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MIT Technology Review News

Bäume als Zeitzeugen: Wie Forscher das Klima der letzten 2.000 Jahre rekonstruieren

Forscher:innen stützen sich auf Informationen aus Baumringen, Gletschern und fossilen Aufzeichnungen, um das aktuelle Klima in den richtigen Kontext zu setzen.

Von MIT Technology Review Online
4 Min.
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Baumringe liefern wichtige Informationen über das Klima vergangener Jahrhunderte. (Foto: Dmitry Demkin / shutterstock)

Der Sommer naht – aber noch gut in Erinnerung ist der Temperaturrekord in Deutschland von 38 Grad Celsius im letzten Jahr. Keine Frage: Es war heiß. Eine Mitte Mai veröffentlichte Studie kommt sogar zu dem Ergebnis: Der vergangene Sommer war in der nördlichen Hemisphäre der heißeste seit über 2.000 Jahren. Aber woher wissen wir überhaupt, dass es der wärmste Sommer etwa seit Beginn der Zeitrechnung war?

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Im Jahr 1 n. Chr. gab es noch keine Thermometer. Also müssen Wissenschaftler:innen kreativ werden, wenn es darum geht, unser heutiges Klima mit dem von vor Jahrhunderten oder sogar Jahrtausenden zu vergleichen. Heute gibt es Tausende Wetterstationen rund um den Globus, die die Temperaturen vom Death Valley bis zum Mount Everest messen. Es gibt also reichlich Daten, die zeigen, dass 2023 brennend heiß war.

Die täglichen globalen Meerestemperaturen waren länger als ein Jahr in Folge die wärmsten, die jemals aufgezeichnet wurden. Die Meereismenge erreichte einen neuen Tiefstand. Darüber hinaus verzeichnete das Jahr die höchsten globalen Durchschnittstemperaturen seit Beginn der Aufzeichnungen in 1850.

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Bäume als Wetterstationen

Die Wissenschaftler:innen beschlossen jedoch, noch weiter in die Vergangenheit zurückzublicken, um ein Jahr zu finden, das sich mit den aktuellen Temperaturen vergleichen lässt. Sie machten sich zunutze, dass Bäume gleichsam Low-Tech-Wetterstationen sind.

Die konzentrischen Ringe im Inneren eines Baumes sind ein Beweis für die jährlichen Wachstumszyklen der Pflanze. Die helleren Farben stehen für schnelles Wachstum im Frühling und Sommer, die dunkleren Ringe für Herbst und Winter. Zählt man die Paare von hellen und dunklen Ringen, kann man feststellen, wie viele Jahre ein Baum gelebt hat.

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Bäume neigen dazu, in warmen, feuchten Jahren schneller zu wachsen und in kalten Jahren langsamer. Die Wissenschaftler:innen können also nicht nur die Ringe zählen, sondern auch ihre Dicke messen und daraus ableiten, wie warm ein bestimmtes Jahr war. Sie betrachten auch Faktoren wie die Dichte und verfolgen die verschiedenen chemischen Signaturen, die im Holz zu finden sind.

Man muss nicht einmal einen Baum fällen, um seine Hilfe bei Klimastudien in Anspruch zu nehmen – man kann einfach einen kleinen Zylinder aus der Mitte des Baumes herausbohren, einen sogenannten Kern, und die Muster darin untersuchen.

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Die ältesten lebenden Bäume erlauben es, ein paar Jahrhunderte in die Vergangenheit zu blicken. Darüber hinaus geht es darum, die Muster der toten Bäume mit denen der lebenden Bäume zu vergleichen und die Aufzeichnungen wie ein Puzzle zusammenzusetzen.

Mehr als 10.000 Bäume untersucht

Es waren mehrere Jahrzehnte Arbeit und Hunderte von Wissenschaftler:innen erforderlich, um die nötigen Aufzeichnungen für diese Studie zu erstellen, sagt Co-Autor Max Torbenson. Mehr als 10.000 Bäume aus neun Regionen der nördlichen Hemisphäre wurden untersucht, um Rückschlüsse auf einzelne Jahre in den vergangenen zwei Jahrtausenden zu ziehen. Das Jahr 246 n. Chr. hielt einst die Krone für den wärmsten Sommer auf der Nordhalbkugel in diesem Zeitraum. Aber 25 der letzten 28 Jahre haben diesen Rekord gebrochen, sagt Torbenson, und der Sommer des Jahres 2023 übertrifft sie alle.

Diese Schlussfolgerungen sind auf die nördliche Hemisphäre beschränkt, da es nur wenige Baumring-Aufzeichnungen von der südlichen Hemisphäre gibt, sagt Jan Esper, Hauptautor der neuen Studie. Solche Untersuchungen seien für die Tropen nicht besonders geeignet, weil die Jahreszeiten dort anders aussehen, fügt er hinzu. Da es zum Beispiel keinen Winter gibt, gibt es auch keine zuverlässig wechselnden Jahresring-Muster – obwohl einige Bäume Jahresringe haben, die die feuchten und trockenen Perioden des Jahres anzeigen.

