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Social Media: * 2006, † 2016

Lange war Martin Weigert begeisterter Social-Media-Nutzer. 2016 verging ihm die Lust. Warum das Kapitel Social Networking für ihn in bisheriger Form beendet ist, erklärt seine Kolumne Weigerts World.

Von Martin Weigert
5 Min. Lesezeit
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2016 sind Soziale Medien für mich in ihrer herkömmlichen Form gestorben. Etwa zehn Jahre, nachdem Social Networks im Fahrwasser des Web 2.0 zum Massenphänomen avancierten und Facebook mit der Einführung des Newsfeeds das Fundament für einen beispiellosen Aufstieg legte, ging damit aus meiner Sicht eine Ära zu Ende. Seit November habe ich meine Nutzung feed- (und story-)basierter sozialer Netzwerke massiv reduziert. Twitter verwende ich nur noch für Direktnachrichten und als Push-Kanal für mein Blog. Bei Facebook poste ich kaum noch individuelle (nicht-automatisierte) Inhalte. Beim Ansteuern von facebook.com blendet eine Browser-Erweiterung den Newsfeed aus. Auch bei Snapchat (das ich ohnehin kaum ernsthaft verwendet habe) und Instagram lasse ich mich nur noch selten blicken. Ich fühle mich damit richtig gut.

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Diese Maßnahmen sind das Ergebnis einer nüchternen Kosten-Nutzen-Kalkulation. Zehn Jahre lang überstieg in meinen Augen der wahrgenommene Nutzen von Social Media die Kosten. 2016 ging diese Rechnung nicht mehr auf. Plötzlich empfand ich die auf One-to-Many-Kommunikation ausgerichteten sozialen Netzwerke eher als Last denn als Segen. Nach einigen Monaten der Selbstbeobachtung war der Punkt gekommen, ein Kapitel zu schließen und dem ständigen Konsumieren von Social Feeds sowie dem eigenen, permanenten lauten Denken in 140 Zeichen den Rücken zu kehren.

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Was ich gerade als Kosten bezeichnete, möchte ich kurz näher erläutern:

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Gruppendenken und Mob-Mentalität

Das täglich in sozialen Medien zu beobachtende Gruppendenken und die damit verbundene Mob-Mentalität sind nicht mehr zu ertragen. Es spielt dabei keine große Rolle, ob die Intentionen „gut” sein mögen, oder ob es sich um böswillige Zusammenrottungen von Fanatikern und Trollen handelt. Die Effekte sind immer problematisch, weil sie Differenzierungen unmöglich machen. Die Ursachen für diese Dynamiken liegen zwar in der Struktur des menschlichen Denkens. Sie werden aber vom Informationsdesign der sozialen Netzwerke massiv verstärkt. Wenn ein neues Medium Menschen dazu verführt, nur noch stur in „Wir vs die“-Bahnen zu denken und zu argumentieren, dann sollten alle Alarmglocken klingeln.

Zeitverschwendung und Prokrastination

Erst wenn man aufgehört hat, am laufenden Band irgendwelches Zeug bei Twitter und Facebook zu posten und den eigenen Tagesablauf durch den andauernden Konsum der Beiträge anderer User in viele Kleinteile zu fragmentieren, merkt man, wie viel Zeit einem plötzlich zur Verfügung steht. Konzentriertes Arbeiten ist weitaus einfacher, wenn es einem nicht ständig in den Fingern zuckt, nur kurz den Feed zu checken.

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Suchtaspekte und gefühlter Klickzwang

Dass die Verwendung sozialer Netzwerke für viele Nutzer Zwangs- oder gar Suchteffekte mitbringt, ist kein Zufall: Die Entwickler der Dienste machen in der Umsetzung von verschiedensten psychologischen Kniffen Gebrauch, um im Gehirn bestimmte, teilweise evolutionsbiologische Prozesse in Gang zu setzen, denen Individuen nur mit großer Anstrengung widerstehen können. Bei jeder Fahrt in der Bahn oder im Bus kann man Smartphone-Anwender dabei beobachten, wie sie scheinbar willkürlich wiederholt Apps öffnen, ein bisschen herumscrollen, schließen, und sie kurz darauf wieder öffnen. Der Mensch als temporäre, willenlose Klickmaschine. Kein sonderlich attraktiver Zustand, oder? Das denke ich mir zumindest jedes Mal, wenn ich mich dabei ertappe.

