer, deren Wahrnehmungsvermögen eher fokussiert auf einen Punkt funktioniert. Die weibliche Wahrnehmung nimmt etwas eher im Gesamten auf, die Umgebung und das ganze Drumherum spielen eine größere Rolle. Greift man ein Beispiel aus einem Laden auf, dann nimmt ein Mann ein einzelnes Produkt war und fokussiert auf dieses, während die Frau die Umgebung registriert, in der dieses Produkt platziert ist – die Dekorationen um das Produkt, Gerüche und vieles mehr. Die Wahrnehmungspsychologie und auch die Evolutionsbiologie beschäftigen sich auch mit den Unterschieden im Wahrnehmungsvermögen von Mann und Frau, Frauen hören besser, reagieren sensibler auf Geschmacks- und Duftreize und nehmen die Welt in wärmeren Farben war. Die eingangs erwähnte periphere Wahrnehmung der Frau spielt für den E-Commerce-Sektor eine besondere Rolle. Denn sie kollidiert mit den bisher vorhandenen E-Commerce-Konzepten: Suchfunktionen, hierarchische Produkt-Kategorien und freigestellte Produkt-Fotografie sind zielgerichtete und fokussierte, man könnte also sagen „männliche“ Konzepte. Und diese Konzepte bestimmen aktuell den Alltag in den Online-Shops.

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Auch E-Commerce-Primus Amazon bietet Frauen nur ein klassisches Einkaufen. (Screenshot: Amazon.de)

Statistisches zu weiblichen Vorlieben

Die wichtigsten statistischen Fakten aus dem Vortrag im Kurzabriss:

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  • Bevorzugte Einkaufszeiten Frauen eher von 12.00 bis 13.00 Uhr, Männer von 19.00 bis 20.00 Uhr.
  • Durchschnittliche Warenkorbhöhe Frauen 51,84 Dollar, 67,82 US-Dollar bei Männern.
  • Einkaufsdauer Frauen eher 14 Minuten, Männer zehn.
  • Seitenaufbau Frauen bevorzugen „lange“ Websiten: mehr scrollen, weniger blättern.

Welcher Nutzergruppe Frauen hauptsächlich angehören: 

  • Digitale Profis, diese Gruppe besteht zu 70 Prozent aus Männern. Nutzungsfokus unter anderem auf Online-Shopping, Online-Banking, Reisebuchung. Anteil der mobilen Nutzung: 50 Prozent Smartphone, zehn bis 20 Prozent Tablet.
  • Gelegenheitsnutzer, diese Gruppe besteht zu 70 Prozent aus Frauen. Nutzungsfokus unter anderem auf E-Mail, Nachrichten, Preisrecherche. Anteil der mobilen Nutzung 25 Prozent Smartphone und drei Prozent Tablet.
Die statistischen Daten stammen aus verschiedenen Studien, die am Ende des Artikels unter „Weiterführende Links“ aufgeführt sind.

Storytelling – Stilistisch ansprechendere Einbettung der Produkte

Prinzipiell wäre die opulente Bildsprache eines Katalogs für Frauen ansprechender als die oftmals karge Bildsprache eines Online-Shops, denn mit Bildern wird oftmals eine Geschichte erzählt, die die Anwendungsmöglichkeiten eines Produktes dargestellt. Statt ein iPad freigestellt auf kargem, weißem Hintergrund darzustellen, wäre es besser, es in Aktion zu zeigen: mit Diagrammen in der Besprechung auf dem Bürotisch, oder (klischeehaft) als klecker-sicheres Rezeptbuch in der Küche. Der Coolness-Faktor spielt eine eher untergeordnete Rolle für weibliche Kunden, wichtig ist es eher aufzuzeigen: Was kann ich damit machen und wie und wo kann ich es nutzen?

Soziale Interaktion

Davon auszugehen, das die weiblichen Zielgruppen nur „weibliche Produkte“ erwerben, wäre wieder Schubladendenken der unflexibelsten Art. Frauen kaufen, so die Vortragenden, „für Ihre Sippe“ ein, die Freunde und Verwandte miteinschließt. Soziale Interaktion, Weiterempfehlungsfunktionen, Dashboards wie Pinterest aber auch Shopping-Clubs und ähnliches kämen dem weiblichen Kaufverhalten hier zugute. Frauen beraten sich gerne über mögliche Einkäufe, alle zusätzlichen Möglichkeiten der sozialen Interaktion können also auch zusätzlichen Umsatz bringen. Zum einen vom Primärkunden, der gerade einkauft, zum anderen von einem sekundären Kunden, der zur Beratung hinzugezogen wird.

Emotionalität und Bildsprache

Produkte, die für Frauen konzipiert sind, sollten von Frauen präsentiert werden, da Frauen eher Frauen vertrauen würden. Sieht man jedoch die Ergebnisse mancher Werbeagenturen, wenn es darum geht, Frauen in Bildwelten einzubauen, könnte man gelegentlich anfangen zu schreien. Man möchte ihnen zurufen: Bildet keine Hausfrauen und Hausmütterchen mehr ab, sondern zeigt die moderne Frau in allen Lebenslagen, sorgt für eine ausgewogene Bildsprache, in der sich eure weibliche Kundschaft wiederfindet. Frauen an der Steilwand im Kletteroutfit, im Geschäftsalltag und wenn es sich nicht vermeiden lässt, dann eben auch mal beim Einkaufen. Wichtig ist es hier zu erkennen, dass die weiblichen Kunden sich in der jeweiligen Darstellung emotional wiederfinden müssen.