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Der größte Unterschied zwischen der neuen Baumring-Studie und Methoden, die weiter in die Vergangenheit zurückreichen, ist die Präzision. Wissenschaftler:innen können Baumringe mit ziemlicher Sicherheit verwenden, um Rückschlüsse auf einzelne Jahre in der nördlichen Hemisphäre zu ziehen: 536 n. Chr. war beispielsweise das kälteste Jahr, was wahrscheinlich auf vulkanische Aktivitäten zurückzuführen ist. Alle Informationen, die weiter zurückliegen als die letzten paar tausend Jahre, sind eher ein allgemeiner Trend als ein spezifischer Datenpunkt, der ein einzelnes Jahr repräsentiert. Aber diese Aufzeichnungen können trotzdem sehr nützlich sein.

Blick ins Eis

Paläoklimatolog:innen, die alte Klimazonen untersuchen, stehen aber noch andere Methoden zur Verfügung, die ihnen eine allgemeine Vorstellung davon verschaffen können, wie das Klima vor Zehntausenden bis Millionen von Jahren ausgesehen hat. Die ältesten Gletscher auf der Erde sind mindestens eine Million Jahre alt. Wissenschaftler:innen können Proben aus ihrem Eis entnehmen und aus dem Verhältnis der in den Eiskernen enthaltenen Gase wie Sauerstoff, Kohlendioxid und Stickstoff die Temperatur der Zeit ermitteln, die den Schichten des Gletschers entspricht. Der älteste kontinuierliche Eiskern, der in der Antarktis gesammelt wurde, reicht etwa 800.000 Jahre zurück.

Mithilfe von Fossilien können Forscher:innen sogar noch weiter zurück in die Temperaturgeschichte der Erde blicken. Für eine 2020 veröffentlichte Studie bohrten Forscher:innen in den Meeresboden und untersuchten das Sediment und winzige konservierte Schalen alter Organismen. Anhand der chemischen Signaturen in diesen Proben fanden sie heraus, dass die Temperaturen, die wir möglicherweise erreichen werden, heißer sein könnten als alles, was der Planet seit Millionen von Jahren auf globaler Ebene erlebt hat. Die Menschheit wird den Planeten auf dramatische Weise verändern.

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Die gute Nachricht ist, dass bekannt ist, was zu tun ist: Die Emissionen von Gasen wie Kohlendioxid und Methan, die den Planeten erwärmen, müssen reduziert werden. Je länger das dauert, desto teurer und schwieriger wird es sein, die Erwärmung zu stoppen und umzukehren, wie Esper auf der Pressekonferenz sagte: „Wir sollten so viel wie möglich tun, so schnell wie möglich.“

Der Text stammt von Casey Crownhart. Sie ist Redakteurin bei der US-amerikanischen Ausgabe von MIT Technology Review und deckt die Themenbereiche Klima, (erneuerbare) Energie und Transport ab.
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Dein t3n-Team

Frank Ebenhöfer

Ok -es gibt den Klimawandel. Warum ? das gilt es herauszufinden ! Eindeutig bewiesen was der Grund dafür ist ,ist wissenschaftlich nicht geklärt. Um ein apokalyptisches Szenario heraufzubeschwören reichen die Daten (und damit die -politisch gefärbten ) Folgerungen nicht aus. Den Menschen als Hauptverursacher auszumachen ist aus wissenschaftlicher Sicht hanebüchern . Zu guter Letzt :es gibt für den Weltuntergang sicher bedrohlichere Gründe – zb die Vergiftung und Vermüllung unserer Erde !!

Antworten
Harald Paslevski

Wollen Sie das wirklich glauben, Herr Ebenhöfer?
Warum haben dann 195 Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet, darunter USA, China, Indien, Japan? (siehe treaties.un.org)?
Alles grüne Ideologen?

Nein! Das der Mensch der Hauptverursacher ist, ist aus wissenschaftlicher Sicht erwiesen!

Wenn Sie sich lieber gegen die Vergiftung und Vermüllung unserer Erde stellen wollen, ist das natürlich prima. Da gibt es auch genug zu tun.
Aber deshalb muss man nicht so einen Unsinn über den Klimawandel verbreiten.

Antworten
Mannimann13

„Alles grüne Ideologen?“

Nur weil Staaten das Pariser Klimaabkommen unterzeichnet haben, heißt das noch lange nicht, dass sie auch etwas tun werden. Wenn die unterzeichnenden Staaten ihre Ziele nicht einhalten, sind damit nämlich keine Konsequenzen verbunden (das gibt es nur bei uns in der EU). Es ist leicht was zu unterschreiben wenn man es sowieso nicht einhalten muss.

Ein Regierungswechsel reicht da schon aus, siehe letzte Trump Regierung. Die Demokraten glauben an den menschengemachten Klimawandel und sind deshalb auch dem Klimaabkommen beigetreten, die Republikaner tun es aber mehrheitlich nicht und sind unter Trump wieder ausgestiegen.
Solange der Klimawandel noch einigermaßen beherrschbar ist, ist das Pariser Klimaabkommen nicht das Papier wert auf dem es steht.

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