Narzissmus und Like-Sucht

Immer mehr Studien und Anwenderbefragungen kommen zu dem Schluss, dass signifikante Teile der regelmäßigen Social-Media-Nutzer negative Emotionen verspüren, wenn sie im Feed die scheinbar perfekten Lebensentwürfe ihrer Kontakte sehen. Viele wissen sich nicht anders zu helfen, als ihrerseits beim Wetteifern um die perfektesten Urlaubsselfies und meisten Likes mitzumachen. Das Bedürfnis, sich mit anderen zu vergleichen, die daraus resultierende latente Unzufriedenheit sowie die Sehnsucht danach, gemocht zu werden, liegen in der Natur des Menschen. Bei One-to-Many-Kommunikationsplattformen führt dies sehr schnell zu destruktivem Verhalten. Für Individuen genauso wie für die Gesellschaft als Ganzes.

Echo-Kammern und Desinformation

Die ganze Fake-News-Debatte haben wir nur, weil Social Networks es mit ihrer enormen Reichweite und dem Wettbewerb um Aufmerksamkeit sowie den strukturellen Anreizen zur Suche nach ständiger Bestätigung eigener Ansichten für ideologisch oder finanziell motivierte Akteure hochgradig attraktiv und effektiv machen, systematisch Falschmeldungen im Umlauf zu bringen. Dass die damit einhergehende Desinformation und Relativierung des Wahrheits-Begriffs eine Bedrohung für aufgeklärte, moderne Demokratien sind, steht für mich mittlerweile, nach allen Ereignissen der letzten Monate und Jahre, außer Frage.

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An die Stelle von Social Networks sind für mich Messaging-Apps getreten. Diese gestatten es mir, mich in einem weitaus angenehmeren, konstruktiveren Umfeld mit Menschen auszutauschen, an denen mir etwas liegt (einzeln oder in Gruppen). Es ist bezeichnend, dass ich bei Twitter nach wie vor die Direktnachrichten-Funktion verwende. Meinen Informationskonsum bestreite ich primär über RSS-Feeds und spezifische News-Apps. Mein Mitteilungsbedürfnis ventiliere ich auf anderen Wegen. Und oft lasse ich es auch einfach sein, einen Gedanken oder beliebigen Link sofort mit aller Welt zu teilen. Das erforderte anfangs einiges an Selbstbeherrschung, klappt mittlerweile aber ganz gut.

Lediglich in einem Aspekt wirkt sich mein Vorgehen bisher für mich nachteilig aus: Hat man Ankündigungen in eigener Sache (sei es nur, um meine neueste t3n-Kolumne anzupreisen), fehlt einem natürlich die Social-Media-Reichweite, die man sich aufgebaut hat. Andererseits: Sie ist ja genau genommen nicht weg. Für mich persönlich allerdings funktioniert ein Ganz-oder-gar-nicht-Ansatz zumeist besser, zumindest anfänglich, um Gewohnheiten abzulegen. Wie sich das weiterentwickelt, muss man abwarten. Bei Linkedin poste ich weiterhin. Interessanterweise ist das Geschäftsnetzwerk von den zahlreichen negativen Begleiterscheinungen der Social-Media-Landschaft relativ verschont geblieben. Davon abgesehen bin ich auch gespannt, wie es mit Medium weitergeht.

Was natürlich mit weitgehender, selbstgewählter Social-Media-Abstinenz auch unmöglich wird, ist meine hier beschriebene Handlungsempfehlung, jeden Tag einen Troll zu füttern. Aber nur deshalb doch dabei zu bleiben, wäre falsch verstandenes Pflichtbewusstsein.