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Die Produktbeschreibungen und auch die Produktbezeichnungen sind weitestgehend zu technisch und trocken ausgeführt, um für weibliche Kunden ansprechend zu wirken. Mehr Emotionen in die Texte, lautet das Motto. Das pure Abspulen von Features ist hier auch einfach zu wenig. Konkrete Anwendungsbeispiele und Kundennutzen müssen her, etwas, was gute Verkaufstrainer im stationären Handel ihren Verkäufern schon seit Jahren – geschlechtsunabhängig – einbläuen. Keine Features, sondern Produktnutzen aufzeigen, erklärt am Beispiel eines Handys: „180 Stunden Stand-by-Zeit“ ist ein Feature. „Sie können eine Woche telefonieren, ohne aufzuladen“, ist ein Kundennutzen.

E-Commerce für Frauen braucht eine neue Bildsprache. Schluss mit den Hausmütterchen. (Bildmaterial: (Foto: alexindigo / flickr.com, Lizenz: CC-BY))

Aufbau der Produktbeschreibungen im Online-Shop

Die Produktbeschreibungen in einem Online-Shop sind in der Regel Feature-orientiert, technische Daten stehen beinahe an oberster Stelle. Um der weiblichen Kundschaft entgegenzukommen, sollte die Anordnung jedoch etwas anders aussehen:

  1. Produkteigenschaften
  2. Nutzen: Konkrete Anwendungsmöglichkeiten vorweisen. Das Produkt im Kontext seiner natürlichen Umgebung zeigen.
  3. Bewertungen und Kommentare
  4. Produktvergleich
  5. Technische Daten

Vortrag „E-Commerce für Frauen: Männer jagen, Frauen auch. Nur anders.“

Der Vortrag vom Webmontag Frankfurt #45 kann in voller Länge mit rund 22 Minuten bei Vimeo angesehen werden.

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Kommentar – Einkaufserlebnis längst nicht nur für weibliche Kunden wünschenswert

Usability-Studien bescherten schon vor Jahre die Erkenntnis, dass es zwei grundlegend unterschiedliche Bewegungsformen auf einer Website gibt. Die eine Nutzergruppe benutzt hauptsächlich die Navigationsfunktion, die andere Gruppe eher die Suchfunktion. Die Einen „stöbern“ eher, die anderen marschieren zielgerichtet auf das Gesuchte zu. Ähnlich gestaltet sich die Situation für E-Commerce Seiten. Es gibt zielorientierte Kundengruppen, die mit möglichst wenigen Klicks zum Produkt wollen, und es gibt Kundengruppen, die eher stimmungsgetragen herumstöbern und sich auch mal inspirieren lassen (möchten). Die letztere Gruppe ist sozusagen die weibliche Kundschaft auf der Suche nach einem Einkaufserlebnis. Diese Gruppe wird momentan, zumindest wenn man das Gesamtbild im Auge hat, eigentlich gar nicht berücksichtigt, Online-Shops zeichnen sich durch nüchterne Bildsprache aus, stöbern wird gleichgesetzt mit der Suchfunktion oder der Navigationsstruktur, und die vielgelobte Produktempfehlungen im Amazon-Stil „Andere Kunden kauften auch“ produzieren erstens auch ziemlich viel statistischen Mist (schön, dass viele Kunden, die Glühlampen kaufen, auch Staubsaugerbeutel bestellen), zweitens hat das Anbieten von ergänzenden Produktvorschlägen wenig bis gar nichts mit einem Einkaufserlebnis zu tun. Zeit, daran etwas zu ändern.

Fazit

Das Thema „E-Commerce für Frauen“ ist wichtig, auch wenn alles rund um geschlechtsspezifische Themen schnell Klischees auf den Plan ruft (die sich gelegentlich bewahrheiten), die sich auch im vorliegenden Artikel – leider – nicht immer vermeiden ließen. Die nähere Beschäftigung mit diesem Thema lohnt sich für jeden Online-Händler, auch wenn die hauptsächliche Zielgruppe auf den ersten Blick nicht die weibliche Kundschaft sein mag. Denn wer weiß erstens schon, wer den ach so männlichen Rasierer in Wirklichkeit kauft? Und zweitens: Auch Männer möchten vielleicht in optisch ansprechenderen Produktpräsentationen stöbern und sich zu einem emotional getragenen Impulskauf verführen lassen. Dem Umsatz kann das nicht schaden.

Weiterführende Links

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ux4dotCom

Weitere Zahlen und Fakten zum Konsumverhalten von Frauen:
http://ux4dotcom.blogspot.com/2012/11/womens-online-shopping-behavior.html

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