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Ich sehe die letzten zehn Jahre meiner begeisterten und intensiven Nutzung von reichweitenbasierten Social Networks als lehrreiche und unterhaltsame Zeit an. Manchen vielversprechenden Technologien gelingt es, über lange Zeiträume ihre Daseinsberechtigung zu erhalten. Andere Ansätze lassen einen anfänglich aufjubeln und liefern unheimlichen initialen Mehrwert, flachen aber anschließend stark ab oder produzieren viele unerwünschte Nebeneffekte, sodass sie gänzlich in Frage gestellt werden müssen.

Heutzutage erinnert mich Social Media in der Grund-Charakteristik an die Talksshows, die in den 90er Jahren das Tagesprogramm der privaten Fernsehsender dominierten. Irgendwann wollte ich da auch nur noch abschalten.

Weitere Kolumnen der Serie Weigerts World findet ihr hier. Ihr könnt die vom Autor täglich kuratierten News zur Netzwirtschaft abonnieren oder seinen wöchentlichen E-Mail-Newsletter mit Leseempfehlungen beziehen.

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26 Kommentare
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Dein t3n-Team

Steven Broschart

Sehr gut auf den Punkt gebracht. Letztlich erweitern soziale Netzwerke nicht nur die „normalen“ Kommunikationsmöglichkeiten, sondern sie modifizieren sie auch in einer unnatürlichen Form. In der Offline-Welt kommuniziert man eben auch nicht mit so vielen Menschen gleichzeitig, die man nicht kennt. Und das setzt – im Schutz der Anonymität – sehr eigenwillige und kaum zu steuernde Gruppendynamiken frei.

Wir behandeln dieses Thema übrigens auch in unserem Buch: http://contentfaktor.de

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Sebastian

Martin beschreibt ein Gefühl, das wahrscheinlich viele andere mit ihm teilen, die wir in den Kindertagen (von Facebook und Twitter) eingestiegen sind in das Abenteuer Social Media. Es war extrem berauschend: Alles neu, alles vernetzt, so viele gute neue Kontakte, so viele kluge Gedanken.

Und jetzt? Schon seit zwei Jahren spüre ich eine Müdigkeit, ja Langeweile, die ich auch in Martins Zeilen erkenne. Ganz besonders ermüdend für mich dabei: Das unendliche Kopieren von Inhalten. Dieses ewige Wiederholen der selben Sprüche und Witze, die schnell mit dem eigenen Logo versehen geklaut werden. Ob als Marketing-Instrument oder in Kommentaren als vermeintliche „Diskussionskultur“. „Ein GIF ist keine Antwort, Baby.“ Fast hätte ich es als GIF produziert.

Ich versuche seit 2015, meine Accounts neu zu organisieren. Ich arbeite bei Twitter und Facebook viel mit Listen (die Facebook dann in der Desktopversion neulich gleich mal gekillt hat), um neben meinem RSS Reader gute News-Quellen aufzubauen.

Eine Vernetzung findet auf Twitter nicht (mehr) statt. Die Social Media Nachbarn von gestern sind die Influencer von heute und die haben keine Zeit mehr für den angeregten Plausch über den Gartenzaun.

LInkedIn wird die entstandene Lücke nicht füllen, genau wie quora es nicht geschafft hat. Beide haben aber interessante Aspekte und hej: GIFs bleiben draußen.

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Jan Heidemeier

Vielen Dank für diesen tollen Artikel. Zuvor habe ich schon überlegt, meinen Facebook-Account zu löschen (!), Ihre Argumente haben mich nun dazu bewogen.

Soziale Netzwerke waren und sind für mich immer wieder ein „Klotz am Bein“, nur weil alle Anderen es auch benutzen (müssen). Wobei man sagen muss, dass es damals (ca. 2000 bis 2005) weitaus schlimmer war: Erst ICQ, dann StudiVZ bzw. SchülerVZ, nebenbei noch MySpace und letztendlich Facebook usw. Der Gruppenzwang zwang einen, immer wieder die Plattformen zu wechseln. Irgendwann habe ich dann beschlossen, dieser Hatz nach Benachrichtigung und der ständigen Erreichbarkeit entgegen zu arbeiten. Allen Kollegen habe ich dann einfach gesagt, dass sie mich telefonisch oder per E-Mail erreichen konnten, sonst nicht. Leider habe ich dann nach fast über 2-3 Jahren wieder mit Facebook angefangen. Nun habe ich entschieden, entgültig aufzuhören, und wissen Sie was…?

Ich vemisse NICHTS!

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Melanie Petersen

Schöner Text, spricht mir aus der Seele. Ich würde den jetzt auch sofort teilen – wenn ich nicht mein Facebookprofil am Jahresanfang deaktiviert hätte :D

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Fischi

Ha wunderbar … und sowohl rund um den Artikel als auch den Autorangaben prangen dann die allgegenwärtigen Share und Like Buttons. Irgendwie wie „Freibier für alle“ in der Sitzung der anonymen Alkoholiker zu brüllen …

P.S.
@Redaktion: Das automatische switchen auf die Homepage beim scrollen nervt gewaltig. Wollte das Kommentarfenster ein wenig hoch scrollen und schwups ist der ganze Text weg… nicht gerade zu Ende überlegt!

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Martin Weigert

Das ist Teil des Gesamt-Dilemmas. Die Abhängigkeit aller Akteure von einem System, selbst wenn sich dieses System als dysfunktional erweisen sollte.
Es wäre nicht sonderlich pragmatisch, von t3n zu erwarten, dass sie alle Buttons ausbauen, bevor ich meine Kolumne publizieren kann. :)

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AngryNerd

Liebes t3n Team,

ich habe heute bereits mehrere Posts von euch gelesen und muss sagen das neue „Feature“, dass wenn man nach unten Scrollt und auf die Startseite weitergeleitet wird, ist der größte „!§$=&!“/)$( den ich seit langem gesehen habe.

Da möchte man die Kommentare ansehen und kommt nicht mal dazu weil man immer auf die Startseite weitergeleitet wird.
Dann benutzt man den Browser Button um auf die letze Seite zu gelangen, diese Springt natürlich dorthin wo ich zuletzt war und direkt geht die Weiterleitung auf die Startseite wieder los.
Ok, also noch mal zurück gedrückt und schnell hoch gescrollt um nicht wieder auf der Startseite zu landen. Dann in aller Ruhe und schön langsam nach unten Scrollen um zu sehen wo die Kommentare denn plötzlich hin sind.
Die sind weg… man findet die nicht mehr aber wehe man scrollt 1px zu weit nach unten.. da wird man direkt wieder auf die Startseite weitergeleitet.
Dies ist einer der Posts wo die Kommentare scheinbar sichtbar waren.
Dabei habe ich entdeckt das es einen Button gibt „jetzt Kommentieren“ der scheinbar die Kommentare einblendet.
Zu schade nur das ich den vorher nicht wirklich bemerkt habe weil ich mit eurer super geilen Weiterleitung auf die Startseite beschäftigt war..

Kommt es mir nur so vor oder lässt die Qualität von t3n immer mehr nach?
Erst die Clickbaits in euren Posts oder interessante Fakten ohne dann Inhaltlich darauf einzugehen oder das zu schreiben / darzustellen weshalb die Besucher den Posts eigentlich angeklickt habe und nun scheint ihr auch noch solche Angst davor zu haben das eure Kunden eure Seite verlassen das Ihr sie zwangsweise auf die Startseite weiterleitet frei nach dem Motto „Hier schau doch mal was wir noch für Posts haben bevor du unsere Seite verlässt“.

Ich weiß nicht wer bei euch das Genie ist das auf die Idee mit der Weiterleitung gekommen ist, aber derjenige sollte mal über einen Berufswechsel nachdenken denn mit Usability hat das nichts mehr zu tun.

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Jason

Stimme dir voll zu! Bin auch von der neuen Funktion genervt, dass man bei Runterscrollen zur Startseite weitergeleitet wird :(

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Eva HS

Ich kann dem oben zustimmen. Allerdings als Künstlerin und Fotografin habe ich dort über Facebook gute Kontakte generiert, die ich sonst nicht in der Form hatte. Zudem echt tolle Leute wieder gefunden und neue nette ebenso. Auch meinen jetzigen Freund aus Paris, mit dem ich seit zwei Jahren zusammen bin. Wie lernten uns withigerwweise über FB kennen und unsere Arbeit zum Thema Flucht und Vertreibung. Dafür war FB jetzt mal echt gut. Ansonsten halte ich das alles was privat ist komplett aus dem Account heraus. Ich poste auch keine persönlichen Dinge in der Art, wie es manche eben gern tun. Gruß

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Eva HS

Sorry für Tippfehler

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Florian NIebuhr

Herzlichen Glückwunsch zu dieser Erkenntnis!

Das ist der Grund warum ich 2006 mit StudiVZ aufgehört habe und auch seitdem nichts vermisse.

Und: es fing ja damals schon an inwiefern die Nutzerdaten für die Erstellung von Profilen zu Geld gemacht werden kann. Damals ging schon ein großer Aufschrei durch die Community.
Als dann alle bei Facebook waren, kam dann auch das große Geld der Konzerne und mit ihnen die Flut an Werbung.

Der Like und Teilungswahnsinn wird langsam aufhören, weil es nervt.

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Buntseher

Social Media stirbt 2016. Lebt aber 2017 in diversen Formen beim Redakteur weiter – von mir aus in abgeschwächter Form. Definieren Sie doch mal bitte den Begriff „Tod“.

Herje, hier und da liefert t3n wirklich interessante Beiträge, aber leider ist vieles auch nur genau das Blabla, das wir so inflationär in den sozialen Medien wiederfinden. Müdigkeit liegt vor? Sicherlich, alles muss sich weiterentwickeln, immer mal wieder neu erfinden usw. Dazu gehört häufig, dass man des Alten überdrüssig geworden ist und neue/bessere Wege gehen möchte. Die Fake News und Filter-Diskussion hat ja letztlich erst begonnen für Veränderungen zu sorgen. Mal schauen, in wie weit sich die digitale soziale Welt diesbezüglich weiterentwickeln wird.

Aber mal so nebenbei. wissen Sie was wirklich nervt? Clickbaiting von angeblich renommierten Magazinen etc.! Wie stehts denn darum, herrscht hier nicht auch Müdigkeit, wollen wir nicht auch von dieser immensen Manipulation mal ein wenig Abstand nehmen? Wie wäre es mit einem Titel, der wirklich mal den Inhalt auf den Punkt zusammenfasst? Allerdings lassen sich BILdende Überschriften wie diese hier natürlich auch wunderbar im Social Web sharen, nicht wahr? Also, ich bin gespannt auf den nächsten Beitrag bzw. dessen Titel. ;)

Antworten
Martin Weigert

Ich denke, was ich mit „Tod“ meine, wird beim Lesen durchaus deutlich, oder? Wenn man viele Jahre lang gewisserweise rund um die Uhr Gedanken über soziale Medien teilt – und dann dies von 100 % auf, sagen wir 10 % herunterfährt, dann ist das für den Betroffenen tatsächlich eine radikale Veränderung. Für mich selbst fühlt es sich tatsächlich wie der Tod sozialer Medien an. Für mich, in meinem Leben und Alltag. Selbst wenn sie noch da sind, und selbst wenn ich sporadisch auch noch präsent bin.

Was den Clickbait-Vorwurf angeht: Ich verstehe, woher er kommt, halte ihn aber für unangebracht. Denn: Wie hoch ist die Wahrscheinlichkeit, dass du die Überschrift wörtlich genommen hast? Also dass Social-Media-Dienste tatsächlich „tot“ sind, weg vom Fenster, geschlossen? Ich behaupte: 0 %. Denn du hast sie sicher alle heute noch genutzt. D.h., intuititv hast du sofort verstanden, dass der Autor abstrahiert. Missverständnisse oder Fehlinterpretationen sind eigentlich ausgeschlossen, es sei denn, man lebte bis heute unter einem Stein.

Du hättest dann drei Möglichkeiten: a) Trotzdem klicken, weil du erfahren möchtest, was genau der Autor meint. Oder b) Trotzdem klicken, aber eigentlich nur, um sich dann in einem Kommentar über Clickbait zu beschweren – egal ob aus dem Text hervorgeht, wie die Überschrift gemeint ist. Oder c) nicht klicken.

Der Begriff „Müdigkeit“ fällt übrigens in meiner Kolumne nicht.

Antworten
Martin Weigert

Danke für die Kommentare und das Lob.

Antworten
Ludwig Binkert

Braucht man 10 Jahre um den sehr geringen Wert von Social Media zu beurteilen?

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Martin Weigert

Die Beurteilung fand fortlaufend statt. Aber wie in der Kolumne beschrieben, wandelte sich für mich persönlich erst 2016 die Kosten-Nutzen-Kalkulation ins Negative.

Juergen Eichholz

Die Grundaussage kann ich verstehen und auch die Veränderung der Inhalte in teilweise absurde Bereiche würde ich auch so uterschreiben, aber das Programm gestalten wir uns doch auch immer selber, weil man dann eben nur dem interessanten Teil folgen muss. Ich bleibe weiterhin dabei.

Antworten
Joern

Herlicher Vergleich – Social Media ist wie ne billige Talkshow

Antworten
hardy

der trick besteht darin, den scheiss erst gar nicht anzufangen.

dumme idee, ich weiss. hat mir aber alles in sachen handy, smartphone, social media erspart. dafür hatte ich eine menge zeit und spaß, den anderen dabei zuzugucken, wie sie ihre zeit verschwenden.

Antworten
Martin Weigert

Hmm also das sehe ich etwas anders. Ich wünsche mir nicht, dass ich etwas anders gemacht hätte. Die Social-Media-Ära hat mir viel gebracht. Neue Kontakte und Freundschaften, berufliche Engagements, Erkenntnisse, Möglichkeiten zum Studium menschlichen Verhaltens usw.

Ich wünsche mir auch nicht eine Abnahme der Vernetzung. Im Gegenteil. Nur wie das geschieht, müsste künftig anders ablaufen.

Antworten
hardy

martin,

ich habe halt wirklich ziemlich dumme ideen, vielleicht die dinge, die mich grundsätzlich dazu brachten, nicht auf jeden zug aufzuspringen, der mir als „kostenlos“ angeboten wird, schon ende der 90er verstanden, als ich dem netz das erste mal den rücken kehrte und mich statt um „bits & bytes“ wieder mehr um die leute gekümmert habe, die es IRL gab.

die nüchterne wirklichkeit: man kann den leuten vor augen halten, aus was sie sich da einlassen, sie machen es trotzdem … jeder sagt sich „das habe ich schon im griff“ … und alle haben längst die distanz und den überblick verloren.

am ende arbeiten wir dann unbezahlt als sklaven solcher konzerne, die damit geld machen, daß sie uns gegeneinander aufbringen. wenn mir fakebook et al. geld bezahlen würden, daß ich das tue, dann okay. aber nüchtern betrachtet sind „soziale medien“ die abkehr von dem, wie das internet mal von optimistischen hippies gedacht worden war: als gegenseitige bereicherung.

davon übrig geblieben ist, daß sich raffgierige arschlöcher wie mark zuckerberg mit dem die taschen vollstopfen, was andere verschenken.

ich habe da zwei merksätze: „wir haben dem feind eine geladene waffe in die hand gedrückt und er sagt nicht mal danke“ und – vor allem – wir sollten nur die hälfte von dem tun, was wir so tun und die so gewonnene zeit damit verbringen, darüber nachzudenken, ob wir es überhaupt tun sollten“.

es wird nämlich zu wenig (vorher) darüber nachgedacht, was man so tut und was für konsequenzen das hat. man konnte sich nämlich schon vor 20 jahren denken, daß es mal so etwas wie „den nächsten hitler“ geben könnte, der die ganzen daten nutzen würde. so einer wie erdogan muss keine leute mehr in den keller schicken, damit sie karteikarten checken, wer denn nur „der jude“ ist. der drückt auf einen knopf, und weil offensichtlich keine sau darüber nachdenkenkt, daß der gedanke ja eigentlich zwingend ist, sind wir da, wo wir jetzt sind – in den USA müssen daten in sicherheit gebracht werden und datenbanken so verändert, daß „der muslim“ nicht mehr auszumachen ist.

daß jetzt bei anderen der groschen fällt, der schon hätte gefallen sein können, wenn sie vorher darüber nachgedacht hätten, auf was sie sich da einlassen, nehme ich mal zur kenntnis und auch, daß sie sich das immer noch schönreden auch.

mein vorteil: ich bin alt und gehe hoffentlich über die wupper, bevor sich das an den gedankenlosen mal rächt. bis dahin verschwende ich jedenfalls nicht meine zeit damit, den sklaven zu machen und trinke lieber tee mit echten menschen, statt mich meines status in den „sozialen medien“ zu vergewissern.

Hans Baur

Ja verstehe ich auch nicht, warum Bewußt-Social-Media-Verweigerer immer als hinterwäldlerisch angesehen werden. Sie sind diejenigen, die weiter denken und sei sind die Zukunft.
Dazu zählen durchaus auch Techies und Menschen, die (sehr) viel, zu viel Ahnung von der Technik haben…und die Menschen, die sie Freunde nennen und in der Realität sehen wollen auch real treffen.

Wenn Trump twittert, warum lässt man dann nicht ganz schnell Twitter in der Wichtigkeits-Versenkung verschwinden?

Antworten
asraelvudogel

Ich bin Mitte 2015 bereits bei Facebook ausgestiegen und kann auch nur sagen, dass ich es nicht bereue. Ich hab mich selbst viel zu oft dabei erwischt mich an den „News“ der Freunde zu ergötzen und dabei soviel Zeit zu verschwenden. Ab und zu schau ich noch bei Twitter rein, aber selbst da nervt mich die omnipräsente Werbung zusehens. Neuigkeiten aus aller Welt bekommt man immer noch sehr gut über RSS-Feeds oder News-Apps und mit Freunden kann man sich viel besser über diverse Messenger (nein, ich nutze nicht den FB-Messenger ;-) austauschen.
Die datenschutzrechtlichen Bedenken werden aber auch da immer größer. Statt Dropbox und Google betreibe ich schon seit einer Weile eine Own-/Nextcloud. Und auch das war eine großartige Entscheidung.
Am Ende bleibt nur die eine Erkenntnis:
Geht lieber mal ne Runde raus, trefft euch mit Freunden und lasst euer Smartphone zu Hause.

Antworten
Artesi

Ich habe seit 2010 Facebook Account und habe nicht mehr als 50 Nachrichten geteilt, gepostet, kommentiert.
FB Messenger kenne ich gar nicht, weil keiner von meinem Bekanntkreis dies nutzt.
Facebook nutze ich eigentlich nur um Photos von Privatperson zu suchen, bevor ich ihn/sie treffe.
Ich muss bestätigen, Facebook bietet in diesem Sinn richtige Information an.
Aus diesem Grund benutze ich auch kaum Facebook weil ich meine Photos/Daten nicht veröffentlichen möchte.
Allerdings sollen Unternehmen Facebook und Social Medien benutzen, damit jeder Informationen daüber von seinem beliebten Social Media schnell bekommt.
Aktionen, Veranstaltungen, Änderungen werde nicht verpasst.

Antworten
Eva HS

Tot ist eventuell auch nur, wer sich selbst dem Netz opfert. Wir bestimmen immer noch selbst unser Handeln und können dem entfliehen, indem wir einfach real leben. Es reicht doch schon , wenn man gezwungen ist den Tag damit zu verbringen e Mails zu bearbeiten. Aber auch da gibt es einfach die Löschtaste. Macht übrigens ein Freund von mir. Manager . Er kommt aus dem Urlaub und löscht alles weg. Er sagte, wer wirklich ernsthaft was will, ruft mich an.
Fand ich cool.

Antworten
Julia Nikolaeva

Hallihallo,

Ich habe diese Woche noch keinen Troll gefüttert, also füttere ich jetzt mal diesen hier…

Lieber Herr Weigert… Sie verallgemeinern eine Empfindung, die nur auf Sie alleine zutrifft. Sie haben den Social Media Blues, das heißt aber nicht, dass Social Media tot ist oder so von negativen Nebenwirkungen überlastet, dass diese die positiven Seiten überwiegen.

Wie alles im Leben, hat Social Media ihre dunklen Seiten. Ein selbstbewusster, besonnener Mensch lässt sich dadurch aber nicht verunsichern und hält den negativen Erlebnissen stand. Wenn er daran zerbricht, liegt es an ihm und nicht an Social Media.

Ich habe mich schon immer gewundert, dass Menschen den sozialen Netzwerken vorwerfen, sie von der Arbeit abzulenken, zu viel Zeit wegzunehmen usw. Es ist nicht die Schuld der sozialen Netzwerke, wenn ein Mensch nicht in der Lage ist, seine Benachrichtigungen eine Weile zu ignorieren, während er sich anderweitig konzentrieren muss. Sich auf etwas zu konzentrieren und alles andere vorübergehend auszublenden, ist eben etwas, was man in einer Welt mit so viel Informationsgehalt können muss. Und lernen muss. Sonst geht man unter, auch ohne Social Media. Und die sozialen Netzwerke zu verdammen und von ihnen zu flüchten, ist bei diesem Lernprozess nicht die richtige Lösung.

Fake-News, Mobbing, Hass-Kommentare – mit all dem muss man umgehen können. Das sind die alltäglichen Strapazen, mit denen man immer wieder mal zu tun bekommt, wenn man sich nicht komplett von Menschen zurückzieht. Versteckt man sich vor Social Media, dann begegnen sie einem anderswo. Oder noch schlimmer: Man kriegt von dieser Seite des Lebens nichts mit, indem man sich in der kleinen heilen Welt seines analogen Freundeskreises versteckt, und wird unwissend, naiv und weltfremd. Gerade diese Grenzen der eigenen kleinen Welt erweitert Social Media doch ausgezeichnet – und das hat natürlich seinen Preis, nämlich die negativen Erfahrungen.

Und dass die Menschen negativ auf die freudigen Berichte ihrer Cyber-Freunde reagieren, die von einem tollen Tag, einer glücklichen Beziehung oder einem tollen Urlaub berichten, dass die Leute es nicht ertragen können, wenn andere glücklich sind, und mit den Glücklichen unbedingt in Konkurrenzkampf treten müssen – sorry, das stimmt einfach nicht! Das trifft zu auf Menschen mit schlechtem, neidischem Charakter. Menschen mit schlechtem Charakter kommen aber nicht nur mit Social Media nicht klar, sondern haben auch sonst überall Probleme. Anständige Menschen dagegen freuen sich für ihre Cyber-Freunde. Und freuen sich natürlich auch, wenn sie selbst etwas schönes erleben und posten und ihre Cyber-Freunde sich wiederum für sie freuen.

Ihr Bericht ist sehr pessimistisch und negativ, spiegelt aber nicht die Realität wieder. Ich glaube vielmehr, dass Sie im Moment der Social Media persönlich überdrussig sind. Dann erholen Sie sich doch eine Weile davon und kommen Sie wieder, wenn es Ihnen besser geht. Man muss aber doch nicht während seiner Social Media Pause glückliche Social Media Nutzer vor den Kopf stoßen. Das zeugt nicht von einem guten Charakter.

Gruß

Julia

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